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Empfehlung 2: Kreative Unternehmerideen ausnützen

In Leistungsverzeichnissen ist normalerweise die Art der Arbeitsausführung im Detail festgelegt. Was passiert nun, wenn ein Unternehmer die bessere Idee hat und ein Bauteil auf eine andere Art günstiger ausführen kann? Vielfach werden derartige Vorschläge gar nicht ernsthaft geprüft. Es ist bei traditionellen Ausschreibungen zwar meistens möglich, dass ein Anbieter sogenannte Unternehmervarianten einbringen kann, aber oft ist es nicht mehr als eine Alibiübung. Viele Planer haben kein Interesse an Gegenvorschlägen, weil sie dadurch nur mehr Aufwand haben und (meistens) erst noch weniger Honorar bekommen. Etliche Unternehmer haben es daher aufgegeben, eigene Vorschläge zu unterbreiten, weil oft gar nicht darauf reagiert wird.

Hier gilt es Gegensteuer zu geben. Unternehmervarianten sind eine Chance, und die Bauherrschaft hat es in der Hand, das gedeihliche Klima dafür zu schaffen. Sie kann den Anbietern klar zu verstehen geben, dass eigene Vorschläge erwünscht sind und dass die Planer sie wohlwollend prüfen werden. Die Planer ihrerseits sind zu motivieren, indem Einsparungen zusätzlich honoriert werden (siehe «Spezielle Vertragsformen / Honorare mit Bonus» im Kapitel 8).

Unternehmervarianten sind bei allen Arbeitsgattungen möglich. Allerdings gibt es taugliche und untaugliche Vorschläge.

 

  • Ein guter Vorschlag

Ein Stahlbauer schlägt vor, bei einer 20 Meter hohen Halle die Stahlstützen in der Betondecke einzuspannen und nicht als Gelenk auszubilden. Ferner stellt er ein anderes Stahlprofil zur Diskussion. Der Bauingenieur rechnet den Vorschlag durch. Weil die Kosten tatsächlich geringer sind als bei der bisher vorgesehenen Lösung, erhält der Stahlbauer unter anderem aufgrund seines Unternehmervorschlags den Auftrag.

 

  • Ein untauglicher Vorschlag

Eine Montagefirma schlägt vor, für die Dachisolation anstelle der angegebenen einheimischen Wärmeisolation (Steinwolle) ein anderes, ausländisches Produkt zu verwenden. Nachforschungen ergeben aber, dass das preisgünstigere ausländische Fabrikat gravierende Qualitätsmängel aufweist. Namentlich ist festgestellt worden, dass nach wenigen Jahren die ursprüngliche Dicke von 10 cm auf die Hälfte einfallen kann. Dieser Unternehmervorschlag wird daher nicht berücksichtigt.

 

Das Prinzip der Unternehmervarianten gilt es zu kultivieren. Dahinter steht die Grundüberlegung, dass man zwar die allgemeinen Anforderungen (Spezifikationen) für eine bestimmte Leistung vorschreiben soll, nicht aber die technische Lösung. Anders ausgedrückt: das Ziel ist zu definieren, nicht der Weg zum Ziel.

Empfehlung 3: Grosse Leistungspakete bilden

In der Industrie ist das Beschaffungswesen in den letzten Jahren radikal verändert worden. Die Unternehmen sind zunehmend dazu übergegangen, die Anzahl ihrer Lieferanten zu beschränken und von den wenigen übriggebliebenen umfassende Leistungspakete zu beziehen. Überaus radikale Beispiele von Beschaffungskonzepten findet man etwa in der Automobilindustrie. Es gibt heute Fabriken, die nur noch mit sieben Lieferanten auskommen.

Fahrzeugherstellung mit nur sieben Lieferanten
(Volkswagen Brasilien, Nutzfahrzeuge, Werk Resende)
  • Modul 1: Chassis
  • Modul 2: Achsen, Bremsen, Aufhängung
  • Modul 3: Räder, Reifen
  • Modul 4: Motor, Getriebe
  • Modul 5: Kabine
  • Modul 6: Lenkung, Instrumente, Ausstattung
  • Modul 7: Lackierung

Quelle: Business Week vom 7. Okt. 1996, Seite 18

 

Die Beschränkung auf wenige Unternehmer mit grossen Leistungspaketen kann auch im Bauwesen handfeste Vorteile bringen, und zwar für beide Seiten, Bauherr und Unternehmer.

 

  • Vorteile für die Unternehmer

Ein Unternehmer kann mit einem umfangreicheren Auftrag oft kostengünstiger arbeiten. Viel Potential für rationellere Arbeit besteht namentlich an den Schnittstellen zwischen den einzelnen Tätigkeiten. Nehmen wir an, eine einzige Unternehmung werde mit dem Auftrag für alle Oberflächenverkleidungen (Malerei, Teppiche, Plättli, Gipser etc.) betraut. Dadurch werden eine Reihe interessanter Vereinfachungen möglich. Alle Arbeitsgänge werden von der gleichen Führung koordiniert, was ein zügiges Arbeiten erlaubt. Der oft beträchtliche Reiseanteil zwischen den verschiedenen Baustellen wird reduziert. Leerläufe können minimiert werden. Aber auch die Qualität wird vermutlich besser. Der Gipser beispielsweise wird kaum die Arbeit des Malers beschädigen - und umgekehrt.

