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Vergleich mit dem Generalunternehmermodell

In diesem Abschnitt vergleichen wir den Kostengarantievertrag SIA mit dem Generalunternehmermodell. Zuerst betrachten wir den Aspekt der Risikoübernahme (Kostengarantie, übrige Garantien). Dann kümmern wir uns um die eher qualitativen Kriterien wie die architektonische Qualität und die Mitwirkungsrechte des Bauherrn. Am Schluss stellen wir noch einen Vergleich an über die absolute Höhe der Baukosten der beiden Varianten.

  • Generelles zu den Garantien

«Planungsbüros können [...] ihrer Kundschaft dieselben Garantien wie General- und Totalunternehmer bieten»: Diese Aussage zum Kostengarantievertrag SIA haben wir im letzten Absatz festgehalten. In welchem Ausmass trifft diese Behauptung zu?

Die nachfolgende Diskussion der Garantien basiert in einzelnen Punkten auf zwei Sichtweisen. Für die Sichtweise der Generalunternehmer beziehe ich mich auf einen Fachartikel, der in ihrer Verbandszeitschrift erschienen ist (Quelle: Industrielles Bauen – Eine Publikation der Allianz der Bauindustrie-Organisationen; Dezember 2003; Seite 2. Nachfolgend zitiert als «VSGU-Sichtweise»). Die Sichtweise der Anbieter des Kostengarantievertrags SIA basiert auf Gesprächen mit sachkundigen Fachleuten dieses Realisierungsmodells.

Kriterium 1: Kostengarantie

Bei diesem Thema gehen die Meinungen der Kontrahenten auseinander. Nach VSGU-Sichtweise haben die freien Planer hinsichtlich der Preissicherheit mit dem neuen Kostengarantievertrag SIA ein Instrument, das nahe an die Preisgarantie der Generalunternehmer herankommt. Bei den Generalunternehmern ist die Garantie aber trotzdem noch etwas umfassender ausgeprägt; hier können nämlich beispielsweise auch das Teuerungsrisiko oder einzelne Risiken der Baugrube eingeschlossen sein.

Die Vertreter des Realisierungsmodells des Kostengarantievertrags SIA sehen es gerade umgekehrt. Sie sind der Meinung, dass ihr Modell eher mehr Kostenrisiken einschliesst, insbesondere auf dem Gebiet der Baugrube.

  • Vergleich der Kostengarantie

Aus meiner Sicht ist der Umfang der übernommenen Kostenrisiken beim Kostengarantievertrag SIA mindestens gleich gross wie beim Generalunternehmermodell, wenn nicht in Einzelfällen sogar etwas grösser (beispielsweise bei Risiken in Zusammenhang mit dem Baugrund). Diese Einschätzung will ich nachfolgend begründen.

Die beiden Marktakteure haben eine grundsätzlich unterschiedliche Sicht auf das Projekt und seine Risiken. Für den Generalunternehmer ist der Baubeschrieb die zentrale Grundlage. Wenn die effektiv zu erbringenden Baumassnahmen den Erwartungen entsprechen, die im Baubeschrieb formuliert sind, ist er zu einer Kostenübernahme bereit. Dabei kann es um Aspekte gehen wie Pfählungen, Grundwasser, Felsvorkommen und dergleichen. Wenn jedoch ein Phänomen auftaucht, das im Baubeschrieb nicht beschrieben ist und mit dem der Generalunternehmer nicht hat rechnen müssen, dann stoppt er die Kostenübernahme sofort. Wenn der Baugrund in der Sohle der Baugrube schlechter ist als angenommen, dann übernimmt er dieses Risiko nicht. Das Auswechseln des schlechten Materials fällt unter den Begriff der «notwendigen Änderung», die der Bauherr zusätzlich zu bezahlen hat.

