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Anpassungen des Werkpreises

Wir haben im letzten Abschnitt festgestellt, dass Projektänderungen nach Abschluss des Totalunternehmer-Werkvertrages praktisch immer zu erwarten sind. Als Folge davon muss die Vertragssumme angepasst werden können, nach oben wie nach unten. Dieses Prozedere wird unterschiedlich bezeichnet. Eingebürgert haben sich etwa die Begriffe «Nachträge» oder «Kostennachträge», bei international tätigen Firmen verwendet man vielleicht sogar den englischen Ausdruck «Change order» (Aenderungsauftrag).

Die Anpassungen des Werkpreises werden üblicherweise nach standardisierten Verfahren durchgeführt. Viele Firmen verwenden dazu Formulare. Das Grundprinzip ist zwar immer gleich, in wichtigen Details sind aber Unterschiede möglich. Es sei der Bauherrschaft eindringlich empfohlen, sich mit der Technik der Preisanpassung vor Vertragsunterzeichnung vertraut zu machen. Am besten sind praxisnahe Beispiele, die vom Vertragspartner vordemonstriert werden. Es ist zum Beispiel zu klären, ob für die Mehrleistungen neben dem Risikozuschlag (GU-Zuschlag) auch noch ein Honorarzuschlag verrechnet wird oder nicht. In den Beispielen auf den nächsten Seiten geht die Annahme dahin, dass im Normalfall und bei eher kleineren Aenderungen kein Honorarzuschlag verlangt wird. Dafür wird dem Totalunternehmer bei grösseren Umplanungen ein Zusatzhonorar in Aussicht gestellt, das im konkreten Fall jeweils individuell festgelegt werden soll.

Eine andere Lösung für die Entschädigung des Planungsaufwands bei Projektänderungen sind fest vereinbarte Honorarzuschläge (beispielsweise 10% Zuschlag) für alle Nachträge.

Ursachen für Preisanpassungen infolge Projektänderungen

Auf eine Vielzahl möglicher Ursachen von Preisanpassungen sind wir bei der Auflistung von typischen Projektänderungen gestossen (siehe Absatz «Projektänderungen»). Meistens haben Projektänderungen Auswirkungen auf den Preis, da es sich um Mehrleistungen in Form zusätzlicher oder höherwertiger Bauteile handelt. Preisanpassungen sind beispielsweise nötig, wenn die Storen elektrisch statt manuell bedient werden oder wenn für eine Metallfassade anstelle eines Profils aus Blech eine höherwertige Ausführung aus Aluminium gewählt wird. Diese Art von Preisanpassung ist in der Praxis die weitaus häufigste.

Es gibt auch Preisanpassungen nach unten. Möglicherweise verzichtet die Bauherrschaft auf einen Bauteil oder führt ihn in Eigenleistung selber aus. Denkbar ist auch, etwa im Fall von Betriebseinrichtungen, dass sie während der Ausführungsplanung Bauteile aus dem Totalunternehmer-Werkvertrag herausnimmt und selber beschafft. Der totale Investitionsbetrag sinkt dadurch nicht, es findet nur eine Umbuchung vom Leistungsumfang des Totalunternehmers in ein Budget der Bauherrschaft statt.

Beispiele von Preisanpassungen

Anhand von drei Beispielen machen wir uns im folgenden näher mit den Grundprinzipien von Preisanpassungen (Nachträgen) infolge Projektänderungen vertraut. Sie beziehen sich auf den Totalunternehmer-Werkvertrag gemäss Absatz «Vertragsabschluss».

 

  • Nachtrag 1

Nachtrag 1 beinhaltet einen ganz gewöhnlichen Mehrpreis. Gegenstand des Nachtrages sind Einzelfundamente für Produktionsmaschinen und Betriebseinrichtungen. Im Pflichtenheft und den Vertragsplänen sind die Einzelfundamente genau spezifiziert. Im Laufe der Detailplanung äussert die Bauherrschaft den Wunsch, diese im Hinblick auf eine höhere Flexibilität grösser als im Totalunternehmer-Werkvertrag vorgesehen auszuführen. Die Mehrkosten für die zusätzlichen Kubaturen werden vom Bauingenieur im Detail ausgewiesen und betragen 4 800 Fr. Dazu kommt, gemäss Vereinbarung im Werkvertrag, ein GU-Zuschlag von 5% (240 Fr.) für die Abdeckung der Risiken. Die ursprüngliche Werkvertragssumme von 9 250 000 Fr. erhöht sich somit auf die bereinigte Summe von 9 255 040 Fr.

