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Bauarbeiten vergeben

Das Feilschen um Rabatte bei der Vergebung von Bauarbeiten gilt in vielen Kreisen als Inbegriff des Kostensparens. In diesem Abschnitt gehen wir darauf ein, was es damit auf sich hat und was die Bauherrschaft zur Arbeitsvergebung beitragen kann.

Der übliche Ablauf bei der Arbeitsvergebung

Zuerst wollen wir uns einen Überblick verschaffen, wie Arbeitsvergebungen normalerweise ablaufen und welche Vorarbeiten damit verbunden sind. Gehen wir davon aus, dass eine Anzahl Anbieter Offerten für eine bestimmte Arbeitsgattung ausgearbeitet haben. Bei privaten Bauvorhaben werden die Offerten in der Regel direkt bei der Bauleitung eingereicht (und nicht bei der Bauherrschaft), obwohl die Bauherrschaft später Vertragspartnerin der Unternehmer sein wird.

Zunächst werden die eingegangenen Offerten von der Bauleitung geprüft. Unklarheiten werden beseitigt und Rechenfehler korrigiert. Aufgrund der bereinigten Offerten wird ein erster Offertvergleich erstellt. Anhand dieser Unterlage wird entschieden, mit welchen Unternehmern weitere Verhandlungen geführt werden sollen. Es ist eine weitverbreitete Sitte im Bauwesen, vor der Auftragsvergebung den Anbietern die Chance zu geben, den Preis nochmals anzupassen. Ein Preiszugeständnis nach der Abgabe der Offerte bezeichnet man als Abgebot. Neben dem Preis werden im Rahmen der Vertragsverhandlungen meistens noch eine ganze Reihe weiterer Vertragsbestandteile besprochen und bereinigt, etwa Termine oder Zahlungsbedingungen. Diese Vereinbarungen werden in einem formularartigen Verhandlungsprotokoll festgehalten, das beim ausgewählten Anbieter später Bestandteil des Werkvertrages wird.

Nach den Vertragsverhandlungen erstellt die Bauleitung einen aktualisierten Offertvergleich. Zusätzlich nimmt sie bei Bedarf weitere Abklärungen vor (Bonität überprüfen, Referenzen einholen, Qualität der letzten Aufträge beurteilen etc.). Jetzt hat die Bauherrschaft die nötigen Informationen, um den Vergebungsentscheid fällen zu können.

Einige Bauherrschaften wollen sich aber nicht mit dem letzten Entscheid begnügen, sondern selber aktiv in die Vertragsverhandlungen eingreifen. Was ist davon zu halten? Meiner Ansicht nach sollten sich entsprechend interessierte Bauherrschaften ein aktives Mittun nicht entgehen lassen.

Wieso die Bauherrschaft oft besser verhandelt als Profis

Es ist durchaus möglich, dass die Bauherrschaft die Vertragsverhandlungen mit den Unternehmern aktiv mitgestaltet. Einige Bauherren sind geradezu prädestiniert dafür. Ich denke da beispielsweise an Industrieunternehmen. Wenn diese bauen, kaufen sie die Bauleistungen vielfach über ihre eigenen Einkaufsorganisationen ein. Gemäss meinen Erfahrungen erreichen sie oft bessere Konditionen als die Planer. Die ausgebufften Einkäufer im Industriebereich scheinen somit beim Einkaufen von Bauleistungen ebenfalls ihre Qualitäten zu haben. - Aber auch nicht sachverständige Privatpersonen können bei ihren eigenen Bauvorhaben durchaus gute Einkäufer sein. Geborene Händler findet man unter Angehörigen jedes bürgerlichen Berufes.

Neben dem rein kaufmännischen Geschick gibt es noch einen ganz anderen Grund, wieso Laien bessere Verhandlungsergebnisse erreichen können als Baufachleute. Sie stehen nämlich ausserhalb der Baubranche und müssen auf niemanden Rücksicht nehmen. Sie gehören, etwas weniger schmeichelhaft ausgedrückt, nicht zur Baumafia. Zwischen Architekten und Handwerkern bestehen gelegentlich unsichtbare Bande, die ein Bauherr nicht erkennen kann. Vielleicht ist der Architekt mit dem Elektriker A im gleichen Baukonsortium und mit dem Baumeister B in der gleichen Partei. Damit soll aber keineswegs gesagt sein, dass die Baubranche ein einziger Interessenklüngel sei. Die meisten Baufachleute sind korrekt. Es gibt sogar hyper-korrekte darunter, die als Kundengeschenk zu Weihnachten nicht einmal eine Flasche Wein akzeptieren, um ihre Neutralität nicht aufs Spiel zu setzen. - Das Problem ist lediglich, dass die Bauherrschaft vorher nicht weiss, mit wem sie es zu tun hat.

