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Die renommierten Architekten

In diese Hauptgruppe gehören die Architekten, die ein gewisses Renommee haben, wenn auch teilweise nur in bestimmten Kreisen. Vielfach bauen sie ausserhalb der angestammten Region oder sogar, wie es heute im Zeitalter von Fax und Internet modisch geworden ist, in anderen Ländern und Kontinenten. Ihre Werke werden in Architekturzeitschriften ausgiebig dargestellt und interpretiert. Die renommierten Architekten setzen sich aus verschiedensten Fraktionen zusammen, die sich gelegentlich herzlich befehden.

 

  • Pragmatische Baukünstler

Das sind Architekten, die bei einem breiten Publikum beliebt sind und von Laien wie Fachleuten als Meister ihres Faches betrachtet werden. Sie haben ihren oft unverwechselbaren Stil und gewinnen viele Wettbewerbe. Die von ihnen entworfenen Gebäude lassen sich problemlos nutzen und gefallen sogar dem gewöhnlichen Volk. Etwas gelehrter ausgedrückt, sind bei ihren Bauprojekten Form, Funktion und Konstruktion in einem harmonischen Verhältnis gleichwertig berücksichtigt.

Es gibt recht viele pragmatische Baukünstler, wie ich die allseits anerkannten Meister bezeichnen will. Namentlich erwähnen kann ich in dieser Schrift aus verständlichen Gründen allerdings nur ganz wenige. Ich beschränke mich auf einige typische Vertreter aus drei ausgewählten Städten. In Zürich dürften Theo Hotz und die Architektin Tilla Theus dazugehören. In der Region Basel ist das Architektenpaar Steib ein gutes Beispiel. Die international Erfolgreichen Herzog & de Meuron sind für das normale Volksempfinden vielleicht schon eine Spur zu radikal. In Bern sind es weniger Einzelpersönlichkeiten, sondern grössere Architekturbüros, welche die Szene prägen. Zu nennen sind etwa Itten + Brechtbühl oder das legendäre Atelier 5.

In Fachkreisen geniesst letzteres höchste Anerkennung. Seine Halen-Siedlung bei Bern aus den Jahren 1959-1961 ist für Architekturbegeisterte einer der bekanntesten neueren Wallfahrtsorte überhaupt in der Schweiz. Für einen Teil des Publikums baut dieses Architekturbüro allerdings zuwenig heimelig. Die Leute vom Atelier 5 haben selber die Vermutung geäussert, dass höchstens 10% der Leute mögen, was sie tun («Das Magazin», Beilage zum Tages-Anzeiger, Zürich, Nr. 36/95).

Noch ein Wort zu Mario Botta. Es ist eine glatte Untertreibung, ihn als Angehörigen der Gruppe der pragmatischen Baukünstler zu bezeichnen. Wenn man ihn einordnen wollte, müsste man eine Ueberklasse der Superstars bilden. Botta ist in der zeitgenössischen Architekturszene ein absolutes Phänomen, dessen Portrait möglicherweise dereinst als dritter Schweizer Architekt nach Borromini und Le Corbusier eine Banknote zieren wird.

 

  • Dogmatische Baukünstler

Bei dieser exklusiven Gruppe von Architekten, die aus verschiedenen rivalisierenden Denkschulen besteht, kommt die Form weit vor der Konstruktion. Dogmatische Baukünstler, wie wir sie bezeichnen, haben die Kunst des Bauens durchaus studiert mit heisser Müh' und kennen sich in der Architekturgeschichte bestens aus. Viele sind auch in philosophischen, soziologischen, linguistischen, psychologischen oder politischen Fragen bewandert. Je nach Denkschule richtet sich die Theorie des Bauens nach unterschiedlichen obersten Prinzipien. Angeführt werden derartige avantgardistische Architekturströmungen von Lehrmeistern, die von ihren Jüngern und einigen eingeweihten Laien tief verehrt werden. Sie reisen Tausende von Kilometern, um die Werke ihrer Idole zu besichtigen. Auch die Theoretiker der Architekturzeitschriften haben ihre helle Freude an ihnen. In der fachlichen Diskussion wird eine Sprache gepflegt, die Aussenstehende kaum verstehen, nicht einmal akademische Architekten mit anderen Weltanschauungen.

Es ist einigermassen verständlich, dass bei diesem Tiefgang der Weltbetrachtung das profane Handwerk des Bauens etwas leiden muss. Ein Guru wie der 1997 verstorbene italienische Architekturprofessor Aldo Rossi beispielsweise hat sich gar nicht erst mit konstruktiven und bautechnischen Dingen abmühen mögen. «Die Architekten, die sich mit der Technik des Fliesenlegens oder den Einzelteilen einer Metallverkleidung beschäftigen, scheinen mir archaisch. Und wenn ein Architekt die Realisierung seines Projektes zentimetergenau kontrollieren muss, (..), dann ist er ein bisschen beschränkt und hat sicher keine sehr grosszügige Sicht auf seine eigene Architektur» (Werk, Bauen + Wohnen; 10/1993; Seite 12). Bei dieser Geringschätzung der praktischen Belange hat er sich ausdrücklich auf Architekten der Renaissance wie Alberti und Michelangelo berufen. Alberti (Universalgenie und Architekt; 1404-1472) ist einer der Pioniere für die einsetzende Spezialisierung der Architektentätigkeit gewesen. Der gestalterisch-künstlerische Teil der Arbeit, die Projektierung, hat sich damals allmählich losgelöst vom eher handwerklichen und somit weniger prestigeträchtigen Rest (Konstruktion und Bauleitung).

