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Kriterium 3: Architektur und Mitspracherechte

Es liegt auf der Hand, dass der Bauherr beim Kostengarantievertrag SIA ein Maximum an Mitsprachemöglichkeiten hat, denn es entspricht dem traditionellen Realisierungsmodell mit Einzelunternehmern unter der Bauleitung der beauftragten Planer. Er schliesst jeden einzelnen Vertrag selber ab, sei es mit Planern oder Werkunternehmern. Zudem gibt es keinen allenfalls störenden Generalunternehmer, der aus kaufmännischen Gründen dem Architekten dreinredet und ihn eventuell behindert, gute Architektur schaffen zu können. – Instrumente und Vereinbarungen mit ähnlicher Zielrichtung wie beim traditionellen Architektenmodell gibt es allerdings beim Generalunternehmermodell auch.

  • Architektonische Qualität

Betrachten wir zuerst das Kriterium der Architektur, also den Wunsch des Architekten, möglichst unbedrängt von einem Generalunternehmer wirken zu können. Wenn der Architekt während der Phase der Ausführungsplanung direkt dem Bauherrn unterstellt bleibt (siehe Absatz «Planer im Auftrag des Bauherrn»), kann dieses Ziel wenigstens teilweise erreicht werden. Der Generalunternehmer kann sich zwar gegen einzelne gestalterische Ansinnen wehren, aber immerhin hat der Architekt den Bauherrn als direkten Ansprechpartner, den er allenfalls als Verbündeten gegen den Generalunternehmer gewinnen kann. Es bleibt dem Bauherrn überlassen, sich tendenziell für gute Architektur oder gute Kostendisziplin zu entscheiden. Es gibt denn auch genügend Beispiele von unbestritten hochwertiger Architektur, die von Generalunternehmern ausgeführt worden sind (Westside Bern von Daniel Libeskind; KKL Luzern von Jean Nouvel). Siehe dazu auch den Abschnitt «Generalunternehmer und Baukultur».

Es gibt aber viele Architekten, welche die Projektarbeit im Rahmen eines Kostengarantievertrags eindeutig bevorzugen gegenüber einer Zusammenarbeit mit einem Generalunternehmer. Ich bin immer wieder erstaunt, wie gross die Vorbehalte und wie tief das Misstrauen von Architekten ihnen gegenüber sein können. Man kann schon sagen, dass da zwei Welten aufeinandertreffen. Für viele Architekten ist der Gedanke nur schwer zu ertragen, während der Ausführungsplanung von einem Projektleiter des Generalunternehmers geführt zu werden, der aus ihrer Sicht für gestalterische und architektonische Anliegen eher wenig sensibilisiert ist.

  • Wahl der Subunternehmer

Nun betrachten wir die Mitwirkungsrechte des Bauherrn bei der Wahl der Subunternehmer und bei der Vertragsgestaltung mit ihnen. Hier findet der Bauherr auch beim Generalunternehmer ein weites Feld für mögliche eigene Aktivitäten. De facto kann er die Auftragserteilung an jeden von ihm gewünschten Unter-nehmer erwirken. Dies kann zwar einen Mehrpreis zur Folge haben, sofern es sich nicht um den Anbieter mit dem günstigsten Preis handelt. Aber beim Kostengarantievertrag, also beim traditionellen Realisierungsmodell, würde es im Endeffekt genau auf das Gleiche hinauslaufen: Auch dort kostet es mehr, wenn man nicht den günstigsten Anbieter wählt. Siehe dazu den Abschnitt «Subunternehmer und Lieferanten».

  • Kostentransparenz

Bezüglich der Transparenz bei allen Geschäftszahlen bieten die Generalunternehmer mit der offenen Abrechnung (samt Kostendach) ein Modell an, das aus der Sicht der Bauherrschaft kaum Wünsche offen lässt. Näheres dazu siehe Absatz «Die Innovation: Offene Abrechnung mit Kostendach». Die Frage ist allerdings, ob der Generalunternehmer bereit ist, dieses Modell der Preisbestimmung überhaupt anzuwenden.

