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Vertragsverhandlungen, wenn der Architekt schon bestimmt ist

Die Bauherrschaft soll es nach Möglichkeit vermeiden, die Vertragsverhandlungen mit dem Architekten erst dann zu führen, wenn sie (meist mündlich) den Auftrag schon erteilt hat und der Architekt bereits an der Arbeit ist. Bei nicht sachkundigen Bauherren kommt gerade dies in der Praxis aber sehr häufig vor. Da in diesem Fall die Konkurrenz fehlt, die für marktgerechte Konditionen sorgt, hat der Auftraggeber nur noch die Möglichkeit, um die Faktoren in der Honorarformel zu feilschen. Nachfolgend gehen wir darauf ein, wie er das am besten tun kann.

Die Faktoren in der Honorarformel

Vier Faktoren in der Honorarformel müssen bei der Ermittlung des Honorars nach Kostentarif projektspezifisch festgelegt werden («Die Formel für den Kostentarif»): die honorarberechtigten Baukosten B, der Schwierigkeitsgrad n, der Leistungsanteil q sowie der Korrekturfaktur r. Der Honorar-Grundprozentsatz p ist als einziger Faktor in der Formel völlig unproblematisch, da es ein reiner Tabellenwert ist.

Honorarberechtigte Baukosten B

Der erste Faktor, nach dem das Honorar bemessen wird, sind die Baukosten, und zwar die sogenannten honorarberechtigten Baukosten. In der SIA-Honorarordnung 102 ist im Artikel 8.4 recht ausführlich geregelt, was dazu gehört und was nicht. Im wesentlichen sind die gesamten Baukosten nach Bauabrechnung honorarberechtigt, und zwar einschliesslich Vorbereitungsarbeiten und Umgebung. Nicht honorarberechtigt sind der Grundstückerwerb, die Honorare selber sowie die Baunebenkosten (Finanzierung, Gebühren, Versicherungen und dergleichen). – Es kann auch vereinbart werden, dass für die Honorarberechnung der Kostenvoranschlag massgebend ist anstelle der Bauabrechnung.

Bei den meisten Gebäuden können die honorarberechtigten Baukosten völlig problemlos ermittelt werden. In der Praxis gibt es über diesen Punkt kaum jemals erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Es erstaunt darum schon etwas, dass in der Fachliteratur über den Architektenvertrag der Punkt der honorarberechtigten Baukosten meistens detailliert abgehandelt wird und in der Regel den grössten Raum einnimmt von allen Faktoren der Honorarformel. Erfahrungsgemäss ist es aber selten ein Problem, ob beispielsweise eine Fahnenstange honorarberechtigt ist oder nicht.

 

  • Betriebseinrichtungen

Bei einer Gruppe von Bauvorhaben allerdings lauert erhebliches Konfliktpotential: überall dort, wo Betriebseinrichtungen in grösserem Umfang vorkommen. Dazu zählen beispielsweise industrielle und gewerbliche Bauten. Interessanterweise wird diesem konfliktträchtigen Punkt in der Literatur meistens wenig Raum eingeräumt. Es empfiehlt sich, für alle vorkommenden Betriebseinrichtungen die Frage der Honorierung einzeln und detailliert im Vertrag zu vereinbaren. Die SIA-Honorarordnung 102 ist diesbezüglich keine Hilfe.

Klassisches Beispiel einer Betriebseinrichtung sind Laufkrane in Industriehallen. Wenn der Architekt die Krane beschafft, sind sie honorarberechtigt (bei grossen Anlagen vielleicht aber nicht zu 100%). Anders sieht es aus, wenn sie von der Bauherrschaft selber eingekauft werden, was häufig geschieht. Für diesen Fall kann vereinbart werden, dass dafür kein Honorar zu entrichten ist. Honorarberechtigt sind lediglich die Kranbahnen.

 

  • Eigenleistungen

Ein weiterer Punkt, der häufig zu Diskussionen Anlass gibt, sind die Eigenleistungen. Im Unterschied zur SIA-Ordnung 102 (Art. 8.4.3 SIA 102) bin ich der Meinung, dass Eigenleistungen in den meisten Fällen nicht honorarberechtigt sein sollen oder dann nur zu einem reduzierten Ansatz. Es ist nicht einzusehen, wieso ein Architekt das volle Honorar erhalten soll, wenn der Bauherr beispielsweise selber Malerarbeiten ausführt. Immerhin muss er eine ganze Reihe von Architektenleistungen nicht erbringen (Devis erstellen, Bauausführung überwachen, Akkordarbeiten ausmessen, Regierapporte überprüfen, Rechnung kontrollieren etc.). Auch hier sind präzisierende Vereinbarungen bereits im Vertrag nützlich.

Schwierigkeitsgrad n

Dieser Faktor der Honorarformel ist in der Praxis der mit Abstand heikelste überhaupt. Paradoxerweise ist er in der Literatur meistens nur am Rande behandelt, quasi der Vollständigkeit halber. Meinungsverschiedenheiten über den richtigen Schwierigkeitsgrad sind relativ häufig, vor allem bei sachkundigen Bauherrschaften. Ursache dafür ist die Tabelle mit der Einstufung der Bauten (Art. 7.4 SIA 102), die nur sehr grob ist. Wenn die Bauherrschaft es verpasst, den Schwierigkeitsgrad vor Auftragserteilung unter Konkurrenzbedingungen zu bestimmen, muss sie sich oft der Meinung des Architekten anschliessen.

Die Bauherrschaft kann ihre Verhandlungsposition insbesondere dadurch verbessern, indem sie sich nach dem vereinbarten Schwierigkeitsgrad bei ähnlichen ausgeführten Projekten erkundigt. Ein Architekt braucht beispielsweise schon sehr gute Gründe, wenn er für eine Fabrikerweiterung den Schwierigkeitsgrad 1.1 beansprucht, wenn bei zwei vergleichbaren Objekten 0.95 und 1.0 eingesetzt worden sind.

Leistungsanteil q

Dieser Faktor bereitet in der Regel keine grossen Probleme. Massgebend für den Leistungsanteil ist die Leistungstabelle gemäss Art. 3.6 SIA 102.

In der Praxis werden gewisse zulässige Reduktionen des Leistungsanteils nicht immer berücksichtigt. Der Leistungsanteil q darf beispielsweise reduziert werden, wenn bei Arbeitsbeginn des Architekten bereits eine Projektdefinition oder sogar ein grobes Vorprojekt vorliegt. Die Reduktion dürfte etwa im Bereich von 2.5 bis 5 Leistungsanteilen von 100 betragen. Ein Abzug ist ferner gerechtfertigt, wenn durch ein bauherrenseitiges Projektmanagement der Architekt (als Gesamtleiter) entlastet wird. Diese Minderleistung beträgt etwa 1 bis 2 Leistungsanteile von 100.

Korrekturfaktor r

Der Korrekturfaktor ist ein recht gefährlicher Faktor. Gerechtfertigt ist er vor allem in der Form des Umbauzuschlages. Für andere Situationen empfiehlt es sich aber, den Korrekturfaktor zurückhaltend einzusetzen.