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Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung

Die Gesamtleistungsausschreibung ist ein Verfahren für die Projektrealisierung, bei dem es nicht allzustark eilen darf, denn diese Methode ist nicht sehr schnell. Das mehrstufige Auswahlverfahren braucht einfach seine Zeit. Im Vergleich zum Direktauftrag ergibt sich eine deutlich längere Planungsdauer. In diesem Abschnitt wollen wir der Frage nachgehen, wie gross dieser Zeitunterschied ist. Dabei halten wir uns an die Methode der Gesamtleistungsausschreibung, die in diesem Buch beschrieben wird: die Praktikermethode.

Der Massstab: Planungsdauer beim Direktauftrag

Fragen wir uns zuerst, welche Planungsdauer bei einem Direktauftrag erwartet werden darf. Hinsichtlich des Zeitbedarfs ist es unerheblich, ob es sich um einen Direktauftrag an unabhängige Planer oder an eine Totalunternehmung handelt. Wenn das Projekt einmal definiert ist, kann bei der direkten Auftragserteilung sofort mit den Planungsarbeiten begonnen werden. Ein relativ grobes Pflichtenheft genügt dazu. Es reicht aus, wenn die wichtigsten Projektspezifikationen darin enthalten sind (Raumprogramm, Qualitätsanforderungen aller Art, allenfalls Layout und weiteres mehr).

Stufenweise erarbeiten nun die Planer das Projekt. Die einschlägigen Planungsschritte, die wir an anderer Stelle im Detail betrachtet haben (siehe Abschnitt «Vom Vorprojekt zur Baueingabe»), sind in der SIA-Honorarordnung 102 dargelegt. Periodisch wird die Bauherrschaft beigezogen, um Entscheide mit unterschiedlicher Tragweite zu fällen. Die noch groben Angaben im Pflichtenheft werden fortlaufend verfeinert, bis das Bauprojekt buchstäblich bis zur letzten Steckdose definiert ist. Am Schluss der Planungsphase liegen die Kosten in einer Genauigkeit von mindestens etwa 10% vor.

Der Zeitbedarf für die Planungsphase von der Entgegennahme des Pflichtenheftes bis zur Baueingabe hängt stark von der Art des Projektes ab. Als plausibler Mittelwert können vier Monate angenommen werden. In einfachen oder besonders dringenden Fällen sind auch kürzere Fristen möglich.

Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung

Die Gesamtleistungsausschreibung betrachten wir etwas ausführlicher als den Direktauftrag. Die Planungsphase setzt sich hier aus folgenden vier Teiltätigkeiten zusammen: Phase 1 (Vorauswahl), Phase 2 (Projektausarbeitung), Entscheidungsphase sowie Baueingabephase.

 

Die Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung und beim Direktauftrag

 

  • Phase 1 (Vorauswahl)

Bei der Abschätzung des Zeitbedarfs für die Phase 1 gehen wir von der Annahme aus, dass im Rahmen der Projektdefinition ein konventionelles Pflichtenheft erstellt wird, wie es beim normalen Architektenverfahren (Direktauftrag) üblich ist. Dieses genügt jedoch den hohen Anforderungen der Gesamtleistungsausschreibung nicht. Es ist dafür zuwenig detailliert und muss daher am Anfang der Phase 1 zuerst noch verfeinert werden. Im Kapitel 15 gehen wir darauf ein («Bausteine von Pflichtenheften»), aus welchen Bausteinen ein detailliertes Pflichtenheft bestehen kann. Bei einem Industrieprojekt gehört beispielsweise eine Liste der Anschlusswerte der Maschinen dazu. Je nach Projekt kann es zwei bis vier Wochen dauern, bis das Pflichtenheft in der erforderlichen Präzision vorliegt.

