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Von den Aufgaben der Bauherrschaft

In diesem Abschnitt beleuchten wir aus der Optik der Bauherrschaft den Prozess der Projektabwicklung nach dem Abschluss des Totalunternehmer-Werkvertrages bis zum Projektende. In welcher Hinsicht ist das Gesamtleistungsmodell für sie einfach? Wo muss sie selber aktiv werden? Wir greifen einige wichtige Punkte heraus.

Baueingabe

Es ist ein Merkmal der Gesamtleistungsausschreibung, dass die Bauherrschaft die Baueingabe erst dann einreichen kann, wenn die Ausschreibung abgeschlossen ist. Vorher liegt weder ein Projekt vor, das eingereicht werden kann, noch sind die Planer bestimmt, die sich damit befassen könnten. Die Bauherrschaft soll daher anstreben, nach dem Vertragsabschluss das Bewilligungsverfahren möglichst schnell einzuleiten, um den Zeitverlust in Grenzen zu halten. Grundsätzlich ist die Gesamtleistungsausschreibung ein eher langsames Verfahren. Näheres dazu siehe Abschnitt «Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung».

Für die Bauherrschaft ist das Eingabeverfahren je nach Projekt unterschiedlich aufwendig. Bei einem Einfamilienhaus muss sie kaum mehr tun, als die Gesuchsakten zu unterzeichnen. Bei einem industriellen Projekt dagegen kann die Baueingabe mit einem gewissen Arbeitsaufwand verbunden sein, indem die Bauherrschaft beispielsweise die betrieblichen Abläufe detailliert beschreiben muss.

Projektänderungen

Es wäre schön, wenn Planer und Bauherrschaft das Projekt nach der Unterzeichnung des Totalunternehmer-Werkvertrages nicht mehr ändern, sondern nur noch verfeinern müssten. Dies ist zwar so weit wie möglich anzustreben, in den meisten Fällen bleibt es jedoch eine Illusion. In der Praxis dürften Projektänderungen für die Bauherrschaft wohl die grösste Herausforderung sein während der Projektabwicklung. Nachfolgend gehen wir auf einige Gründe ein, die Ursachen für Projektänderungen sein können.

 

  • Verbesserungszusagen

Es ist möglich, dass der Anbieter der baulichen Gesamtleistung im Rahmen der Vertragsverhandlungen Zusagen macht, das Projekt in einzelnen Punkten nachträglich noch zu verbessern. Diese Optimierungen können durchaus mehr als nur kosmetischer Art sein. Es kann beispielsweise darum gehen, die formale Erscheinung des Gebäudes (Fassadengestaltung etc.) nach einer Skizze zu überarbeiten, die bei den Vertragsverhandlungen vorgelegt und als akzeptabel befunden wurde. Eine derartige Projektänderung führt zu keiner Preisanpassung.

 

  • Lösung bisher aufgeschobener Fragen

Es ist ferner denkbar, dass wichtige planerische Fragen bisher bewusst aufgeschoben worden sind. Ein Beispiel ist die Lüftung eines Fabrikationsbetriebes. In gewissen Fällen ist es sinnvoll, dass das Grundkonzept der Lüftung in enger Zusammenarbeit zwischen dem Lüftungsplaner, den (industriellen) Nutzern und den bewilligenden Behörden festgelegt wird. Meistens dürfte aber die Bauherrschaft zum Zeitpunkt der Abfassung des Pflichtenheftes noch nicht auf die Dienste eines Lüftungsplaners zurückgreifen können. Eine Kontaktaufnahme mit den Amtsstellen ist daher wenig sinnvoll. Die unter Umständen heiklen Verhandlungen mit den Behörden werden also erst nach der Unterzeichnung des Totalunternehmer-Werkvertrages geführt, wenn sämtliche Planer bekannt sind. Bis zu diesem Zeitpunkt ist das Lüftungskonzept nur provisorisch.

 

  • Forderungen der Behörden

Manchmal ist die Baubewilligung mit Auflagen der Behörden verbunden, die zu Projektänderungen führen, etwa auf dem Gebiet des Brandschutzes. Die Forderung nach dem Einbau einer Sprinkleranlage beispielsweise kann mit Zusatzinvestitionen von Hunderttausenden von Franken verbunden sein.

 

  • Geänderte Spezifikationen von Bauteilen

Bereits bei den Ausführungen zum Pflichtenheft haben wir darauf hingewiesen, dass im Pflichtenheft nicht alle Anforderungen an das Bauwerk, soweit sie die Wünsche von Bauherrschaft und Nutzer betreffen, definitiv formuliert werden können (siehe dazu auch die Ausführungen über «Optionen» im Absatz «Anforderungen an Bauelemente des Gebäudes»). Nehmen wir als Beispiel den Boden einer Industriehalle. Wenn seine Spezifikation noch unsicher ist, geht man von der wahrscheinlichsten Art der Ausführung aus (beispielsweise Hartbeton), behält sich den definitiven Entscheid aber noch vor. Dieser wird erst nach zusätzlichen Abklärungen in der Ausführungsphase getroffen. Zu diesen ergänzenden Entscheidungsgrundlagen gehören etwa Besichtigungen, Tests, Richtofferten und dergleichen.

