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Argumente gegen den Kostengarantievertrag SIA

Zum Abschluss wollen wir uns nochmals mit der Frage auseinandersetzen, in welchem Ausmass der Kostengarantievertrag SIA dem Bauherrn Risiken abnimmt. Inwieweit kann er mit dem Konkurrenzangebot der Generalunternehmer verglichen werden, deren Kernkompetenz darin besteht, dem Bauherrn Garantien aller Art zu bieten? Ist er eine echte Alternative?

Von Marktbeobachtern, die skeptisch gegenüber dem Kostengarantievertrag SIA eingestellt sind, hört man etwa das Argument, dass er nur reduzierte Kostenrisiken übernehme. Zudem konzentriere er sich bei den Garantien ausschliesslich auf die Kosten und lasse andere wichtige Risiken wie Termine und Qualität unberücksichtigt, die hingegen von Generalunternehmern abgedeckt würden.

Nachfolgend befasse ich mich nochmals näher mit diesen beiden Vorbehalten, mehrheitlich im Sinne einer Wiederholung des bereits früher Gesagten.

Argument 1: Kostenrisiken werden nur reduziert übernommen

Von potentiellen Bauherren habe ich selber schon den Vorwurf gehört, dass sie den Kostengarantievertrag SIA nur als beschränkt tauglich erachten im Hinblick auf die Übernahme der Risiken ihres Projekts. Sie sind irritiert durch die Tatsache, dass die Kosten nicht unbegrenzt garantiert werden, sondern nur bis zu einer maximalen Überschreitung von vielleicht 10%. Ist es also nur eine Lösung für die kleinen Risiken, nicht aber für die grossen? Nicht verstanden wird auch, dass nicht alle Arten von Kosten mit der Garantie abgedeckt werden. Vielfach sind beispielsweise Nebenkosten, Betriebseinrichtungen oder Honorare ausgeschlossen. Fragen wirft schliesslich auch der Selbstbehalt auf, der im Falle einer Kostenüberschreitung von der Bauherrschaft mitzutragen ist.

  • Kompliziertes Modell

Für den Aussenstehenden erscheint der Kostengarantievertrag SIA zweifellos kompliziert und gewöhnungsbedürftig. Dies dürfte zum grossen Teil darauf zurückzuführen sein, dass er von der Versicherungswirtschaft geprägt ist. Dort gehören Begriffe wie eine maximale Schadendeckung oder ein Selbstbehalt zum alltäglichen Geschäft. In der Bauwirtschaft jedoch wirken sie fremd, insbesondere im Vergleich zum Konkurrenzangebot der Generalunternehmer. Diese haben es mit ihrer Argumentation viel einfacher. Sie kennen weder eine Limite bei der Kostendeckung noch einen Selbstbehalt, sondern einfach eine unbeschränkte Kostengarantie.

  • Beurteilung der Kostengarantie

Wie sieht es nun aber in der wirtschaftlichen Realität aus mit der Kostendeckung beim Kostengarantievertrag SIA? Wir betrachten zuerst die Limite bei der ga-rantierten Kostenüberschreitung, die vielleicht mit 10% angegeben wird. Aus meiner Sicht stellt sie keine ernsthafte Einschränkung der Kostengarantie dar. Wohl kann man sich in der Theorie krasse Fälle vorstellen, in denen der Kostenvoranschlag um mehr als 10 oder 15% überschritten wird. Bei den üblichen Kostengarantieprojekten, die während der Analysephase ja auf Herz und Nieren geprüft werden, und bei denen die gesamte Bauausführung vom Garanten überwacht wird, sind so grosse Überschreitungen aber unwahrscheinlich.

Nun wenden wir uns dem zweiten Argument zu, der selektiven Versicherung von BKP-Hauptgruppen des Kostenvoranschlags. Dieses Vorgehen ist direkt darauf zurückzuführen, dass das Modell vom Versicherungsdenken geprägt ist. Um Versicherungsprämien zu sparen, werden bevorzugt nur die BKP-Hauptgruppen versichert, in denen Kostenrisiken liegen. Nicht versichert werden Kostenblöcke ohne grosse Risiken. Dazu gehören beispielsweise die Honorare, die bevorzugt pauschal abgeschlossen werden. Also auch hier können wir festhalten, dass die selektive Versicherung von BKP-Hauptgruppen höchstens eine marginale Einschränkung der Kostengarantie darstellt. Die grossen Risiken sind zweifellos abgedeckt. – Es ist übrigens auch beim Generalunternehmergeschäft nicht unbekannt, einzelne Kostenblöcke ohne grössere Risiken (z.B. Honorare und Nebenkosten) aus dem Generalunternehmer-Werkvertrag herauszunehmen.

Betrachten wir zum Schluss noch den Selbstbehalt, für Baufachleute ein wohl besonders gewöhnungsbedürftiges Element des Kostengarantievertrags. Es ist ein Kernelement des Gedankengutes des Versicherungswesens. In wirtschaftlicher Hinsicht darf der Selbstbehalt aber nicht überbewertet werden. Im betrachteten Beispiel (siehe Tabelle hier) beträgt er 200 000 Fr., was 1.4% der versicherten Summe ausmacht. Der Bauherr trägt 60% davon, was 120 000 Fr. ergibt (8 Promille der versicherten Summe).