Kriterium 4: Absolute Höhe der Baukosten

Der Kostengarantievertrag ist vom SIA bewusst konzipiert worden als alternatives Realisierungsmodell zum Generalunternehmerprinzip. Es ist aber gar nicht so einfach, eine handfeste Aussage über den Vergleich der zu erwartenden Baukosten zu machen. Parallele Ausschreibungen eines Bauherrn, also die gleichzeitige Veranstaltung einer Generalunternehmersubmission und die Einholung eines Angebots für einen Kostengarantievertrag SIA, sind mir nicht bekannt.

  • Die Sicht der Generalunternehmer

Aus der Optik der Generalunternehmer ist der Fall klar, wenn man sich in der Branche etwas umhört: Sie erachten den Kostengarantievertrag SIA als teureres Realisierungsmodell. Der Hauptgrund dafür sei die fehlende Konkurrenz bei der Ausarbeitung eines Kostengarantieangebots auf Planerseite. Die Anbieter würden sich hüten, die Reserven zu knapp zu dotieren. Bei reichlichen Reserven jedoch sei es keine Kunst, die garantierten Kosten einzuhalten. – Bei den Generalunternehmern jedoch erlaube die Konkurrenzsituation einer Generalunternehmersubmission gar nichts anderes, als knapp zu kalkulieren. Das Angebot eines Generalunternehmers sei daher auf jeden Fall günstiger als ein Angebot nach Kostengarantievertrag SIA.

  • Aussagen von sachkundigen Bauherren

Die wichtigsten Aussagen zu diesem Thema sind aus meiner Sicht Meinungsäusserungen von sachkundigen Bauherrn, die mit dem Kostengarantievertrag ein Projekt realisiert haben. Bauherren gelten für mich dann als sachkundig, wenn sie beruflich auf der Bauherrenseite tätig sind und dadurch die Höhe der Baukosten objektiv beurteilen können. Sie trauen es sich aufgrund ihrer Erfahrungen insbesondere auch zu, bezüglich der Baukosten Vergleiche anzustellen zwischen dem Kostengarantievertrag und dem Generalunternehmermodell.

Aus dem Kreis der sachkundigen Bauherren habe ich die eindeutige Aussage vernommen, dass die Baukosten beim Kostengarantievertrag nicht höher sind als beim Generalunternehmermodell. Aus der Sicht von professionellen Bauherren baut man mit dem Kostengarantievertrag also nicht teurer als mit einem Generalunternehmer.

  • Ein anderer Weg zu einer Aussage zum Kostenvergleich

Um einen zusätzlichen Anhaltspunkt zu erhalten, können wir auch bei der sogenannten Parallelsubmission anknüpfen, die wir bei der Besprechung des Generalunternehmerwesens betrachtet haben. Allerdings geht es dort um den Vergleich der Generalunternehmersubmission mit der normalen Submission von Einzelunternehmern (normales Architektenverfahren). Mit einigen Anpassungen sind aber auch Vergleiche mit dem Kostengarantievertrag SIA möglich.

Wir gehen also von den vergleichenden Untersuchungen aus, die wir im Teil 2 zum Generalunternehmermodell angestellt haben (Abschnitt «Parallele Submission für General- und Einzelunternehmer»). Diese Analysen basieren zwar nur auf ganz wenigen Fällen und dürfen statistisch daher keineswegs überbewertet werden, aber sie stützen sich immerhin auf reale Erfahrungen ab. Wir haben dort festgestellt, dass beim Vergleich der Generalunternehmersubmission mit der Submission von Einzelunternehmern keine grossen Preisunterschiede erwartet werden dürfen. Im konkreten Fall hat das tiefste Angebot der Generalunternehmer 23 538 000 Fr. betragen (Variante der Preisbestimmung des Kostendachs mit offener Abrechnung; siehe Tabelle). Der Kostenvoranschlag des Architekten ist mit 22 810 000 Fr. angegeben worden, wobei die Prognoseunsicherheit +/– 5% betragen hat. Das Angebot des Generalunternehmers ist also etwa 3.2% teurer gewesen als der Kostenvoranschlag. Diese Werte sind in der Tabelle unten als Ausgangspreis bezeichnet. Der Ausgangspreis in der rechten Spalte der Tabelle («Architekt») bezieht sich auf das normale Architektenmodell, ohne die zusätzlichen Garantien gemäss Kostengarantievertrag SIA. Der Kostenvoranschlag des Architekten muss daher aufgrund der zusätzlichen Kosten, die durch die Einbindung der Garantien entstehen, noch angepasst werden.