Nun zur Sichtweise beim Kostengarantievertrag SIA. Grundsätzlich kennen hier die Baufachleute das Projekt und seine Risiken viel besser, als es der Generalunternehmer zum Zeitpunkt der Offertstellung kennen kann, weil sie es selber ausgearbeitet haben. Zusätzlich werden im Rahmen der Analyse durch den Garanten zweckdienliche Untersuchungen aller Art angestellt, um Projekt und Kosten zu überprüfen und den Risiken auf die Schliche zu kommen. Aufgrund ihrer umfassenden Kenntnisse über Projekt, Kosten und Risiken wollen die Anbieter des Kostengarantievertrags SIA daher grundsätzlich das Projekt im Rahmen des vorliegenden Kostenvoranschlags ausführen können. Dazu gibt es in der Praxis allerdings Einschränkungen. Sie werden als Vorbehalte bezeichnet. Ein Vorbehalt bezeichnet ein Risiko, das nicht übernommen wird, weil es trotz aller Analysen nicht kalkulierbar ist. Nur Kostenrisiken, die mit einem Vorbehalt versehen sind, werden im Rahmen des Kostengarantievertrags SIA nicht übernommen. Unterlässt es der Kostengarant, einen Vorbehalt anzubringen, und es gibt trotzdem risikobedingte Mehrkosten, dann muss er im Rahmen der Kostengarantie dafür aufkommen.

Wir können die oben beschriebenen unterschiedlichen Mechanismen auch anders formulieren. Beim Generalunternehmermodell sind nur die Risiken eingeschlossen, die im Baubeschrieb explizit aufgeführt und hinreichend genau beschrieben sind. Beim Kostengarantievertrag ist es gerade umgekehrt, hier sind nur die Risiken ausgeschlossen, die explizit erwähnt sind (Vorbehalte).

  • Ein Beispiel für die erhöhte Risikoübernahme beim Kostengarantievertrag SIA

Anhand eines Beispiels will ich illustrieren, wie es möglich ist, dass beim Kostengarantievertrag SIA in Einzelfällen höhere Kostenrisiken übernommen werden als beim Generalunternehmermodell. Es handelt sich um das Beispiel, das wir im Zusammenhang mit der Übernahme von Baugrundrisiken beim Generalunternehmergeschäft bereits besprochen haben (Beschreibung von Risiken, die vom Generalunternehmer nicht übernommen werden; Näheres siehe hier).

Baugrundrisiken bei einem Anbau: rechts kompakter Fels; links rückverankerte Unterfangung

Beim Bauvorhaben handelt es sich um ein Sanierungsprojekt, bei dem an das bestehende Gebäude noch ein Anbau erstellt werden soll, wobei dafür vorgängig ein alter Gebäudeteil abzubrechen ist. Die Bodenplatte des neuen Anbaus liegt etwa ein Geschoss tiefer als der bestehende Keller.

Im Vorfeld der Bauarbeiten ist ein geologisches Gutachten erstellt worden, welches auf Bodenproben basiert hat, die rund um das bestehende Gebäude entnommen worden sind. Im Bereich des Anbaus hat man aus naheliegenden Gründen keine Proben entnehmen können, da dieser zum Zeitpunkt der Sondierungen noch benutzt worden ist. Das geologische Gutachten hat ergeben, dass das bestehende Gebäude auf kompaktem Fels gebaut ist.

Während des Aushubs für den Anbau erlebt man aber eine Überraschung: Der Untergrund besteht wohl mehrheitlich aus kompaktem Fels, aber nicht an allen Stellen. Es gibt auch eine Zone, wo das Material unterhalb der Fundamente brüchig ist. Beim Bau des Gebäudes vor über hundert Jahren hat es auf dem ansonsten kompakten Baugrund vermutlich eine Senke gegeben, die mit lockerem Material aufgefüllt worden ist.

