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These 1: Die Honorarformel ist bei Grossprojekten unzuverlässig

Gemäss meinen Erfahrungen stimmt die Honorarformel (Kostentarif) der SIA-Ordnung 102 bei grossen Honorarsummen (über 1 Mio.) nur unzureichend. Es ist allerdings nicht so, dass bei Grossprojekten generell zuviel Honorar verlangt wird, aber in einzelnen Fällen ist der Betrag gemäss der Formel eindeutig zu hoch. Die folgenden Angaben liefern einige grobe Hinweise über die Rentabilität von Planungsaufträgen. Sie basieren auf einer nicht unbedeutenden Zahl von firmeninternen Nachkalkulationen von Projekten aus verschiedenen Firmen.

- Durchschnittlich profitable Projekte. Nur durchschnittlich profitabel sind Projekte mit gemischten Nutzungen (Wohnen, Geschäfte etc.) sowie generell solche mit mehreren Bauherren.

- Finanziell interessante Projekte. Finanziell interessant für die Planer sind grosse Wohnüberbauungen (Mehrfamilienhäuser, Reihenhaussiedlungen) und ausgewählte öffentliche Bauten (vor allem solche mit eher industriellem Charakter, beispielsweise für Post und Telekommunikation).

- Finanziell sehr interessante Projekte. Am gewinnträchtigsten überhaupt sind industrielle und gewerbliche Projekte. Hier liegt die SIA-Honorarordnung 102 (Kostentarif) systematisch falsch. Mir sind mehrere Projekte mit Honorarsummen ab 1 Mio. bekannt, wo der Aufwand gemäss Nachkalkulation nur etwa zwei Drittel des erhaltenen Honorars oder noch weniger ausgemacht hat.

Tendenziell steigt der mögliche Reingewinn (in Prozenten des Honorars ausgedrückt) mit der Grösse des Projektes an: je grösser, desto rentabler. Kleine Projekte sind vielfach nicht kostendeckend und müssen durch die grossen subventioniert werden. Aus der Sicht der Planungsfirma mag das vernünftig sein, und auch Bauherren von Kleinprojekten werden sich über die Quersubventionierung nicht beklagen. Der Auftraggeber eines Grossprojektes jedoch hat dafür kein Verständnis: er will einen Preis, der dem Aufwand entspricht, und somit individuell festgelegte Konditionen.

These 2: Kleine Firmen können kleine Projekte günstiger abwickeln

Bei diesem zweiten Punkt geht es um die Tatsache, dass unterschiedlich grosse Firmen qualitativ gleiche Planungsleistungen zu unterschiedlichen Kosten erbringen können. Es ist nicht einzusehen, wieso eine kleine, kostengünstige Firma den Trumpf ihrer geringen Kosten nicht ausspielen darf und wieso eine Bauherrschaft davon nicht profitieren soll.

Grosse Firmen haben normalerweise hohe Fixkosten. Ihre ganze Infrastruktur ist aufwendig und teuer (Management, Firmensitz, Informatik etc.). Wenn man den betriebswirtschaftlich notwendigen jährlichen Umsatz auf alle Beschäftigten aufteilt, kommt man typischerweise auf Werte zwischen 150 000 und 200 000 Fr. pro Person.

Bei einem Einpersonenbüro sieht die Rechnung ganz anders aus. Hier fallen wesentlich weniger Kosten an. Der Inhaber arbeitet vermutlich mit einem billigen PC. Akquisition macht er in der Freizeit durch gesellige und politische Aktivitäten. Vielleicht muss er nicht einmal Miete bezahlen, wenn sich sein Büro im eigenen Wohnhaus befindet. Gemäss einer alten Faustregel reicht es einem Alleinarchitekten gut zum Leben, wenn er pro Jahr (neben ein paar Kleinaufträgen) etwa zwei Aufträge für Einfamilienhäuser abwickeln kann. Er kommt so auf einen Umsatz von 120 000 bis 150 000 Fr.

Vergleichen wir nun die Umsatzzahlen. Im grossen Büro ist der jährliche Umsatz pro Mitarbeiter mit angenommen 160 000 Fr. vielleicht einen Drittel höher als im Kleinbüro mit 120 000 Fr. Die Löhne und die Qualifikation der Leute, die effektiv die Projektarbeit besorgen, sind jedoch in beiden Fällen etwa gleich. Die teurere Infrastruktur des Grossbüros ist allerdings nur bei grossen Projekten nötig. Bei kleineren Aufträgen jedoch bringt sie kaum einen Vorteil gegenüber der Kleinfirma, was sich direkt auf die Rentabilität der Projekte auswirkt.

