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Die Formel für den Kostentarif

Die Honorarberechnung nach dem Kostentarif gemäss der SIA-Honorarordnung 102 ist ausgesprochen kompliziert. Für nicht Sachkundige ist sie in der Regel ein Buch mit sieben Siegeln. Aber auch einige Fachleute haben ihre liebe Mühe damit, speziell entwerferisch-künstlerisch tätige Architekten, die mit den Kosten normalerweise kaum etwas zu tun haben. Ich kenne einen angesehenen, mittlerweile pensionierten BSA-Architekten, welcher viele Jahre als Entwurfschef eines grossen Büros amtiert hat, der die Honorarformel zeit seines Lebens nicht begriffen hat. – Ausgesprochen gut mit der Formel vertraut sind dagegen jene teilweise etwas zweifelhaften Architekten, die sich primär für Immobiliengeschäfte interessieren, nicht aber für Architektur.

Aus juristischer Sicht wird (meines Erachtens zutreffenderweise) bemängelt, dass die Honorarberechnung gemäss der SIA-Honorarordnung 102 zu kompliziert sei. Der nicht sachkundige Bauherr könne sie gar nicht verstehen. Im Ausland (z. B. Deutschland) sind denn auch deutlich einfachere Honorarordnungen im Gebrauch.

Formel für die Berechnung des Architektenhonorars nach dem Kostentarif
(gemäss Art. 8.1 SIA 102)

H = B x p x n x q x r
H
Honorar (in Franken)
B
honorarberechtigte Baukosten (in Franken) 
p
Honorar-Grundprozentsatz (z. B. 16.8% bei honorarberechtigten Baukosten von 1.0 Mio. Fr.; Tarif 1998) 
n
Schwierigkeitsgrad (häufig 1.0; Spannweite von 0.7 bis 1.3)
q
Leistungsanteil = Summe der zu erbringenden Teilleistungen
(100% für alle Teilleistungen; ca. 35% bis zur Baueingabe)
r
Korrekturfaktor (normalerweise 1.0)

Die Formel kann in Worten wie folgt ausgedrückt werden: Das Honorar H hängt von den Baukosten B sowie von vier weiteren Faktoren ab, nämlich dem Honorar-Grundprozentsatz p, dem Schwierigkeitsgrad n, dem Leistungsanteil q sowie dem Korrekturfaktor r. Im folgenden betrachten wir die einzelnen Elemente der Formel kurz. Auf Einzelheiten gehen wir in einem späteren Abschnitt ein («Vertragsverhandlungen, wenn der Architekt schon bekannt ist»).

 

  • Honorarberechtigte Baukosten B

Honorarberechtigt sind in der Regel die eigentlichen Bauarbeiten, und zwar für Gebäude, Umgebung und Erschlies­sung. Auch einzelne Betriebseinrichtungen können honorarberechtigt sein. Massgebend sind die effektiv bezahlten Beträge gemäss Bauabrechnung, also nach Abzug von Rabatt und Skonto. Nicht honorarberechtigt sind das Grundstück, die Honorare selber sowie Baunebenkosten aller Art (Finanzierung, Gebühren etc.).

 

  • Honorar-Grundprozentsatz p

Mit dem Faktor p wird der Tatsache Rechnung getragen, dass kleine Projekte ein prozentual grösseres Honorar erfordern als grosse. Der Honorar-Grundprozentsatz p nimmt mit ansteigender Bausumme ab. Beispielsweise beträgt er (Tarif 1998) bei honorarberechtigten Baukosten von 0.25 Mio. über 22%, bei 10 Mio. nur noch etwas über 12%, also gut die Hälfte.

Die Entwickler der Honorarformel haben den Faktor p überraschenderweise auch an die Bauteuerung und an die Entwicklung der Löhne gekoppelt. Bei gedrückten Baupreisen (tiefer Zürcher Index der Wohnbaukosten) nimmt der prozentuale Anteil des Honorars  an der Bausumme zu und umgekehrt. Die zurzeit sehr tiefen Baupreise haben zur Folge, dass die p-Werte im langjährigen Vergleich aussergewöhnlich hoch sind. Während p für honorarberechtigte Baukosten von 500 000 Fr. im Jahre 1991 noch 15.4% betragen hat, sind es 1998 19.3%. Die gleiche Bausumme gibt also gemäss Honorarformel einen Viertel mehr Honorar, wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass ein kleiner Teil dieses Anstiegs auf den Übergang von der Warenumsatzsteuer auf die Mehrwertsteuer zurückzuführen ist.

