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Der gute Weg zu marktgerechten Architektenhonoraren

Die Bauherrschaft kann marktgerechte Architektenhonorare erreichen, wenn sie zwei einfache Grundsätze befolgt. Sie soll (1) den Honorarvertrag vor Planungsbeginn abschliessen und (2) die Leistungen des Architekten für das konkrete Projekt so genau wie möglich präzisieren. In diesem Abschnitt gehen wir auf beide Punkte ein, wobei wir speziell beim zweiten eine ganze Reihe nützlicher Hinweise auflisten.

Grundsatz 1:
Architektenvertrag vor Planungsbeginn abschliessen

Der Planungsvertrag soll vor Auftragsbeginn verhandelt und schriftlich abgeschlossen sein. Es ist schon sehr viel erreicht, wenn diese wichtige Bedingung erfüllt ist. Die SIA-Ordnung 102 empfiehlt im Gegensatz dazu dem Architekten lediglich, die Bauherrschaft bei der Auftragserteilung über das Honorar zu orientieren. Er soll die voraussichtliche Höhe der eigenen Planungskosten sowie zusätzlich die Summe aller übrigen Planungsaufwendungen angeben (Art. 8.1 SIA 102). Erfahrungsgemäss passiert das häufig nicht. Oft erst Wochen nach Arbeitsbeginn unterbreitet der Architekt der Bauherrschaft einen Vertragsentwurf. Einige Architekten sind sogar fest überzeugt, dass man damit bis zur Baueingabe warten solle. – Es liegt auf der Hand, dass nach dem Arbeitsbeginn nur noch reduzierte Möglichkeiten bestehen, über die Konditionen des Vertrags ernsthaft zu verhandeln.

Mit Vorteil führt die Bauherrschaft mit mehreren Anbietern von Planungsleistungen Gespräche über die Vertragskonditionen. Es ist eine alte Tatsache, dass erst im Falle einer Konkurrenzsituation ergiebige Verhandlungen möglich sind. Allerdings ist die Höhe des Honorars bei der Planerwahl, wie weiter vorne ausgeführt («Einige Kriterien für die Auswahl des Architekturbüros»), nur ein Kriterium unter anderen. Die Qualität der Leistung ist sehr viel höher einzustufen.

Baulustige sollten im übrigen wissen, dass bereits erste kleine Leistungen des Architekten ganz am Anfang eines Projektes honorarberechtigt sind. Dies gilt auch dann, wenn noch kein schriftlicher Vertrag existiert (Architektenverträge müssen ohnehin nicht schriftlich abgeschlossen werden), sondern erst eine lose mündliche Abmachung. Personen mit Erfahrungen aus der Industrie stören sich vielfach an diesen Gebräuchen. Sie sind es gewohnt, dass in ihrer eigenen beruflichen Tätigkeit im Rahmen der Akquisition unter Umständen erhebliche Vorleistungen nötig sind, ohne dass eine Vergütung erwartet werden kann. Architekten dagegen machen keine kostenlosen Vorleistungen – ausser man vereinbart es mit ihnen ausdrücklich so.

Grundsatz 2:
Leistungen des Architekten präzisieren

Die SIA-Ordnung 102 ist so aufgebaut, dass sie als Leistungsbeschrieb für alle nur denkbaren Projekte verwendet werden kann. Sie ist sehr allgemein abgefasst. Die Grenze zwischen den Grundleistungen, die im Honorar eingeschlossen sind, und den separat zu honorierenden Zusatzleistungen ist nur grob definiert. In der Praxis gibt es daher immer wieder Meinungsverschiedenheiten darüber, was als Grundleistung zu gelten habe und was zusätzlich zu honorieren sei. Zusatzleistungen sind bei der Bauherrschaft unbeliebt, weil der Zusatzaufwand nur schwer zu bemessen ist, finanziell aber erheblich ins Gewicht fallen kann.

Diese Probleme kann man weitgehend umgehen, indem man vor den Vertragsverhandlungen den Leistungsbeschrieb an das konkrete Projekt anpasst. Viele mögliche Streitpunkte kann man dadurch vermeiden. Die Grundidee besteht also darin, einen massgeschneiderten Leistungsbeschrieb zu erstellen, der alle Wünsche, Vorgaben und Randbedingungen der Bauherrschaft enthält.