In bautechnischer Hinsicht führt der lockere Untergrund zu einem Mehraufwand. Man kann nicht einfach den Fels entlang des bestehenden Fundaments senkrecht ausbrechen, was einfach und kostengünstig wäre (siehe Foto; rechter Teil). Man muss unterhalb der alten Streifenfundamente eine Unterfangung einziehen und diese mit Zugankern nach hinten fixieren (siehe linker Teil der Foto).

Bei der Bauausführung durch einen Generalunternehmer wäre klar gewesen, dass er für den Mehraufwand nicht aufkommt. Das Phänomen ist in den bauherrenseitig erstellten Grundlagen nicht beschrieben, somit übernimmt er auch das Risiko nicht. Es handelt sich um ein Restrisiko, das beim Bauherrn verbleibt.

Bei der Bauausführung im Rahmen eines Kostengarantievertrags SIA sind die folgenden Szenarien möglich:

— Szenario 1: Das Risiko wird bei der Analyse entdeckt
Es ist denkbar, dass der Garant im Rahmen der Analyse eine zusätzliche Baugrunduntersuchung durchführt und das Risiko des lockeren Untergrundes entdeckt. Als Folge davon rechnet er den zusätzlich notwendigen baulichen Aufwand (Unterfangung, Rückverankerung) in den Kostenvoranschlag ein. Die Mehrkosten sind in der Kostengarantie also enthalten.

— Szenario 2: Der Garant verzichtet auf einen Vorbehalt
Bei diesem Szenario wird das Baugrundrisiko im Rahmen der Analyse durch den Kostengaranten nicht entdeckt, und er verzichtet darauf, einen Vorbehalt anzubringen. Dann müssen die Mehrkosten im Rahmen der Kostengarantie aufgefangen werden.

— Szenario 3: Der Garant macht einen Vorbehalt
Bei diesem letzten Szenario wird das Baugrundrisiko im Rahmen der Analyse zwar auch nicht klar diagnostiziert, aber es leuchten Warnsignale auf. Die Experten des Baugrundes machen den Kostengaranten darauf aufmerksam, dass es Schwachstellen im kompakten Untergrund geben könnte, was zu Mehrkosten führen würde. Der Kostengarant sichert sich also ab, indem er einen Vorbehalt macht: Wenn die Schwachstellen im Untergrund tatsächlich vorhanden sind, dann übernimmt nicht er die Mehrkosten, sondern der Bauherr.

Zusammengefasst können wir also festhalten, dass bei zwei von drei Szenarien (Nummern 1 und 2) der Bauherr von Mehrkosten verschont wird. Das Risiko ist in der Kostengarantie enthalten. Nur beim Szenario 3 verbleibt das Risiko beim Bauherrn. – Im Vergleich zum Generalunternehmermodell hat der Bauherr somit die besseren Karten. Es besteht durchaus die Möglichkeit, dass die Kostengarantie beim Kostengarantievertrag SIA umfassender ist.

  • Fazit

In der Praxis dürften in vielen Fällen beide Wege etwa zum gleichen Resultat führen. Die Summe der Kostenrisiken, die der Generalunternehmer aufgrund des Baubeschriebs übernimmt, entspricht etwa den Risiken, für die der Kostengarant geradesteht, wenn er von allen Kostenrisiken des Projekts diejenigen ausschliesst (mit Vorbehalten versieht), die nicht kalkulierbar sind.

Es gibt aber auch Fälle, in denen aufgrund der unterschiedlichen Vorgehensweise der Umfang der übernommenen Kostengarantien beim Kostengarantievertrag SIA eher grösser ist als beim Generalunternehmermodell.

Kriterium 2: Übrige Garantien

Nach der wichtigsten Garantie, der Kostengarantie, betrachten wir weitere Garantien näher.