Kostenvergleich Generalunternehmer mit Kostengarantievertrag SIA
(Schätzung Autor; Quellenangabe siehe Text)

In der Tabelle unterscheiden wir die drei Teilanpassungen (a), (b) und (c).

(a) Honorare des Garanten inkl. Versicherungsprämie
Für die direkten Kosten der Garantenlösung (Honorare inkl. Versicherungsprämie) rechnen wir 2.5% hinzu, was 570 000 Fr. ergibt.

(b) Offene Reserven reduzieren
Wir gehen davon aus, dass durch die Garantenlösung die offenen Reserven von 5% auf 3% reduziert werden können; der Kostenvoranschlag verringert sich dadurch um 2% oder 456 000 Fr.
Siehe dazu auch die Anmerkungen zu den Reserven weiter unten.

(c) Ausmassreserven hinzurechnen
Bei der Parallelsubmission enthalten die Leistungsverzeichnisse bewusst keine Ausmassreserven, weil sie auch für die Generalunternehmersubmission verwendet werden.
In aller Regel sind aber beim Kostenvoranschlag Ausmassreserven im Umfang von etwa 2% vernünftig, meiner Ansicht nach auch beim Kostengarantievertrag SIA.
Sie erhöhen den Kostenvoranschlag um 2% oder 456 000 Fr.

Gesamthaft gesehen nimmt somit der Kostenvoranschlag des Architekten also um 570 000 Fr. auf 23 380 000 Fr. zu, wenn die notwendigen Anpassungen (a), (b) und (c) aufgrund der Kostengarantie SIA vorgenommen sind. Dies wiederum bedeutet, dass im gewählten Beispiel die beiden Realisierungsmodelle praktisch gleich teuer sind. Das Angebot des Generalunternehmers beträgt 23 538 000 Fr., der Kostenvoranschlag des Architekten einschliesslich der Kostengarantie 23 380 000 Fr. Das ergibt eine Differenz von lediglich noch 158 000 Fr. oder 0.7%, was im Hinblick auf die Entscheidungsfindung vernachlässigbar ist.

Nicht berücksichtigt bei diesen Überlegungen ist der Einfluss einer Preisminderung, die wirksam wird, wenn der garantierte Preis unterschritten werden kann. Beim Generalunternehmer ist es zum Beispiel möglich, dass der Besteller von einer Unterschreitung des Kostendachs mit bis zu 75% partizipiert. Beim Kostengarantievertrag SIA kann ebenfalls erreicht werden, dass ein grosser Anteil der Unterschreitung dem Bauherrn zugutekommt. Absolut gesehen dürften die Unterschiede bei den Bonussen so gering sein, dass sie für den Entscheid nicht ins Gewicht fallen.

  • Fazit zum Vergleich der Baukosten

Das Ergebnis des oben dargestellten Kostenvergleichs aufgrund der Parallelsubmission deckt sich somit mit den Aussagen von sachkundigen Bauherren mit Erfahrungen auf dem Gebiet des Kostengarantievertrags: Die gesamten Baukosten dürften beim Kostengarantievertrag SIA etwa gleich hoch sein wie bei der Generalunternehmerlösung.