Ganz ausschliessen kann man speziell zu honorierende Zusatzleistungen allerdings nicht. Es ist bei jedem Bauvorhaben möglich, dass auf unvorhergesehene Entwicklungen grösseren Umfangs reagiert werden muss (geänderte Bauherrenanforderungen, Bedingungen der Denkmalpflege, Projektänderungen infolge Einsprachen und dergleichen mehr).

Die folgenden Hinweise geben einige Denkanstösse, wie der Standard-Leistungsbeschrieb des Architekten gemäss der SIA-Honorarordnung 102 an das konkrete Projekt angepasst werden kann.

 

  • A. Projektvarianten

Die grössten Sparpotentiale beim Bauen bestehen bekanntlich ganz am Anfang der Projektierung, in der Vorprojektphase. Die Bauherrschaft kann in hohem Masse profitieren, wenn das Spektrum alternativer Lösungsansätze gründlich untersucht wird. Die SIA-Ordnung 102 stellt sich natürlich nicht grundsätzlich gegen dieses Ansinnen. Bei der Teilleistung «Studium von Lösungsmöglichkeiten» (Art. 4.1.2 SIA 102) wird denn auch festgehalten, dass es zu den Grundleistungen gehöre, «eine oder mehrere Lösungen» in Skizzenform zu erarbeiten. Die Suche von Lösungen hat aber nach SIA ihre Grenzen: Das «Studium von Varianten aufgrund wesentlich abweichender Grundlagen oder Anforderungen» sei eine Zusatzleistung. Auch bei der nachfolgenden Teilleistung, dem Vorprojekt, enthält die Honorarordnung Einschränkungen. In der Vorprojektphase seien «Grobschätzung und Vergleich der Baukosten von Varianten» (Art. 4.1.4 SIA 102) als Zusatzleistungen einzustufen. Art. 7.12 SIA 102 schliesslich geht an einer anderen Stelle der Honorarordnung noch einmal darauf ein, wann Projektvarianten zusätzlich zu honorieren seien und wieviel das Honorar betrage.

Für meinen Geschmack werden in der SIA-Honorarordnung 102 entschieden zu viele Einschränkungen gemacht, was das Studium von Projektvarianten betrifft. Am Anfang eines Projektes darf man beim Planungsaufwand schlicht nicht sparen. Die Bauherrschaft sollte darum den Leistungsbeschrieb dahingehend ergänzen, dass die gesamte Lösungssuche mit allen notwendigen Projektvarianten im Honorar nach Kostentarif enthalten ist. Die Bauherrschaft muss mitbestimmen können, welche Lösungsansätze im einzelnen zu untersuchen sind.

Am besten ist es, wenn die Bauherrschaft für das auszuarbeitende Projekt konkrete Leitlinien für die Lösungssuche formuliert. Anhand einer alltäglichen Bauaufgabe wollen wir erläutern, was darunter zu verstehen ist. Nehmen wir an, ein Architekt soll beauftragt werden, ein Doppel-Einfamilienhaus zu planen. Für dieses Bauvorhaben gibt es zwei Grundkonzepte der architektonischen Umsetzung: Die Wohnungen können entweder nebeneinander oder übereinander angeordnet werden. Nehmen wir weiter an, die Bauherrschaft sei noch völlig unschlüssig, welche Variante ihren Bedürfnissen besser entspricht. In diesem Fall kann sie mit dem Architekten vereinbaren, dass beide Konzepte bis zu einem gewissen Detaillierungsgrad ausgearbeitet werden. Wenn diese Übereinkunft im Vertrag enthalten ist, erübrigt sich jede Auseinandersetzung über allfällige Zusatzleistungen. – Am besten wird im Vertrag auch vereinbart, wie genau die Kostenangaben der Varianten sein sollen. Im vorliegenden Fall dürfte die übliche Genauigkeit von +/– 25% gemäss der Kubikmeter-Methode kaum ausreichen. Auf etwa 10% genau müssen die Kosten schon sein, damit der Vergleich der beiden Varianten nicht zur Alibiübung verkommt.

