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Wieso sich Honorare im Markt bilden sollen

In diesem Abschnitt befassen wir uns mit einigen grundsätzlichen Fragen der Honorierung von Planungsleistungen in der Bauwirtschaft. Wer sich nicht speziell für die teilweise etwas philosophischen Ausschweifungen interessiert, mag es ohne Schaden überspringen. Im nächsten Abschnitt («Die Honorarberechnung im Kostentarif») kehren wir zurück zu handfesten Hinweisen, wie Verträge mit Bauplanern zu gestalten und Honorare zu verhandeln sind.

Freie Planer schätzen reglementierte Honorare

Fragen wir uns zuerst, ob man die Höhe der Honorare in der Baubranche durch ein Regelwerk überhaupt objektiv richtig festlegen kann. Selbstverständlich kann man das nicht. Aus Sicht der Nachfrager (Bauherrschaften) sind die Preise vermutlich immer zu hoch und aus der Sicht der Anbieter (Planer) chronisch zu tief. Es gibt keinen besseren Richter als den Markt, der für den konkreten Fall die richtige Höhe des Honorars mit traumwandlerischer Sicherheit bestimmen kann.

In weiten Teilen unserer Volkswirtschaft bestimmt tatsächlich der freie Markt die Preise von Gütern und Dienstleistungen. Bei den freien Berufen allerdings ist es meistens anders. In vielen Fällen legt eine Preisliste die Tarife der Anbieter fest, wobei die Tarifliste verbindlichen oder lediglich empfehlenden Charakter haben kann. Manchmal wird der Tarif von einem Berufsverband einseitig festgelegt (wie bei Architekten und Ingenieuren), manchmal mischt sich der Staat ein (wie bei Aerzten, Bergführern und Anwälten).

Jede Preisliste, und sei sie noch so detailliert, erlaubt aber bei anspruchsvollen Dienstleistungen gewisse Freiräume bei der Preisgestaltung. Die Konsumentensendung «Kassensturz» des Deutschschweizer Fernsehens hat dies in einem eindrücklichen Test demonstriert («Kassensturz» vom 22. August 1995). Die Redaktion hat einer Reihe von Rechtsanwälten das genau gleiche alltägliche Rechtsproblem zur Bearbeitung vorgelegt. Die Honorarnoten sind trotz Tarifliste alles andere als einheitlich ausgefallen: die höchste Forderung ist zwanzigmal so hoch wie die niedrigste gewesen ...

Nicht alle Berufsgattungen sind gleich erfolgreich beim Durchsetzen ihrer Preisvorstellungen. Während sich etwa Aerzte, Zahnärzte, Rechtsanwälte, Buchprüfer oder Notare über die absolute Höhe der Honorierung kaum beklagen dürfen, sind die Bauplaner weniger privilegiert. Im Vergleich zu den genannten Grossverdienern kann das Lohnniveau von Architekten und Ingenieuren geradezu als bescheiden bezeichnet werden. Gemessen an den Verdienstmöglichkeiten in der Industrie fallen die Einkommen von qualifizierten (akademisch ausgebildeten) Architekten oder Ingenieuren allerdings kaum ab. Inhaber oder Partner von gutgehenden mittleren Büros (etwa zwanzig Personen) oder Kadermitarbeiter in grösseren Firmen (Stufe Abteilungsleiter resp. Vizedirektor) dürften durchaus auch um die 150 000 Fr. jährlich verdienen. Bei Selbständigerwerbenden lockt, je nach Konjunktur und wirtschaftlicher Grosswetterlage, zudem noch ein allfälliger Zusatzbatzen aus Immobiliengeschäften. Hier kann das grosse Geld gemacht (aber auch verloren) werden.