Einige Marktakteure werden dieser Aussage nicht zustimmen, beispielsweise einige Generalunternehmer. Wie weiter oben ausgeführt («Die Sicht der Generalunternehmer»), dürften sie behaupten, dass beim Kostengarantievertrag SIA die Reserven (zu) reichlich dotiert sind, weil es keine Konkurrenz gibt. Wenn den Bauherrn diesbezüglich Zweifel plagen, hat er die Option, Konkurrenz zu schaffen und zur Sicherheit beispielsweise zusätzlich eine Offer-te eines Generalunternehmers einzuholen.

Reserven beim Kostengarantievertrag SIA bereinigen

Wir haben bereits weiter oben festgehalten, dass der Umfang der Kostengarantie beim Kostengarantievertrag SIA etwa gleich ist wie beim Generalunternehmermodell, vielleicht hat der Kostengarantievertrag SIA sogar etwas mehr Vorteile (Kriterium 1: Kostengarantie; siehe oben). Dies bedeutet, dass bei beiden Vertragsformen etwa die gleichen Risiken enthalten sind – aber auch etwa die gleichen nicht. Bei den nicht eingeschlossenen Risiken handelt es sich beispielsweise um allfällige bei Vertragsabschluss noch nicht bekannte Auflagen aus der Baubewilligung (Brandschutz, Versickerung von Meteorwasser etc.), nicht eingeschlossene Risiken des Baugrundes (Pfählung, Grundwasser, Felsabbau, Altlasten etc.), Risiken der vorhandenen Bausubstanz (bei Umbauten und Sanierungen) und dergleichen. Falls im Rahmen der Bauausführung die genannten Risiken auftreten sollten, müsste die Bauherrschaft die nötigen Mehrleistungen in Form von Nachträgen zusätzlich bestellen. Die Mehrkosten würden auf die vereinbarte Kostenobergrenze (Kostendach) geschlagen.

Der Kostenvoranschlag beim traditionellen Architektenverfahren (also ohne Kostengarantievertrag SIA) ist aber anders aufgebaut. Hier sind alle einigermassen erkennbaren Projektrisiken berücksichtigt. Wir haben das Thema am Anfang des Buches im Abschnitt «Zur Genauigkeit des Kostenvoranschlags» behandelt. Kostenmässig abgesichert werden die Projektrisiken in erster Linie mit den offen ausgewiesenen Reserven, teilweise aber auch mit verdeckten Reserven (Ausmassreserven) bei den einzelnen Arbeitsgattungen. Die Reserven haben somit die Funktion von Rückstellungen für mannigfaltige Projektrisiken, die mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit eintreten können, aber nicht müssen. Es spricht für soliden Geschäftssinn, wenn der Bauherr in seinem Baubudget (KV) derartige Eventualitäten gebührend berücksichtigt.

Beim Kostengarantievertrag SIA soll der Kostenvoranschlag nur Rückstellungen für Projektrisiken enthalten, die effektiv auch abgedeckt werden. Rückstellungen für nicht übernommene Projektrisiken müssen herausgenommen werden (Auflagen aus der Baubewilligung; nicht eingeschlossene Risiken von Baugrund und vorhandener Bausubstanz etc; siehe oben). In der Praxis bedeutet das, dass die offenen Reserven etwas reduziert werden können. Wie gross diese Reduktion sein soll, ist natürlich schwer abzuschätzen. Augrund meiner Erfahrungen glaube ich, dass sie bei einem eher risikoarmen Projekt (z.B. Neubauprojekt für Wohnungsbau) etwa 2% beträgt. Die offenen Reserven im Kostenvoranschlag sinken daher z.B. von 5% auf 3%. Dies entspricht der Reduktion im Beispiel, das wir im letzten Absatz besprochen haben (Teilanpassung b: offene Reserven reduzieren).

Bei einem risikoreicheren Projekt (z.B. Umbauten und Sanierungen bei laufendem Betrieb) können die Reserven aber auch nach der Reduktion für nicht abgedeckte Risiken immer noch 10% betragen.