Wenn die Bauherrschaft bereits eine Projektdefinition durchgeführt hat und somit schon über ein Pflichtenheft verfügt, ist die Ausgangslage für Anpassungen am Leistungsbeschrieb des Architekten etwas anders. In solchen Fällen ist die ungefähre bauliche Lösung vielfach bereits einigermassen bekannt, weshalb auch die Pflichten für den Architekten ziemlich präzise formulierbar sind. Im projektbezogenen Leistungsbeschrieb können daher konkrete Projektvarianten aufgelistet werden, die der Architekt zu untersuchen hat und die im Honorar nach Kostentarif enthalten sind. Für ein Industrieprojekt kann es beispielsweise um folgendes gehen: Untersuchungen über allfällige Unterkellerungen, Analysen über Vorinvestitionen für spätere Aufstockungen, Anordungsvarianten von Raumnutzungen etc.

Die Erfahrung zeigt, dass es bei nicht angepassten Honorarverträgen immer wieder Streitigkeiten über die Honorierung von Projektvarianten gibt. Mit Präzisierungen im Leistungsbeschrieb schafft man von Beginn weg klare Spielregeln.

 

  • B. Art der Kostenermittlung

Die SIA-Ordnung 102 äussert sich dazu, welches Instrument der Kostenermittlung in welcher Projektphase angewendet werden soll. Wir gehen später auf dieses Thema im Detail ein («Vom Vorprojekt zur Baueingabe»). An dieser Stelle halten wir lediglich fest, dass gemäss SIA 102 der Sprung von summarischen Schätzungsmethoden (etwa +/– 20%) zum detaillierten Kostenvoranschlag (normal +/– 10%) zu gross ist. Nicht erwähnt wird in der SIA-Ordnung 102 das Instrument, mit dem man während der Planungsphase die Kosten wirksam steuern kann: die Elementmethode. Mit der Elementmethode wird die Bauherrschaft, was die Kosten anbelangt, zum mündigen Partner der Bauplaner. Sie kann beurteilen, welche kostenmässigen Auswirkungen Planungsentscheide haben, und zwar zu einem Zeitpunkt, wo das Projekt noch massgeblich beeinflussbar ist: vor der Baueingabe.

Es empfiehlt sich unbedingt, für den Zeitpunkt der Baueingabe eine Kostengenauigkeit von +/– 10% zu fordern. Ungenauere Kostenermittlungen sind als Grundlage für den Investitionsentscheid meiner Ansicht nach im besten Fall riskant, im schlechtesten Fall unbrauchbar. Diese Forderung ruft nicht in jedem Fall nach der Elementmethode. In einfacheren Fällen (Wohnungsbau etc.) kann auch mit der kubischen Berechnung die gewünschte Genauigkeit erreicht werden. Bei einem grossen Teil der Bauaufgaben jedoch dürfte die Elementmethode genau das richtige Planungsinstrument sein.

 

  • C. Ausschreibungen

Unter den Ausschreibungen verstehen wir das Einholen von Angeboten bei Unternehmern und Lieferanten aufgrund von Pflichtenheften (Ausschreibungsunterlagen). Auch zu diesem Thema werden im Leistungsbeschrieb des Architekten mit Vorteil einige Punkte geregelt.

Zwei Aspekte stehen im Vordergrund: Die Ausschreibungsunterlagen sollen (1) genau sein und (2) Raum für Unternehmervarianten lassen. Beide Forderungen sind nicht selbstverständlich und können gemäss Art. 4.3.2 SIA 102 eventuell zu Zusatzforderungen führen, sofern keine Präzisierung erfolgt.

Die Ausschreibungsunterlagen sollen darum genau sein, damit die Arbeiten pauschal vergeben werden können. Sogenannte Ausmassreserven sind wegzulassen (oder offen auszuweisen). Präzise Pflichtenhefte bedingen zwar einen erhöhten Aufwand bei der Ausschreibung (alle Details müssen bekannt sein), dafür erübrigt sich nach der Arbeitsausführung das sogenannte Ausmessen auf der Baustelle. Zudem ist bei pauschalen Vergebungen das Risiko von Kostenüberschreitungen (z. B. infolge Regiearbeiten) geringer.