Daraus soll die private Bauherrschaft nicht die Empfehlung ableiten, dass sie sich unbedingt selber um Vertragsverhandlungen mit Anbietern kümmern soll. Aber wenn sie Lust darauf hat, darf sie es getrost tun. Vermutlich wird es sich lohnen. Falls sie sich dazu entschliesst, folgt der normalen (ersten) Abgebotsrunde eine weitere. Die erste wird von der Bauleitung bestritten, die zweite von der Bauherrschaft. Grundlage für die Verhandlungen ist ein Offertvergleich, der von der Bauleitung erstellt wird. Im nächsten Absatz ist ein Beispiel dargestellt.

Einen wichtigen Punkt muss die Bauherrschaft allerdings beachten, wenn sie sich an den Vertragsverhandlungen beteiligt. Bauherren sind in der Regel Laien und können allfällige Konzessionen von technisch versierten Verhandlungspartnern kaum beurteilen. Vielleicht reduziert ein Anbieter die Preise nicht generell, sondern nur bei einigen ausgewählten Positionen. Möglicherweise schlägt er ein anderes Vorgehen vor. In solchen Fällen tut die Bauherrschaft gut daran, mindestens das letzte Gespräch mit dem Unternehmer vor dem formellen Vertragsabschluss zusammen mit der Bauleitung zu führen. Noch besser ist es, wenn die Bauleitung bei allen Vergebungsbesprechungen anwesend ist.

Der Offertvergleich als Basis der Arbeitsvergebung

Der Offertvergleich (auch Preisspiegel genannt) ist ein wichtiges Arbeitsinstrument für die Bauherrschaft. Er dient als Entscheidungsgrundlage für die Arbeitsvergebung und nützt ihr bei allfälligen vorgängigen Verhandlungen.

 

Beispiel eines Offertvergleichs für Baumeisterarbeiten

BKP 221 Baumeisterarbeiten

Firma A Firma B Firma C
Allgem. Baustelleneinrichtung
146 175
135 900
122 450
Baugrubenabschlüsse
61 815
47 672
35 570
Baumeisteraushub
22 386
26 394
27 190
Kanalisation
140 539
133 019
124 615
Beton, Stahlbeton
1 275 282
1 316 947
1 346 459
Maurerarbeiten
240 273
285 877
288 400
Eingabesumme brutto
1 886 470
1 945 809
1 944 684
Rabatt
8%
10%
6%
Zwischensumme
1 735 552
1 751 228
1 828 003
Skonto
3%
2%
2%
Eingabesumme netto
1 683 486
1 716 204
1 791 443
Differenz in Fr.
0
32 718
107 957
Rangfolge in Prozent
100.0%
101.9%
106.4%
Hinweise: MWSt nicht berücksichtigt; alle Angaben in Fr.

 

Die Bauherrschaft hat Anspruch auf einen sauberen Offertvergleich, und sie soll sich nicht dazu drängen lassen, den Vergebungsentscheid ohne ihn zu fällen. Die Baupraxis sieht leider nicht immer so aus. Einmal habe ich den ziemlich ratlosen Bauherrn eines Einfamilienhauses getroffen, vor sich einen Ordner randvoll mit Offerten. Der Architekt hat ihm vor seiner Abreise in die Ferien den Ordner in die Hand gedrückt. Mit den nicht bereinigten Originalofferten hat sich nun der bedauernswerte Bauherr darangemacht, die geeigneten Angebote für Baumeister, Zimmermann und Gipser auszuwählen - ohne Offertvergleich.

Bauherren sind Laien. Offerten sind für sie grundsätzlich nicht lesbar. Das richtige Arbeitsinstrument sind Offertvergleiche, und um mehr braucht sich die Bauherrschaft nicht zu kümmern.