  • Fazit

Bei Lichte betrachtet können wir das Fazit ziehen, dass die oben besprochenen Einschränkungen bei der Kostengarantie, die aus der Versicherungswirtschaft stammen, keine echten Einschränkungen sind. Man kann daher auch beim Kostengarantievertrag SIA von einer echten Kostengarantie sprechen.

Wie wir bereits früher festgestellt haben, ist zudem der Umfang der garantierten Risiken beim Kostengarantievertrag SIA eher noch grösser als beim Generalunternehmermodell. Dies ist darauf zurückzuführen, dass der Kostengarant aufgrund seiner genauen Analyse das Projekt in der Regel besser kennt als der Generalunternehmer, der primär auf den Baubeschrieb und weitere bauseits erstellte Dokumente angewiesen ist. Der Generalunternehmer garantiert nur die Risiken, die im Baubeschrieb aufgeführt sind. Der Kostengarant jedoch garantiert primär einen Kostenvoranschlag und somit das ganze Projekt. Von der Garantie ausgeschlossen sind nur die explizit aufgeführten Vorbehalte.

Gesamthaft gesehen ist die Kostengarantie beim Kostengarantievertrag SIA durchaus als gleichwertig mit dem Generalunternehmermodell zu betrachten.

Argument 2: Übrige Bauherrenrisiken werden nicht abgedeckt

Beim Argument 2 geht es darum, dass es beim Kostengarantievertrag SIA nur um die Kosten geht. Die Generalunternehmer garantieren aber eine «Dreifaltigkeit» von Risiken: Kosten, Termin und Qualität. Der Kostengarantievertrag SIA ist somit aus der Sicht der Kritiker nur ein Ein-Themen-Modell. Das Resultat im Wettstreit der Modelle lautet gemäss dieser Logik somit: 3 zu 1 für den Generalunternehmer. – Was hat es mit dieser Logik auf sich?

Aus meiner Sicht sind die drei Garantien nicht gleichwertig. Die Kostengarantie ist für die meisten Bauherren mit Abstand am wichtigsten. Der Erfolg des Projekts und das Schicksal des Bauherrn hangen oftmals davon ab, ob die Baukosten eingehalten werden.

  • Terminrisiko

Das Terminrisiko lässt sich in der Regel signifikant reduzieren, wenn man für die Projektrealisierung genügend Zeit einplant. Terminrisiken bestehen vor allem dann, wenn die Bauprogramme so angesetzt werden, dass es kaum mehr Störungen verträgt. Wenn man aber noch einen Puffer von ein bis zwei Monaten einplant, sollte man dem Fertigstellungstermin recht gelassen entgegensehen können, ohne Konventionalstrafen vorsehen zu müssen.

  • Qualitätsrisiko

Auch das Qualitätsrisiko kann man im Vergleich zum Kostenrisiko relativieren. Es ist ja nicht so, dass man ohne Generalunternehmer gar keine Garantie hat. Mit dem Kostengarantievertrag SIA bekommt man im Normalfall die bewährten SIA-Garantien, wie sie in 85% der Bauwirtschaft üblich sind. Diese Garantien beziehen sich allerdings auf die Arbeitsgattungen, nicht auf das Bauwerk als Ganzes. Der allergrösste Teil der Garantiefälle ist damit aber abgedeckt.

Es verbleiben einige wenige Prozent der Garantiefälle, in denen sich die Schuldigen nicht so leicht eruieren lassen. Es handelt sich dabei um Mängel, bei denen mehrere Werkunternehmer betroffen sind und vielleicht auch noch ein Planer einen Fehler gemacht hat. Hier erwachsen dem Bauherrn zweifellos zusätzliche Risiken. In den meisten Fällen dürfte der Bauherr aber auch so zu seinen Mängelrechten kommen, allerdings ist sein Aufwand grösser und kann juristische Auseinandersetzungen beinhalten.

Es ist zu beachten, dass der Bauherr beim Kostengarantievertrag SIA das Qualitätsrisiko selber bis zu einem gewissen Grad beeinflussen kann. Durch eine sorgfältige Auswahl von qualifizierten Planern und gewissenhaften Unternehmern lassen sich Mängel wohl nicht ganz vermeiden, das Mängelrisiko kann aber stark reduziert werden.

Es sei darauf hingewiesen, dass es auch beim Kostengarantievertrag SIA einen (bisher selten angewendeten) Spezialfall der Projektorganisation gibt, bei dem der Architekt als Totalunternehmer auftritt (Zweiparteien-Vertrag; Vertragsmodell SIA 1019; Näheres siehe hier). Hier kann gegenüber dem Bauherrn eine integrale Qualitätsgarantie angeboten werden, wie sie die Generalunternehmer kennen.