Das heisst nun aber nicht, dass das Projekt um diese Zeitspanne verzögert wird. Bereits während der Verfeinerung des Pflichtenheftes kann die Bauherrschaft erste Kontakte zu Totalunternehmern aufnehmen. Anhand von Gesprächen und Besichtigungen werden in dieser Zeit die etwa vier Firmen bestimmt, die die Phase 1 (Vorauswahl) bestreiten sollen. Diese Bewerber erarbeiten grobe Angebote, bestehend aus einer skizzenartigen Darstellung der Lösung sowie einer Kostenschätzung. Anschliessend werden die Angebote von der Bauherrschaft geprüft und beurteilt. Die ganze Phase 1, von der Überarbeitung des Pflichtenheftes bis zur Vorauswahl der zwei besten Anbieter, dauert etwa zweieinhalb Monate.

 

  • Phase 2 (Projektausarbeitung)

Für die Phase 2 (Projektausarbeitung) verbleiben normalerweise zwei Bewerber. Am Anfang der Phase wird zunächst das Pflichtenheft nochmals auf den letzten Stand gebracht, damit beide Teilnehmer der Ausschreibung die gleiche Ausgangslage haben. Es sind seit der ersten Abfassung vermutlich neue Aspekte aufgetaucht, die berücksichtigt werden müssen. Parallel dazu können die Ausschreibungsteilnehmer mit der Planung weiterfahren. Ziel ist ein detailliert ausgearbeitetes Projekt samt einer verbindlichen Kostenangabe. Eine Frist von zweieinhalb Monaten dürfte bis zur Abgabe des Angebots an die Bauherrschaft ausreichen.

 

  • Entscheidungsphase

Die nun folgende Entscheidungsphase sollte zeitlich nicht unterschätzt werden. Wir setzen dafür eineinhalb Monate ein. Zuerst werden die Angebote von der Bauherrschaft ausgewertet und verglichen. Erfahrungsgemäss tauchen Aspekte auf, die zu Zusatzabklärungen führen. Mit den bereinigten Offerten können nun die Vertragsverhandlungen geführt werden. Zu grosser Zeitdruck zahlt sich hier nicht aus.

 

  • Baueingabephase

Nach der Auswahl des Siegerprojektes geht es darum, möglichst schnell die Baueingabe einzureichen. Bisher nur grob untersuchte Aspekte, die für die Bewilligung aber wichtig sind, werden im Detail geplant (z. B. Schutzraumkonzept). Anforderungen aller Art sind mit den Behörden abzusprechen (Brandschutz, Denkmalpflege etc.). Alle erforderlichen Dokumente für die Baueingabe werden erstellt. Für die meisten sind ausschliesslich die Planer zuständig (Wärmeschutznachweis, Schutzraumeingabe etc.). Es gibt aber auch Aufgaben, bei denen die Mitarbeit der Bauherrschaft erforderlich ist (z. B. Beschreibung der betrieblichen Nutzung bei einem Gewerbeprojekt). Gesamthaft gesehen geht es also bei der Baueingabephase um weit mehr als nur um ein Ergänzen und Unterschreiben der Pläne. Wir nehmen an, dass dafür eineinhalb Monate benötigt werden.

 

  • Gesamte Planungsdauer

Die totale Planungsdauer bei der Gesamtleistungsausschreibung beträgt acht Monate, wenn man die oben erläuterten Annahmen für die Phasen Vorauswahl, Projektausarbeitung, Entscheidung und Baueingabe zusammenzählt. Das sind vier Monate mehr als beim konventionellen Architektenverfahren (Direktauftrag).

Dieser zeitliche Mehraufwand ist aber als obere Grenze zu betrachten. Wenn es nötig ist, kann er auch reduziert werden. Damit der Aspekt der längeren Planungszeit gegenüber dem Direktauftrag aber nicht vernachlässigt wird, scheint mir im Beispiel eine deutliche Darstellung angebracht zu sein.

