Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Printausgabe Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

Bauarbeiten ausschreiben

In diesem Abschnitt gehen wir darauf ein, wie Ausschreibungsunterlagen für Bauleistungen erstellt werden können. Das Devisieren, wie man die Tätigkeit unter Baufachleuten bezeichnet, gilt als unspektakuläre Routinearbeit. Wie wir sehen werden, ist diese Geringschätzung nicht angebracht, denn mit guten Ausschreibungen können die Kosten nicht unerheblich beeinflusst werden.

Das Prinzip der Ausschreibung mit Normpositionen

Wenn die Bauherrschaft für Bauleistungen von mehreren Lieferanten oder Unternehmern Angebote einholen will, benötigt sie Ausschreibungsunterlagen. Das sind Dokumente, die die gewünschten Leistungen möglichst eindeutig beschreiben. Neben Plänen kommen dafür vor allem Leistungsverzeichnisse in Frage.

Das Leistungsverzeichnis, auch Devis genannt, ist eine Liste von kleinen Arbeitsschritten, die für eine Gesamtleistung zu erbringen sind. Normalerweise entspricht der Leistungsumfang eines Devis einer Arbeitsgattung. Das Devisieren ist eine anspruchsvolle Planungsarbeit. Es braucht dazu breite technische Kenntnisse und viel Erfahrung.

Für die meisten Arbeitsgattungen existieren für die Devisierung standardisierte Ausschreibungstexte. Sie werden als Normpositionen bezeichnet. Die Sammlung aller Normpositionen ist der Normpositionen-Katalog NPK (siehe «Literaturverzeichnis»). Dieses Normenwerk ist in der Bauwirtschaft stark verbreitet. Der Normpositionen-Katalog ist ausgesprochen umfangreich und umfasst in der Papierform mehrere Ordner. Der ganze Katalog kostet um die 10 000 Franken.

Im nachfolgenden Beispiel greifen wir zur Illustration eine beliebige Normposition aus dem NKP heraus. Mit der ausgewählten Normposition wird präzis und eindeutig beschrieben, wie ein Maler einen simplen Holzanstrich ausführen soll.

 

Beispiel einer Normposition aus dem Normpositionen-Katalog NPK (Malerarbeiten)

NPK 672: Malerarbeiten
Abschnitt 300: Anstriche auf Holz und Holzwerkstoffe

311

Anstrich auf Holz und Holzwerkstoffe

.109

Deckender Anstrich. Rollemail. Zwei Anstriche.
Holzkonstruktion. Nadelholz, Fichte. Gehobelt. Untergrund roh.
Ohne direkte Bewitterung. Seidenglänzend.
Marke, Typ ............

 

Die Standardisierung der Leistungen der Bauwirtschaft mit Normpositionen an sich kann sicher nicht falsch sein. Bemängelt wird aber gelegentlich die ausgesprochen starke Aufsplitterung in kleinste Leistungseinheiten. In anderen Ländern werden die Leistungen summarischer beschrieben, ähnlich wie in der Schweiz vor der Einführung des Normpositionen-Kataloges.

Veranschaulichen wir uns diese Tatsache am Beispiel der Armierung einer Betondecke. In Deutschland genügen für die Spezifizierung der Armierung zwei Positionen: Betonstahl rund sowie Betonstahlmatten. In der Schweiz dagegen braucht es für den gleichen Leistungsumfang 43 Positionen. Die Leistungseinheiten gemäss NPK sind viel kleiner als in Deutschland. Beim Armierungsstahl rund beispielsweise wird jeder Durchmesser einzeln ausgeschrieben, ferner sind Zuschläge für Bearbeitungen separat zu entschädigen. (Quelle: Bundesamt für Wohnungswesen, Bern 1993, Baukosten senken im Wohnungsbau, Arbeitsberichte Wohnungswesen, Heft 27, Seite 36).

 

  • Verteuern Normpositionen das Bauen?

Die teilweise extreme Aufsplitterung der Leistungen im Normpositionen-Katalog NPK kann, so vermutet man, nicht ohne Auswirkungen sein. Von besonderem Interesse sind die Konsequenzen auf die Baukosten: baut man mit Normpositionen teurer?

Seit der Einführung der Normpositionen in breitem Umfang in den späten siebziger Jahren hört man in Fachkreisen immer wieder die Behauptung, eine sehr detaillierte Ausschreibung erhöhe die Kosten. Lange habe ich diese Vermutung abgelehnt. Heute spreche ich ihr eine gewisse Plausibilität nicht mehr ab. Die Meinung, dass detailliert ausgeschriebene Leistungen teurer sind als summarischer ausgeschriebene, wird auch im oben erwähnten Bericht vertreten.

Detaillierte Ausschreibungen mit Normpositionen haben noch einen anderen Nachteil: Der Unternehmer verlässt sich hier darauf, dass jede Einzelheit separat aufgeführt ist. Dadurch erhöht sich das Risiko für Nachforderungen. Auf den ersten Blick scheint diese Aussage nicht plausibel zu sein. Die Praxis zeigt jedoch, dass ein Unternehmer fast immer Lücken im Leistungsverzeichnis zu erkennen glaubt, wenn er nur hartnäckig genug sucht. Es ist häufig eine Ermessensfrage, ob die Bauleitung die Nachforderungen für diese angeblichen Lücken akzeptiert. - Bei summarischer ausgeschriebenen, kompletten Leistungen dagegen kann ein Unternehmer weniger einfach Nachforderungen erheben: komplett ist komplett.