  • Termingarantie

Hinsichtlich der Terminrisiken dürfte die Einschätzung der Generalunternehmer zutreffend sein (VSGU-Sichtweise). Die Termingarantie der freien Planer ist weniger umfassend als jene der Generalunternehmer, falls das Risiko überhaupt in den Garantievertrag aufgenommen wird. Die Termingarantie enthält nämlich nur Folgekosten von Terminüberschreitungen, die versicherbar sind. Die üblichen terminlichen Erfüllungsrisiken des Generalunternehmers wie beispielswei-se Konventionalstrafen sind im normalen Dreiparteien-Vertrag (SIA 1018) nicht eingeschlossen.

Beim Zweiparteien-Vertrag sind sie allerdings einschliessbar (SIA 1019; «Architekt als Totalunternehmer»). Siehe dazu auch die nachfolgenden Ausführungen zur Qualitätsgarantie.

  • Qualitätsgarantie (Gewährleistung)

Völlig unbeeinflusst vom neuen Vertragsmodell der Kostengarantie SIA ist die Gewährleistung (Garantie für Baumängel) geblieben – jedenfalls beim Dreiparteien-Vertrag. Der Bauherr bekommt nach wie vor nur Einzelgarantien seiner Werkunternehmer. Er trägt das Risiko, dass die Verantwortung für den Mangel klar ist und er seine Mängelrechte überhaupt durchsetzen kann. Im Gegensatz dazu bekommt der Bauherr vom Generalunternehmer eine umfassende Garantie für das Bauwerk als Ganzes (Systemgarantie). Näheres dazu siehe die Ausführungen über die Mängelrechte beim Generalunternehmermodell (Absatz «Mängelhaftung» im Kapitel 8).

Anders ist es beim Zweiparteien-Vertrag (SIA 1019; «Architekt als Totalunternehmer»), der weiter vorne beschrieben ist (Näheres siehe hier). Hier können sowohl die Termingarantie (mit Konventionalstrafen) wie die integrale Garantie für das Werk als Ganzes eingeschlossen werden. Im Falle der Gewährleistung ist dies auch schon praktiziert worden, und zwar für einen institutionellen Bauherrn, der darauf bestanden hat.

Beim Totalunternehmer-Vertrag beschafft der als Totalunternehmer auftretende Architekt die Werkleistungen der Einzelunternehmer in seinem eigenen Namen, bündelt sie und liefert sie als gesamtes Werk dem Besteller ab. Die Geschäftstätigkeit als Werkunternehmer dürfte aber nur mit Einschränkungen zu vereinbaren sein mit der traditionellen Geschäftsauffassung des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins SIA, wonach die Planer lediglich im Auftragsverhältnis (also treuhänderisch) für den Bauherrn tätig sind, nicht aber als Werkunternehmer.

  • Weitere Garantien

Der Generalunternehmer leistet oft noch weitere Sicherheiten, etwa eine Erfüllungsgarantie oder eine Garantie zur Übernahme des Risikos von Bauhandwerkerpfandrechten. Diese Risiken können beim Kostengarantievertrag SIA im Normalfall (SIA 1018) zwar auf Stufe Arbeitsgattung (Werkvertrag mit Einzelunternehmer) abgesichert werden, nicht jedoch für das Werk als Ganzes. Siehe dazu das Beispiel einer von einem Unternehmer beigebrachten Bürgschaftsverpflichtung im Absatz «Methode 2: Bürgschaft».

Noch einmal in eine ganz andere Kategorie fällt etwa die Vermietungsgarantie. Mit dem Kostengarantievertrag SIA werden auf diesem Gebiet keine zusätzlichen Sicherheiten geboten.

  • Fazit

Gesamthaft kann man also feststellen, dass sich das neue Kostengarantiemodell SIA primär auf die Garantien bezüglich der Kosten und in reduziertem Masse bezüglich der Termine auswirkt. Das ist ein sinnvoller Ansatz, was von den Generalunternehmern auch durchaus respektiert wird. – Das Gesamtpaket der angebotenen Garantien ist bei den Generalunternehmern aber doch umfassender.

Vergleich mit dem Generalunternehmermodell – Fortsetzung