Projektdauer von der ersten Idee bis zum Bezug

Bisher haben wir nur von der Planungsphase gesprochen. Wir stellen fest, dass mehr Wettbewerb seinen Preis hat: Die Planungsdauer verlängert sich im Vergleich zum Direktauftrag um mehrere Monate. Jetzt wollen wir die ganze Dauer eines Projektes betrachten, von der ersten Idee bis zum Bezug. Als Beispiel wählen wir einen Fabrikneubau.

Die erste Hauptphase nach dem Projektstart ist die Projektdefinition. Bei Industrieprojekten wird sie auch als Betriebsplanung oder Feasibility-Studie bezeichnet. Hier ist der Zeitbedarf sehr stark vom Projekt abhängig. Die angegebene Dauer von vier Monaten ist ein Richtwert für Projekte aus der Maschinenindustrie.

Nun folgt die bereits erörterte Planungsphase. Für den Zeitbedarf übernehmen wir die Angaben aus dem letzten Absatz: vier Monate beim Direktauftrag, acht Monate bei der Gesamtleistungsausschreibung.

Eine weitere Hauptphase ist die Baubewilligungsfrist. Diese kann durch die Bauherrschaft kaum beeinflusst werden. Die angenommene Dauer von sechs Monaten wird in günstigen Fällen wesentlich unterschritten, bei Rekursen und dergleichen aber auch überschritten.

Die letzte Hauptphase ist die Bauausführung. Wir gehen davon aus, dass während der Bewilligungsfrist die Ausführung bereits vorbereitet wird. Dadurch ist es möglich, dass man mit eintreffender Baubewilligung praktisch die Baumaschinen auffahren lassen kann. Eine reine Bauzeit von acht Monaten ist plausibel für ein hallenartiges, mehrheitlich ebenerdiges Fabrikgebäude mit einigen Annexbauten.

Gesamt ergibt sich eine totale Projektdauer von 22 Monaten für den Direktauftrag und 26 Monaten für die Gesamtleistungsausschreibung (siehe Abbildung).

 

Gesamte Projektdauer bei Direktauftrag und Gesamtleistungsausschreibung (Beispiel Fabrikneubau)

(alle Angaben in Monaten) Direkt-
auftrag
Gesamtleistungs-
ausschreibung

Hauptphasen des Projekts

Projektdefinition (Betriebsplanung)
4
4
Planungsphase (von Vorprojekt bis Baueingabe)
 
 
— konventionell (Direktauftrag)
4
— Gesamtleistungsausschreibung
8
Bewilligungsfrist
6
6
Bauausführung
8
8
Gesamte Projektdauer
22
26

 

  • Interpretation

Es stellt sich nun die Frage, ob die Verzögerung von vier Monaten, die mit der Gesamtleistungsausschreibung verbunden ist, zu beurteilen ist. Lohnt sich der Zeitverlust?

Zunächst muss man festhalten, dass die Verzögerung nur die Planungszeit betrifft und nicht die eigentliche Bauzeit. Bei vielen Projekten ist eine längere Planungszeit kaum mit Kosten verbunden und daher zweitrangig. Dies ist etwa bei Anbauten, Umnutzungen und Sanierungen der Fall, teilweise auch bei Neubauten (vor allem dann, wenn der Boden schon Jahrzehnte im Besitz der Bauherrschaft ist).

Anders ist es bei vielen industriellen Projekten. Der Faktor Zeit ist in den letzten Jahren ständig wichtiger geworden. Nach dem Darwinschen Gesetz der modernen Industrie hat der Schnelle die besten Ueberlebenschancen.

Das gesamtwirtschaftliche Tempodiktat hat Auswirkungen auf die Fristen beim Bauen. Das heisst aber nicht, dass darum Gesamtleistungsausschreibungen in der Industrie unmöglich sind. Die Praxis beweist das Gegenteil: Die Aussicht auf günstigere Kosten wiegt in manchen Fällen den Zeitverlust auf.