Seit Jahrzehnten sind die Architekten neidisch auf die Aerzte. Am liebsten hätten sie es, wenn ihr Berufsstand ähnlich organisiert wäre wie der FMH. Die Art der Honorierung ist im Gesundheitswesen traditionell absolut paradiesisch: über die Honorare spricht man nicht, feilscht man nicht, und vielfach weiss man sie als Konsument schlicht und einfach auch gar nicht. - Allerdings ändern auch bei den Aerzten langsam die Zeiten. Neuerdings kann ein FMH-Mitglied nicht mehr daran gehindert werden, die Preisliste seines Verbandes zu unterschreiten. Ein gewisser Druck geht auch von den Krankenkassen aus, die Leistungen allmählich etwas preisbewusster einkaufen. Bei den Zahnärzten erfrechen sich einige Kunden sogar schon, Konkurrenzofferten einzuholen, bevor sie sich einen Goldzahn einsetzen lassen.

 

  • Die Honorarordnung ist lange verteidigt worden

Weil die Verdienstsituation in der Bauwirtschaft nicht so rosig ist wie in anderen freien Berufen, haben die Bauplaner und speziell die Architekten unter ihnen die traditionelle Honorarordnung (d. h. Kostentarif gemäss SIA-Ordnung 102 ff.) und die mit ihr verbundene Preisbindung für Planungsleistungen während langer Zeit vehement verteidigt. Sie haben etwa gesagt, dass ein Wettbewerb der Leistungen spielen soll und nicht ein Wettbewerb der Preise. Besonders empfindlich haben sie reagiert, wenn der Staat sich angeschickt hat, bei der Beschaffung von Planungsleistungen die Preise zu drücken. Einzelne staatliche Aufträge gelten nämlich als besonders lukrativ, insbesondere solche, die aus Wettbewerbserfolgen hervorgehen. Hier haben sich die Architekten an jeden Buchstaben der Honorarordnung geklammert.

Eine kleine Episode soll erhellen, welchen Anfeindungen preisbewusste staatliche Stellen ausgesetzt gewesen sind, wenn sie an der Honorarordnung zu kratzen gewagt haben. Vor ein paar Jahren hat sich eine zürcherische Gemeinde in einer Architekturzeitschrift vorwerfen lassen müssen, sie propagiere «Architektur vom billigen Jakob». Dabei hat sie nicht mehr getan, als potentielle Interessenten für öffentliche Planungsaufträge höflich anzufragen, ob sie allenfalls günstiger arbeiten würden als zu den Konditionen streng nach SIA-Honorarordnung 102 (Kostentarif). Man kann sich zwar tatsächlich fragen, ob es der Weisheit letzter Schluss gewesen sei, unabhängig von einem konkreten Projekt Angaben über die finanziellen Bedingungen einzuholen: projektbezogene Vereinbarungen über die Honorierung wären vermutlich sinnvoller gewesen. Trotz diesem Schönheitsfehler hat jene Gemeinde meiner Ansicht nach ein Lob verdient. Die geprüften Steuerzahler sind über jeden Franken froh, den die öffentliche Hand weniger ausgeben muss.

 

  • Die Preisbindung muss 1996 aufgehoben werden

Im Jahre 1996 beugt sich der SIA vor der Macht des Faktischen: In einer denkwürdigen Urabstimmung, die sehr knapp ausfällt, hebt er die Preisbindung auf. Die SIA-Mitglieder müssen sich nicht mehr an die kartellähnliche Preisabsprache, wie sie in den SIA-Honorarordnungen 102 ff. zum Ausdruck kommt, halten.

In der wirtschaftlichen Realität ändert sich dadurch allerdings kaum etwas. Lediglich bei der öffentlichen Hand hat die Honorarberechnung streng nach SIA-Tarif vielerorts noch hoch im Kurs gestanden. In der Privatwirtschaft dagegen ist man schon lange davon ausgegangen, dass die traditionelle Honorarordnung keineswegs als verbindliches Reglement zu betrachten ist, sondern lediglich als Gesprächsgrundlage, die der Verhandlung bedarf. Die Diskussion über die angemessene Honorierung ist hier nicht verpönt, sondern die Regel. Es gibt nämlich ganz handfeste Gründe, der Honorarformel für den Kostentarif nicht blindlings zu vertrauen. Vielfach führt sie nämlich zu fragwürdigen Resultaten. Besonders bei ganz grossen und ganz kleinen Projekten ist sie nicht über jeden Zweifel erhaben. Diese beiden Fälle wollen wir im folgenden näher betrachten.