 

  • Vom Paradoxon der Ausschreibungen

Übliche Ausschreibungen zeichnen sich neben der teilweise übertriebenen Auflösung in Einzelleistungen noch durch eine andere Eigenart aus. Es ist im schweizerischen Bauwesen weit verbreitet, dass die Bauarbeiten ausgeschrieben werden, bevor die Details der Ausführung klar sind. Für die Mengen (auch Ausmasse genannt) können daher im Leistungsverzeichnis nicht absolut genaue, sondern nur angenäherte Werte eingesetzt werden. Der Ersteller des Devis trachtet grundsätzlich danach, die Mengen eher zu hoch als zu tief zu schätzen. Indem er sogenannte Ausmassreserven einrechnet, kann er sich vor Kostenüberschreitungen schützen. Die effektiven Mengen, die erst nach der Bauausführung ermittelt werden, liegen dadurch unter dem Vorausmass. So erreicht die Bauleitung ihr primäres Ziel, bei der Schlussabrechnung mit einem unterschrittenen Kostenvoranschlag die Bauherrschaft zu beeindrucken.

Das charakteristische Merkmal der konventionellen Ausschreibung ist also eine merkwürdige Mischung von nur groben, ungefähren Mengen und genauen Vorgaben für die Arbeitsausführung in Form von präzis definierten Normpositionen. Meiner Ansicht nach müsste man die Schwerpunkte gerade umgekehrt setzen: genaue Mengenermittlung und exakte Vorgabe für die Qualitäten, dafür Spielräume bei der Arbeitsausführung.

Anhand von drei Empfehlungen gehen wir im folgenden näher darauf ein, wie kostensparende Ausschreibungen konzipiert werden können.

Empfehlung 1: Präzise Ausschreibungsunterlagen erstellen

Gute Ausschreibungsunterlagen basieren auf einer weit fortgeschrittenen Planung mit detaillierten Plänen. Dadurch ist es möglich, die Mengen präzis zu ermitteln. Ausführungsleistungen, die auf genauen Vorausmassen beruhen, können problemlos pauschal vergeben werden. Pauschale Vergebungen sind wenig anfällig auf Kostenüberschreitungen und reduzieren zudem den Arbeitsaufwand der Planer, weil mit dem Ausmessen des fertig erstellten Werkes ein kompletter Arbeitsgang entfällt.

Bei einigen Arbeitsgattungen ist es nützlich, die üblichen Ausschreibungsunterlagen in Textform (Leistungsverzeichnisse) mit Planunterlagen zu ergänzen. Dies betrifft etwa Bauteile wie Schreinerarbeiten, Treppengeländer, Fenster, Blechabwicklungen und weitere mehr. Es gibt für die Anbieter keine klarere Offertgrundlage als aussagekräftige Zeichnungen. Nachforderungen werden dadurch weniger wahrscheinlich.

Generell zeichnen sich kostensparende Ausschreibungsunterlagen, wenn man mir diese Vereinfachung erlaubt, eher durch aufwendige Zeichnungen als durch viel Text aus: Viel Text verteuert das Bauen, präzise Zeichnungen machen es günstiger. Bei der Generalunternehmerausschreibung wird dieses Prinzip (relativ wenig Text, dafür genaue Pläne) konsequent umgesetzt (siehe Absatz «Vertragsunterlagen»).

 

  • Beispiel einer Ausschreibungsunterlage

Nehmen wir an, für den Umbau eines altes Wohnhauses seien Schreinerarbeiten auszuschreiben. Unter anderem geht es dabei um Verkleidungen von Wänden. Die Ausführung soll dem traditionellen Erscheinungsbild von Holzverkleidungen entsprechen, mit horizontalen und vertikalen Zierleisten.

Es zeigt sich schon an diesen Zeilen, dass mit Worten komplizierte Bauleistungen wenig anschaulich beschrieben werden können. Es ist zwar ohne weiteres möglich, für eine Wandverkleidung ein Pflichtenheft zu erstellen, das nur aus Text besteht. Alle Vor- und Nebenarbeiten einschliesslich allfälliger Zuschläge müssen dabei umständlich beschrieben werden. Die Gefahr ist gross, dass man dabei etwas vergisst.

Viel eleganter ist es, komplette Bauteile wie etwa die Verkleidung eines Wandstückes im Detail zu zeichnen und als Einheit pauschal auszuschreiben. Anhand der Detailzeichnung erkennt der Anbieter genau, welche Nebenarbeiten er in den Pauschalpreis einrechnen muss (Anpassungen an Fenster, Decken, Innenecken etc.). Missverständnisse können vermieden werden, Nachforderungen sind kaum zu erwarten. Pauschal bleibt pauschal.

Präzise, «wasserdichte» Ausschreibungen sind das Werk der Planungsfachleute. Die Bauherrschaft kann das Resultat nur indirekt beeinflussen, indem sie den Fachleuten eine genügend bemessene Planungszeit einräumt. Ausreichend Zeit ist das Fundament für kostensparende Ausschreibungsunterlagen.