 

  • Grosse Büros legen bei Kleinaufträgen drauf

In Grossbüros müssen die Projekte schon recht gross sein, damit sie rentieren. Gemäss meinen Erfahrungen liegt die Gewinnschwelle ganz grob bei etwa 250 000 Fr. Honorarsumme. Wenn das Honorar kleiner ist, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass das Architekturbüro draufzahlt. Dies gilt insbesondere für Einfamilienhäuser, wo das Honorar üblicherweise in einer Bandbreite von etwa 50 000 Fr. bis 100 000 Fr. liegt (siehe Abschnitt «Honorarfragen Einfamilienhaus» im Kapitel 8). Ganz selten ist ein derartiges Projekt kostendeckend. Ich kenne Fälle, wo ein Architekturbüro für ein Luxushaus 100 000 Fr. Honorar erhalten, aber für über 200 000 Fr. Aufwand getrieben hat. Durchschnittlich dürften bei Einfamilienhäusern die Kosten für das grosse Architekturbüro etwa 20 bis 30% höher sein als das erhaltene Honorar. Es gibt Firmen, die sich daher nach Möglichkeit gar nicht mit unrentablen Kleinprojekten wie Einfamilienhäuser befassen. Das Augenmerk von grossen Firmen gilt ganz eindeutig den grossen Projekten. Hier kommen ihre Stärken voll zur Geltung.

Grosse Firmen dürfen sich nur dann ernsthaft auf Kleinprojekte einlassen, wenn sie dafür eine separate Organisation aufbauen mit kompromisslos günstigen Kosten. Unter dieser Voraussetzung haben sie ähnliche Chancen wie ihre kleinen Konkurrenten.

 

  • Bei Kleinfirmen ist kein Auftrag zu klein

Wenn eine grosse Firma bei der Planung eines Einfamilienhauses draufzahlt, muss das noch lange nicht für ein kleines Büro gelten. Hier kann jeder Auftrag rentabel sein, und sei er noch so klein. Normalerweise liegt die typische Auftragsgrösse von Kleinstbüros unterhalb der Schwelle, wo das Grossbüro erst anfängt, Geld zu verdienen und nicht draufzulegen.

Es ist ein Grundgesetz der Betriebswirtschaft, dass sich ein Anbieter nicht gleichzeitig auf grosse und kleine Aufträge spezialisieren kann. Diese Tatsache bestätigt sich auch in der Planungsbranche. Wer für bestimmte Aufgaben effizient sein will, muss seine gesamte Organisation darauf ausrichten. Das betrifft die Führung, die Art des Vorgehens oder die technischen Hilfsmittel. Wenn ein Planungsbüro also für grosse Aufgaben gut eingerichtet ist, dann zielt es bei Kleinaufträgen mit Kanonen auf Spatzen. Kleinfirmen mit extrem günstiger Kostenstruktur jedoch können selbst Kleinstaufträge kostendeckend abwickeln.

 

  • Ausblick

Die Zukunft begünstigt eher die kostengünstigen Kleinfirmen. Da Umbauten und Sanierungen die Märkte der Zukunft sind, wird vermutlich der Anteil der kleineren Aufträge zunehmen. Gleichzeitig wird aber auch die Anzahl der kleinen und kleinsten Planungsfirmen ansteigen. Ursache dafür sind die Überkapazitäten im ganzen Planungsbereich. Viele Fachleute werden sich notgedrungen selbständig machen müssen und allein oder in kleinen Gruppen um Aufträge kämpfen. Ein kleiner Auftragskuchen mit vielen kleinen Aufträgen und ein Überangebot an Planungsfirmen wird die Preise längerfristig gedrückt halten. Die besten Karten in diesem Verdrängungswettbewerb dürften kostengünstige Kleinfirmen haben.

Fazit: Honorare müssen sich im Markt bilden

Aus den beiden Thesen können wir ein gemeinsames Fazit ziehen. These 1 legt den Schluss nahe, dass die Honorarformel bei Grossprojekten zumindest unzuverlässig ist. Aus These 2 ergibt sich, dass sie auch bei Kleinprojekten etwas fragwürdig ist, weil unterschiedlich grosse Firmen zu unterschiedlichen Kosten arbeiten können. Gesamthaft kann daher die Empfehlung nicht abwegig sein, bei Honorarverträgen den Markt entscheiden zu lassen, welches das angemessene Honorar sei. Bei den Vertragsverhandlungen ist somit eine gewisse Konkurrenz nötig.

Der Entscheid des SIA, seinen Mitgliedern die Anwendung der SIA-Honorarordnung 102 ff. nicht mehr vorzuschreiben und insbesondere auf die Preisbindung beim Kostentarif zu verzichten, ist daher zweifellos zu begrüssen.