Einige Beispiele für den Honorar-Grundprozentsatz p (Tarif 1998)

Honorarberechtigte
Baukosten B
(ohne MWSt)
Honorar-
Grundprozentsatz
p
250 000
22.4 %
500 000
19.3 %
750 000
17.7 %
1 000 000
16.8 %
5 000 000
12.8 %
10 000 000
11.6 %

Quelle: Grundlagen für die Honorierung für das Jahr 1998 (herausgegeben vom SIA)

Anmerkung für mathematisch Interessierte: Grundlage für die Konzeption der Honorarberechnung nach dem Kostentarif sind sechshundert Nachkalkulationen von ausgeführten Projekten aus dem Jahre 1979 gewesen. Mittels einer sogenannten Regressionsanalyse ist für den Faktor p eine Formel gesucht worden, die für die nachkalkulierten Projekte den statistisch ermittelten Zusammenhang zwischen Baukosten und kostendeckenden Honoraren abbildet. Derartige Formeln sind an und für sich schon kompliziert. Weil gemäss dem SIA-Ansatz p auch auf die Bauteuerung und die Einkommensentwicklung reagiert, ist sie noch viel unhandlicher geworden. Die Formel für p ist in der SIA-Honorarordnung 102 zwar aufgeführt (Art. 8.1.2 SIA 102), aber ich wage zu behaupten, dass nur einige wenige Praktiker des Baugewerbes damit etwas anfangen können. Die grosse Mehrheit ist darauf angewiesen, den Faktor p aus einer Tabelle ablesen zu können und ihn nicht selber berechnen zu müssen.

 

  • Schwierigkeitsgrad n

Das Honorar soll bei anspruchsvollen Bauaufgaben höher sein als bei einfachen. Das Mass der Schwierigkeit wird durch den Schwierigkeitsgrad n berücksichtigt. Bei normalen Bauwerken ist n gleich 1.

Die SIA-Honorarordnung 102 enthält eine Tabelle mit Vorschlägen zur Einstufung von Bauwerken. Allerdings ist der Ermessensspielraum für die Einstufung sehr gross, wie einige Beispiele aus dem Gebiet des Wohnungsbaus zeigen (siehe nachfolgende Tabelle). Es gibt keinen objektiven Massstab dafür, ob beispielsweise ein Einfamilienhaus als «durchschnittlich» (n = 1.0) oder «mit individuellen Ansprüchen» (n = 1.1) einzustufen ist. Der gewählte Schwierigkeitsgrad hat aber erhebliche Auswirkungen auf das Honorar. Eine Reduktion von 1.1 auf 1.0 bewirkt eine Verminderung des Honorars um rund 10%. In der Praxis ist daher der Schwierigkeitsgrad n der mit Abstand heikelste Verhandlungsgegenstand bei Honorarverträgen. Bei Konkurrenzsituationen wird im Rahmen von Vertragsverhandlungen intensiv über diesen Punkt diskutiert.

Noch heikler als bei alltäglichen Bauvorhaben wie Wohnbauten ist es etwa bei industriellen Projekten, den angemessenen Schwierigkeitsgrad zu bestimmen. Hier hilft die Tabelle gemäss SIA-Honorarordnung 102 nur sehr beschränkt weiter.

Schwierigkeitsgrade n für Architekten bei einigen ausgewählten Bauwerksarten
(gemäss Art. 7.4 sowie Art. 8.1 SIA 102)

Mehrfamilienhäuser
— einfachste
0.9
— mit gleichartigen Wohnungstypen
1.0
— mit verschiedenartigen Wohnungstypen
1.1
Einfamilienhäuser, Ferienhäuser, freistehend,
in Reihen oder in verdichteter Ausführung
— einfachste
0.9
— durchschnittliche
1.0
— mit individuellen Ansprüchen
1.1
— mit höchsten Ansprüchen
1.2

.

  • Leistungsanteil q

 Mit dem Leistungsanteil q wird das Honorar dem Leistungsumfang des Architekten für den konkreten Auftrag angepasst. Vielfach ist nämlich nicht die volle Leistung gemäss Leistungstabelle zu erbringen, sondern nur ein Teil davon. In der erwähnten Tabelle ist aufgeführt, welches Gewicht den einzelnen Teilleistungen zukommt. Die Bauleitung beispielsweise wird mit 27% der Gesamtleistung eingestuft.

Nehmen wir an, der Architektenauftrag werde nur bis zur Baueingabe (einschliesslich Kostenvoranschlag) erteilt. Der Leistungsanteil beinhaltet somit die Vorprojektphase (9%) und die Projektphase (26%). Zusammen ergibt dies einen Leistungsanteil q von 35%.

 

  • Korrekturfaktor r

Mit dem Korrekturfaktor kann das Honorar nach oben wie nach unten angepasst werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Im Artikel 7.5 SIA 102 werden einige Anlässe aufgelistet. Ohne spezielle Vereinbarung ist der Korrekturfaktor 1.0.

Der sogenannte Umbauzuschlag dürfte in der Praxis der häufigste Fall eines Korrekturfaktors sein. Umbauten werden im Artikel 7.11 SIA 102 behandelt. Das Spektrum des Zuschlags reicht von 10% bis 50%. Üblich sind 20 bis 30%.

Auf zwei weitere Punkte, die Anlässe für Korrekturfaktoren sein können, gehen wir später ein: die Gesamtbeauftragung (Generalplanermodell) sowie die Wiederholung von Bauten.

Nebenkosten

Im Honorar nach Kostentarif nicht eingeschlossen sind die Nebenkosten (siehe Art. 5.5 SIA 102). Sie sind separat zu entschädigen. Die wichtigsten sind die sogenannten Dokumentationskosten (Pläne, Modelle etc.) sowie die Kosten für Drittleistungen (Expertisen, Vermessung etc.). Präzisierungen sind in erster Linie nötig bei den Reisespesen (siehe nachfolgenden Abschnitt; Punkt G).