Es ist ein wichtiges Merkmal von Kostennachträgen beim Totalunternehmer-Werkvertrag, dass nach jeder Preisanpassung der aktuelle Werkpreis neu ermittelt wird. Diese bereinigte Werkvertragssumme stellt das aktualisierte Kostendach dar. Soviel muss die Bauherrschaft maximal bezahlen. Die effektiv zu bezahlende Summe kann aber auch tiefer liegen, sofern vereinbart worden ist, dass die Bauherrschaft an einer Unterschreitung des Kostendaches partizipieren soll.

 

Beispiel 1 von Kostennachträgen (Projektänderungen)

Nachtrag Nr. 1

Gegenstand: Fundamente für Betriebseinrichtungen

Im Verlaufe der betrieblichen Detailplanung beschliesst die Bauherrschaft, die Einzelfundamente für schwere Maschinen und Betriebseinrichtungen grösser als in den Vertragsplänen vorgesehen auszuführen. Es ergeben sich dadurch für die Fundamente zusätzliche Kubaturen von 8 m3. Als Grundlage für die Ermittlung des Mehrpreises dient eine detaillierte Berechnung des Ingenieurs samt Planbeilagen.

Mehrpreis Fundamente in Stahlbeton einschliesslich Aushub, Beton, Schalung und Armierung(gemäss Berechnung Bauingenieur)
4 800 Fr.
GU-Zuschlag 5%
240 Fr.
Mehrpreis Nachtrag 1 total
5 040 Fr.
Ursprüngliche Werkvertragssumme
9 250 000 Fr.
Bereinigte Werkvertragssumme nach Nachtrag 1
9 255 040 Fr.

 

  • Nachtrag 2

Nachtrag 2 stellt den etwas komplizierteren Fall eines Mehrpreises dar. Das Konzept der Storen gemäss Werkvertrag soll durch eine höherwertige Lösung ersetzt werden. Es fällt somit eine Leistung weg und eine neue, teurere kommt hinzu.

Bei der Berechnung des Nachtrages ist eine Besonderheit des abgeschlossenen Werkvertrages zu berücksichtigen. Im Rahmen der Vertragsverhandlungen hat der Totalunternehmer einen Preisnachlass (Konkurrenzrabatt) von 4% gewährt. Wenn nun wie im Falle der Storen Leistungen aus dem ursprünglichen Leistungspaket herausgenommen werden, muss konsequenterweise der Rabatt von 4% auch dem entnommenen Teil zugestanden werden.

Zu beachten ist im weiteren die Berechnung des GU-Zuschlages. Im Beispiel wird angenommen, dass bei der alten Storenlösung (49 920 Fr. nach Abzug des Rabatts) der GU-Zuschlag bereits inbegriffen ist. Es ist somit zulässig, bei der revidierten Storenlösung (84 500 Fr.) den GU-Zuschlag für den ganzen Betrag zu erheben und nicht nur für den Mehrpreis gegenüber der alten Lösung.

 

Beispiel 2 von Kostennachträgen (Projektänderungen)

Nachtrag Nr. 2

Gegenstand: Storen

Gemäss Pflichtenheft und Werkvertrag sind auf drei Gebäudeseiten (ohne NW-Fassade) manuell bediente Storen vorgesehen. Effektiv ausgeführt werden sollen aber elektrisch betriebene Storen mit Zentralsteuerung, und zwar auf allen Fassaden. Als Basis der Berechnung der Mehrkosten dient die Offerte der Firma xy.

Preis für die ursprüngliche Storenlösung (vor Rabatt)
52 000 Fr.
Preis korrigiert um 4% Konkurrenzrabatt
49 920 Fr.
Preis des revidierten Konzepts für die Storen
84 500 Fr.
GU-Zuschlag 5%
4 225 Fr.
Mehrpreis Nachtrag 2 total
38 805 Fr.
Werkvertragssumme bis Nachtrag 1
9 255 040 Fr.
Bereinigte Werkvertragssumme nach Nachtrag 2
9 293 845 Fr.