Die Ausschreibungsunterlagen sollen aber auch Raum für Unternehmervorschläge lassen, was mit der ersten Forderung nicht immer leicht unter einen Hut zu bringen ist. Der Unternehmer muss die Gewissheit haben, dass seine selbst eingebrachten Vorschläge gewissenhaft geprüft werden.

Beide Aspekte der Ausschreibung werden im Abschnitt «Bauarbeiten ausschreiben» behandelt.

 

  • D. Änderungen

Bei jedem Bauvorhaben gibt es Bauteile, die in einem fortgeschrittenen Planungsstadium oder sogar erst während der Bauausführung geändert werden. Diese Aussage ist so alt wie die Geschichte des Bauwesens. Meiner Ansicht nach sollen normale Änderungsleistungen im Honorar gemäss Kostentarif enthalten sein. Die Planer sollen sich auf diese Tatsache einstellen und ihre Honorare danach bemessen. Es empfiehlt sich deshalb, den Artikel über Änderungsleistungen in der Honorarordnung der Architekten zu präzisieren. Gemäss Art. 7.13 SIA 102 sind nämlich «erhebliche Änderungen an Plänen oder anderen Unterlagen» zusätzlich zu vergüten. Durch genauere Umschreibungen soll ausreichend klar werden, wann eine Änderung «erheblich» ist.

 

  • E. Mitarbeit bei der Auswahl der Spezialisten

Normalerweise unterstützt der Architekt nicht sachkundige Bauherrschaften bei der Verpflichtung der Spezialisten (Bauingenieur und Haustechnikplaner). Er führt die Vertragsverhandlungen, bereinigt die Verträge und gibt eine Empfehlung für die Auftragserteilung ab. Alle diese Tätigkeiten sind üblich und gehören meines Erachtens zum Leistungsumfang des Gesamtleiters (Architekt). Aus psychologischen Gründen würde ich sie trotzdem ausdrücklich im Pflichtenheft aufführen. Durch diese Vereinbarung wird nämlich die Position des Architekten gestärkt. Er kann sich bei den Verhandlungen darauf berufen, ein klar abgefasstes Mandat zu haben, und er muss sich von den Anwärtern für einen Planungsauftrag nicht vorwerfen lassen, er lasse es an der Solidarität mit Planerkollegen mangeln.

 

  • F. Bauherrenfunktionen

Die Art und Weise, wie die Bauherrschaft ihre Funktion wahrnimmt, kann einen nicht zu vernachlässigenden Einfluss auf den Aufwand des Gesamtleiters (Architekt) haben. Ein professionelles Projektmanagement auf Seite der Bauherrschaft bereitet beispielsweise die Sitzungen des Projektführungsgremiums vor und erstellt die Protokolle. Ein Teil der üblichen Gesamtleitungstätigkeiten des beauftragten Architekten entfällt dadurch.

 

  • G. Reisekosten

Gemäss Art. 5.7 SIA 102 ist bei Planungsarbeiten im Kostentarif der Zeitaufwand für Reisen angemessen zu entschädigen, mangels anderer Vereinbarung im Zeittarif. Meines Erachtens ist diese Regelung unglücklich. Beim Kostentarif sollten alle Reisen im Honorar eingeschlossen sein, einschliesslich der Spesen für das Transportmittel. Gemäss Art. 5.5 SIA 102 sind nur die Spesen bis zu zehn Kilometern einfacher Wegstrecke im Honorar enthalten. Wieso soll das für längere Strecken nicht auch gelten? Es ist kein Planungsbüro verpflichtet, weit ausserhalb seines Lokalrayons tätig zu sein. Wenn es das tut, ist es ihm selber überlassen, wie es den zusätzlichen Reiseaufwand abdeckt. Die Bauherrschaft jedenfalls hat kein Interesse daran, lange Reisen separat zu finanzieren. Es empfiehlt sich daher, zu vereinbaren, dass der gesamte Reiseaufwand bei Arbeiten im Kostentarif im Honorar eingeschlossen ist.

Etwas anders ist es beim Zeittarif, also bei der Honorierung nach Aufwand. Hier ist es angemessen, dass der Planer die Reisezeit verrechnet und eine Kilometerentschädigung erhält, wie es bei jedem Servicemonteur auch der Fall ist.