 

  • Betriebseinrichtungen

Einige Bauobjekte enthalten fest eingebaute betriebliche Einrichtungen. Hier stellen sich oft die planerisch schwierigsten Fragen des ganzen Projekts. Bei einer Lackieranlage beispielsweise ist das Bestimmen der besten Technologie und die Auswahl der optimalen Stufe der Automatisierung eine komplexe Planungsaufgabe. Es ist denkbar, dass sie erst im letztmöglichen Moment entschieden wird. Mit diesem Entscheid sind aber nicht unbedeutende bauliche Folgemassnahmen verbunden. Oft müssen umfangreiche Unterbauten erstellt werden, die abhängig vom Fabrikat der Anlage sind. Es ist sogar möglich, dass ein Medienanschluss nötig wird (beispielsweise Erdgas), der in der vorherigen Annahme nicht vorgesehen gewesen ist.

Zusatzwünsche

Zusatzwünsche stellen eine spezielle Art von Projektänderungen dar. Darunter sind echte Mehrleistungen zu verstehen, die unabhängig von Sachzwängen von der Bauherrschaft frei gewählt und erst nach dem Abschluss des Vertrages beantragt werden. Man soll sich bei ihnen eine gewisse Selbstdisziplin auferlegen, sonst wird das anvisierte Kostenziel schnell überschritten. Die Möglichkeiten für Zusatzwünsche sind nämlich unbeschränkt: der Appetit kommt mit dem Essen.

Nachfolgend gebe ich für zwei ausgewählte Bauvorhaben einige Beispiele von Zusatzwünschen an. Bei einem Einfamilienhaus sind es eine luxuriösere Küche, elegantere Bodenplatten oder elektrisch bediente Storen, die die baulustige Familie locken. Bei einer Fabrik können sich fast alle Nutzer noch Verbesserungen vorstellen: die Spedition möchte einen zusätzlichen Laufkran, der Meister ein grösseres Werkstattbüro und der Produktionschef mehr Hallenfläche.

Bei Totalunternehmerverträgen ist die Gefahr viel weniger gross als beim traditionellen Architektenverfahren, dass sich Zusatzwünsche unbemerkt ins Projekt einschleichen können. In der Regel müssen Projektänderungen (einschliesslich der Kostenfolgen) von der Bauherrschaft nämlich formell genehmigt und unterzeichnet werden, sonst führt sie die Totalunternehmung nicht aus.

Bei grösseren Projekten ist es wichtig, dass auf Bauherrenseite die Zuständigkeiten für die Genehmigung von Projektänderungen klar festgelegt sind. Am besten ist es, wenn nur eine einzige Instanz (in erster Linie die Baukommission) dazu befugt ist. So wird vermieden, dass untergeordnete Stellen Mehrleistungen auslösen können, von denen die oberste Projektleitung gar nichts weiss.

Bauausführung

Die Phase der Erstellung des Werkes auf der Baustelle stellt beim Gesamtleistungsverfahren keine hohen Anforderungen an die Bauherrschaft. Sie ist bei der Beschaffung der Bauleistungen nur ganz am Rande beteiligt und nimmt an den Vertragsverhandlungen mit den Unternehmern in der Regel nicht teil. Auch um die Überwachung der Bauausführung muss sie sich nicht kümmern, da die Bauleitung des Totalunternehmers im eigenen Interesse für ein möglichst friktionsfreies Geschehen sorgt.

Werkabnahme

Im Unterschied zur Bauausführung ist die Werkabnahme für die Bauherrschaft anspruchsvoller als beim normalen Architektenverfahren (siehe Absatz «Abnahme des Werkes»). Bei letzterem verfolgen die Planer üblicherweise die gleichen Interessen wie die Bauherrschaft und sorgen dafür, dass die vereinbarten Leistungen von den ausführenden Unternehmern tatsächlich auch erbracht werden. Beim Gesamtleistungsverfahren muss dies nicht in gleicher Weise der Fall sein. Die Totalunternehmung hat für Mängel selber geradezustehen, weshalb sie der Verlockung ausgesetzt sein kann, diese zu vertuschen.

Es empfiehlt sich somit, die Werkabnahme mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen. Betrachten wir dazu das Beispiel einer Fabrik. Meines Erachtens braucht es hier für die Abnahme in vielen Fällen keine externen Fachleute, und es genügt, dafür ein Team von firmeninternen Experten zusammenzustellen. Jeder Teilnehmer überprüft ein Sachgebiet, auf dem er vertiefte Kenntnisse besitzt: Der Betriebselektriker inspiziert die Elektroanlagen, der Abwart die Heizung und so weiter. Als Ergebnis der Überprüfung entsteht eine Mängelsammlung, die allenfalls Dutzende von Seiten umfassen kann. Vieles darunter wird belanglos sein. Eine undichte Druckluftleitung wird ohne Aufhebens repariert. Wenn aber bei der Heizung beispielsweise die im Pflichtenheft vorgesehene Nachtabschaltung fehlt, ist nicht so ohne weiteres klar, wer dafür aufkommen muss. Ein umfassendes Abnahmeprotokoll gewährleistet, dass nichts vergessen geht und alle hängigen Punkte zügig erledigt werden können.

Eine der letzten Tätigkeiten im Projektablauf ist das Entgegennehmen der Projektdokumentation. Sie wird bei der Werkabnahme vermutlich noch nicht vorliegen. Sie soll in nützlicher Frist als komplettes Dossier an die Bauherrschaft ausgehändigt werden. Dazu gehören die revidierten Ausführungspläne (Revisionspläne) sowie Betriebsanleitungen und dergleichen.