Am grössten ist der Effekt, wenn die gleichen Arbeitskräfte für mehrere zusammengehörende Tätigkeiten eingesetzt werden können. Allerdings setzt dies eine gewisse Flexibilität voraus. Leider wird Flexibilität durch das rigide schweizerische Berufsbildungssystem nicht gerade gefördert. Ein Gipser ist ein Gipser, und er muss sich überwinden, bevor er einen Pinsel in die Hand nimmt. Wenn der Gipser aber auch malt, zeigen sich plötzlich ungeahnte Möglichkeiten für ein effizientes Arbeiten. Meiner Ansicht nach dürfte das Ausführen von verschiedenen Tätigkeiten nach einer gewissen Lernphase für die Mitarbeiter auch interessanter sein. Es erhöht die Motivation. - Wieso soll das Prinzip der Gruppenarbeit, das in den letzten Jahren die industrielle Arbeitswelt so radikal verändert hat, nicht auch in der Bauwirtschaft möglich sein?

Zusammengefasst kann man also festhalten, dass grössere Arbeitspakete nicht nur Raum für effizienteres Arbeiten lassen, sondern für die Ausführenden schlicht auch interessanter sind.

 

  • Vorteile für den Bauherrn

Die Arbeit wird auch für die Bauleitung einfacher, wenn weniger Unternehmer ein grösseres Arbeitsvolumen ausführen. Um viele Schnittstellenprobleme muss sie sich nicht kümmern.

Dies zeigt sich beispielsweise bei der Leichtbaufassade eines Industriebaus, wo für die Montage in der Regel ein Gerüst benötigt wird. Die Bauleitung hat zwar die nötigen Kenntnisse, um die Fassade einerseits und das Gerüst andererseits einzeln auszuschreiben und zu bestellen. Vielfach ist es aber besser, wenn das Gerüst im Leistungsumfang des Fassadenbauers eingeschlossen wird und er sich darum kümmert. Er kann das nämlich mindestens so gut wie ein Architekt oder Bauleiter. Dadurch ist die Bauleitung aber einige Sorgen los. Der Fassadenbauer ist jetzt verantwortlich, dass das Gerüst rechtzeitig aufgestellt wird und seinen Ansprüchen genügt, insbesondere auch was die Sicherheit anbelangt. Im eigenen Interesse nimmt er diese Verantwortung vollumfänglich wahr.

Generell wird die Projektführung einfacher, wenn weniger Unternehmer zu koordinieren sind. Indem grosse Leistungspakete gebildet werden, wird ein Teil der Führungsarbeit von der Bauleitung auf die Unternehmer verlagert. Zudem nimmt der Aufwand für die Administration ab. Es gibt weniger Ausschreibungen, Abgebotsverhandlungen und Verträge und dergleichen. Man braucht weniger Zeit und produziert weniger Papier.

Nicht vergessen darf man allerdings, dass das Risiko von Bauhandwerkerpfandrechten ansteigt, wenn die Unternehmer viele Leistungen an Subunternehmer vergeben. Dagegen kann man sich aber recht gut absichern. Näheres dazu siehe Kapitel 11 (Einzelunternehmer): «Das Bauhandwerkerpfandrecht» und Kapitel 12 (Generalunternehmer): «Das Bauhandwerkerpfandrecht und die Erfüllungsgarantie».

 

  • Beispiel

Am Beispiel eines kleinen Umbauvorhabens wollen wir uns mit dem Prinzip der grossen Leistungspakete vertraut machen. Kleinere Bauvorhaben und speziell Umbauten haben den Ruf, besonders teuer zu sein. Hier lohnt es sich, Unternehmer auszuwählen, denen möglichst grosse Arbeitspakete übertragen werden können. Je kleiner die Bauaufgabe ist, desto geringer soll die Anzahl der beteiligten Unternehmer sein.

Beim Umbau wird ein Stockwerk eines alten Holzhauses behindertengerecht umgebaut. Unter anderem wird ein neues Badezimmer eingerichtet und die Raumeinteilung geringfügig abgeändert. An der Fassade sind nur geringe Eingriffe nötig, und das Dach ist gar nicht betroffen. Obschon bei diesem Bauvorhaben alle üblichen Installationsarbeiten vorkommen (Sanitär, Heizung, Elektrizität), kommt man mit drei Haupthandwerkern und einigen Nebenhandwerkern aus.

Vielfach hat bei Holzhäusern der Bauschreiner die Hauptarbeit. Sein Gebiet umfasst Wandverkleidungen, Türen, Fenster, Parkettböden und dergleichen. Es ist sinnvoll, dass er ebenfalls nichttragende Leichtbauwände ausführt, wodurch man sich den Gipser erspart. Weitere zwei Haupthandwerker sind nötig für die Installationen. Der eine ist mit Vorteil ein Allrounder für Sanitär und Heizung, der andere ein Elektriker.

Neben diesen drei Haupthandwerkern sind für meist kleinere Arbeiten weitere Handwerker nötig für den Rohbau (Baumeister, Zimmermann) sowie für den Ausbau (Plättlileger, Maler). Zusammen kommt man auf fünf bis sieben Handwerker. Gemäss meinen Erfahrungen reicht diese Anzahl bei vielen Umbauten aus.

Bei ganz kleinen Bauvorhaben verzichtet der Bauherr oft auf einen Architekten. In solchen Fällen kann es sinnvoll ein, einen Haupthandwerker (beispielsweise den Schreiner) als Generalunternehmer einzusetzen (siehe unter «Bauvertrag»).