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Beispiel 4: Wiederholung von Bauten

Wie bemisst sich das Architektenhonorar, wenn ein Bauprojekt aus einer Anzahl gleichartiger Einzelbauten besteht, die wiederholt ausgeführt werden? Derartige Honorarfragen, die sich beispielsweise bei der Ausführung von identischen Reihenhäusern stellen, sind erfahrungsgemäss sehr heikel, insbesondere bei der Anwendung des traditionellen Kostentarifs gemäss SIA-Honorarordnung 102. Angeregte Diskussionen ergeben sich vor allem dann, wenn während der Vertragsverhandlungen keine Konkurrenzsituation besteht, die ein marktgerechtes Festlegen des Honorars erleichtert. Anhand eines Beispiels will ich darlegen, mit welchen Grundüberlegungen eine plausible Übereinkunft zum Honorar von wiederholten Bauten gefunden werden kann.

Dieser Abschnitt über den recht seltenen Fall des Wiederholungsrabatts von identischen Bauten richtet sich primär an eine sachkundige Leserschaft.

Ausgangslage und Problematik

Wir gehen davon aus, dass eine Wohnbaugenossenschaft eine kleine Siedlung mit 10 Reihenhäusern errichten will. Da die Häuser an die Genossenschafter vermietet werden sollen, ist der Innenausbau überall gleich. Die Anlagekosten ohne Land belaufen sich auf 5 Mio. Fr. für die ganze Siedlung oder 0.5 Mio. Fr. pro Haus. Von diesen Beträgen sind 80% honorarberechtigt. Das Architektenhonorar soll nach Kostentarif gemäss SIA-Honorarordnung 102 berechnet werden (siehe Formel für den Kostentarif). Die Annahmen für die honorarberechtigten Baukosten B sowie die Faktoren n und q in der Honorarformel sind in folgender Zusammenstellung enthalten.

Bauaufgabe: Gleichzeitige Erstellung von 10 identischen Reihenhäusern

Honorarberechtigte Baukosten B total
4 Mio. Fr.
pro Haus
0.4 Mio. Fr.
Schwierigkeitsgrad n
1.0
Leistungsanteil q
100 %

Welches Architektenhonorar ist für diese Bauaufgabe angemessen? Die Frage ist nicht so einfach zu beantworten, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Um uns an das Thema heranzutasten, kümmern wir uns vorerst nicht um Reihenhäuser, sondern unternehmen einen gedanklichen Ausflug zu einer verwandten Frage: Wie hoch ist das Honorar bei einer Gruppe von zehn völlig unterschiedlichen Einfamilienhäusern?

Exkurs 1: Zehn Architekten, zehn verschiedene Häuser

Im Exkurs 1 nehmen wir an, jedes Haus habe eine eigene Bauherrschaft und einen eigenen Architekten und sei somit völlig unabhängig von den übrigen Häusern. Unter dieser Annahme bemisst sich das Honorar pro Haus aufgrund der honorarberechtigten Baukosten von 0.4 Mio. Fr., was den hohen Betrag von 80 800 Fr. ergibt.

Honorarberechtigte Baukosten B pro Haus
0.4 Mio. Fr.
Honorar-Grundprozentsatz p (Tarif 1998)
20.2 %
Honorar pro Haus
80 800 Fr.

Exkurs 2: Ein Architekt, zehn verschiedene Häuser

Im Exkurs 2 gehen wir nun davon aus, dass zwar alle Häuser unterschiedlich seien, aber vom gleichen Architekten im gleichen Zeitraum für die gleiche Bauherrschaft geplant und ausgeführt werden. Aufträge mit mehreren (unterschiedlichen) Bauten sind in der Praxis relativ häufig und in der Honorarordnung klar geregelt (Art. 7.6 SIA 102). Das Honorar wird in diesem Fall aufgrund der honorarberechtigten Gesamtbaukosten ermittelt (nicht zu verwechseln mit den Kosten für einen Bau). Aus nachfolgender Zusammenstellung geht hervor, dass gegenüber Exkurs 1 der Honorar-Grundprozentsatz von 20.2% auf 13.2% sinkt und das Honorar pro Haus von 80 800 Franken auf 52 800 Franken.

Honorarberechtigte Baukosten B total
4 Mio. Fr.
Honorar-Grundprozentsatz p (Tarif 1998)
13.2 %
Honorar total für 10 Häuser
528 000 Fr.
Honorar pro Haus
52 800 Fr.

Wir können also das Fazit ziehen, dass das Honorar pro Haus um einen Drittel schrumpft, wenn ein einziger Architekt gleichzeitig zehn völlig verschiedene Häuser plant und nicht für jedes Haus ein separater Architekt verpflichtet wird. Wie sieht es aber aus, wenn die Häuser alle identisch sind? Der Serieneffekt vereinfacht zweifellos die Architektenarbeit und muss sich auch irgendwie im Honorar niederschlagen.

Die SIA-Honorarordnung 102 bleibt diesbezüglich sehr vage. Es wird lediglich ausgeführt, dass bei mehreren gleichen Bauten das Honorar mittels eines Korrekturfaktors ermässigt werden könne, «wenn eine eindeutige Vereinfachung der Leistungen des Architekten zu erwarten ist» (Art. 7.7 SIA 102). Wie dieser Korrekturfaktor zu ermitteln sei, wird allerdings nicht gesagt.