 

  • Nachtrag 3

Nachtrag 3 stellt den komplexen Fall einer Projektänderung dar, wo Diskussionen über die Kostenfolgen wohl kaum zu vermeiden sind. Es geht um das Konzept einer Hallenlüftung. Nach dem Abschluss des Totalunternehmer-Werkvertrags finden Gespräche mit den Behörden statt. Dabei stellt sich heraus, dass die Lüftung wesentlich einfacher ausgeführt werden kann, als im Pflichtenheft für den Totalunternehmer-Werkvertrag spezifiziert worden ist. Da die finanziellen Einsparungen erheblich sind, vertreten die Vertragsparteien unterschiedliche Auffassungen, welches die Ursachen der Einsparungen sind.

Sind es reduzierte Anforderungen des Bauherrn und damit Minderleistungen des Werkvertragspartners, wofür die Bauherrschaft plädiert? Dann ist es logisch, dass die Werkvertragssumme reduziert wird. Oder ist es im Gegenteil eine kreative Spitzenleistung des Planers, die zur Einsparung führt? Diese These vertritt der Totalunternehmer. In diesem Fall wäre die Werkvertragssumme unverändert zu lassen.

Im Beispiel ist erläutert, wie ein Kompromiss gefunden werden kann, der beiden Vertragsparteien entgegenkommt. Die Vertragssumme wird reduziert, aber gleichzeitig erhält der Totalunternehmer eine Planungsentschädigung, die für den konkreten Fall individuell vereinbart wird.

Im geschilderten Beispiel wäre es auch möglich, Heizung und Lüftung komplett aus der garantierten Vertragssumme herauszunehmen und für diese Leistungen lediglich Budgetpreise einzusetzen (siehe «Budgetpreis»). Budgetpreise sind dann zu wählen, wenn die Leistungen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht genau definiert sind.

 

Beispiel 3 von Kostennachträgen (Projektänderungen)

Nachtrag Nr. 3

Gegenstand: Heizung und Lüftung

Im Pflichtenheft sowie im Werkvertrag sind für eine Industriehalle eine Raumheizung mit Warmluftgeräten sowie zusätzlich eine unabhängige Lüftungsanlage für die Maschinen vorgesehen (pro Maschine eine Ablufthaube). Nach Gesprächen mit den Behörden sowie intensiven Abklärungen ist es möglich, für diese gebäude-technischen Anlagen eine wesentlich einfachere Lösung zu wählen als ursprünglich angenommen, nämlich ein kombiniertes System für Heizung und Lüftung. Dies führt zu einer substantiellen Reduktion der Werkvertragssumme.
Weil diese Lösung mindestens teilweise auch das Resultat der kreativen Lösungssuche der Planer ist, erhalten diese in Absprache mit der Bauherrschaft eine Planungsentschädigung. Sie entspricht etwa 10% der Kosten der ausgeführten Lösung.

Ursprüngliches Konzept (vor Rabatt)
Preis Heizung
570 000 Fr.
Preis Lüftung
550 000 Fr.
Total Preis Heizung und Lüftung
1 120 000 Fr.
Preis ursprüngliches Konzept korrigiert um 4% Konkurrenzrabatt
1 075 200 Fr.
Preis der kombinierten neuen Lösung für Heizung und Lüftung (gemäss Offerten)
760 000 Fr.
GU-Zuschlag 5%
38 000 Fr.
Preis der neuen Lösung inkl. GU-Zuschlag
798 000 Fr.
Minderpreis Heizung und Lüftung somit
- 277 200 Fr.
Planungsentschädigung an den Planer Heizung/Lüftung
(= Belohnung für kreative Leistung)
75 000 Fr.
Minderpreis Nachtrag 3 total
- 202 000 Fr.
Werkvertragssumme bis Nachtrag 2
9 293 845 Fr.
Bereinigte Werkvertragssumme nach Nachtrag 3
9 091 845 Fr.