Es gibt in der aktuellen Architekturszene allerdings noch sehr viel radikalere Vertreter als Rossi, der konstruktiv interessierte Architekten als «archaisch» und «beschränkt» bezeichnet hat. Eine Modeströmung aus neuerer Zeit verfolgt ausdrücklich das Ziel, mit sämtlichen Regeln anerkannter Bautechnik zu brechen. Hier führt die Baukunst ein Eigenleben unbeeinflusst von Material und Konstruktion. Ein Beispiel dafür ist der New Yorker Architekturprofessor Peter Eisenman, der an den renommiertesten amerikanischen Universitäten ausgebildet worden ist. Akribisch hat Eisenman die Architektur der letzten Jahrhunderte erforscht und ist zum Ergebnis gekommen, dass man heute ganz anders bauen müsse. Ein Kritiker umschreibt den neuen Weg wie folgt: «Die architektonische Konsequenz aus diesen Analysen bedeutet für Eisenman das Ende der 'Komposition', die immer auf ein Ziel gerichtet ist. An deren Stelle tritt die 'Modifikation' als eine Art 'Taktik mit offenem Ausgang', eine Architektur die 'Geschriebenes' ist, ohne Ursprung, ohne Zweck, sogar ohne Objekt, willkürlich und vernunftlos.» (Tages-Anzeiger, Zürich, 19. Juni 1995, Seite 59). - Der Nunotani-Geschäftssitz in Tokio (1990-1992) gibt einen Eindruck davon, wie ein derartiges «willkürliches und vernunftloses» Bauprojekt aussehen kann.

Als Kuriosum sei erwähnt, dass manchmal auch die Benutzbarkeit zurückstehen muss, wenn dogmatische Baukünstler ihre Werke realisieren. Einem Architekturprofessor einer schweizerischen Hochschule passierte es, dass seine Frau in das fertige Einfamilienhaus nicht einziehen wollte. Er zuckte nur mit den Schultern. Ihn hat das nicht erschüttert, die Kunst geht schliesslich vor.

Gesamthaft gesehen kann man die Werke der Dogmatiker in nicht wenigen Fällen als Bereicherung unserer phantasielosen Welt betrachten. Wer Freude an reiner Kunst hat, ist mit ihnen gut bedient. Wer allerdings günstig bauen will, und in diesem Buch geht es vor allem darum, lässt lieber die Finger von ihnen. Bei den Dogmatikern geht es primär um Kunst, das Technisch-Konstruktive des Bauens kommt an zweiter Stelle oder ist gar völlig irrelevant. Überall in der Wirtschaft setzt aber ökonomisches Handeln eine tiefe Auseinandersetzung mit den Gesetzen von Herstellung und Konstruktion bereits bei der Entwicklung voraus. Es gibt keinen Grund, wieso das nicht auch beim architektonischen Entwurf so sein soll.

 

  • Reine Künstler

Die reinen Künstler sind an sich eine Untergruppe der dogmatischen Baukünstler. Im Unterschied zu jenen sind sie aber nicht ausgebildete Architekten, sondern Maler, Bildhauer, Fotografen, Werbefachleute und dergleichen. Weil sie keine Ahnung vom praktischen Handwerk des Bauens haben, behaupten sie in der Regel auch nicht, dass all das nebensächlich sei. Sie haben im Gegenteil einen gewissen Respekt davor.

Es ist verblüffend, wie wenig solche Künstler-Architekten, die zudem oft noch mit grossen Aufträgen gesegnet sind, zuweilen vom Bauen verstehen. Schon fast komisch ist das Beispiel einer wirklich sehr bekannten Koryphäe, deren Name ich besser nicht nennen will. Dieser Künstler-Architekt hat sich einmal bei einem seiner Mitarbeiter erkundigt, wie man eine Bodenplatte herstelle. Er könne sich den Bauvorgang einfach nicht erklären. Eine Bodenplatte, dies als Hinweis für Laien des Baugewerbes, ist ein scheibenartiges Fundament, befindet sich zuunterst in der Baugrube und trägt das ganze Gebäude. Sie wird hergestellt, indem man den Beton direkt auf einen vorgängig planierten Untergrund giesst. Der Künstler-Architekt jedoch hat gemeint, dass man (wie bei einer gewöhnlichen Betondecke) zuerst eine Holzschalung verlege, die man nach dem Betonieren wieder herausnähme. Das möchte er wirklich einmal sehen ...

Eine gewisse Vorsicht ist selbstverständlich angebracht bei den reinen Künstlern, da sie von Konstruktion und Kosten nichts verstehen. Wenn sie aber gute Mitarbeiter haben, kann unter Umständen auch unter ökonomischen Gesichtspunkten ein immer noch brauchbares Gesamtresultat herausschauen.

 

  • Akademische Konstrukteure

Diese Gruppe stellt das pure Gegenteil der Dogmatiker und insbesondere der Dekonstruktivisten dar. Wirklich ästhetisch ist für diese Architekten nur, was gut konstruiert ist und in allen Punkten den Regeln der Bautechnik entspricht. Bauen ist eine exakte Wissenschaft, die die meisten an einer Hochschule studiert haben (allerdings trifft man auch auf begnadete Autodidakten). Bei akademischen Konstrukteuren ist jedes Detail durchdacht. Pfusch dulden sie nicht. Wirklich perfekt ist ein Bau erst, wenn alle Eckprobleme sauber gelöst sind, insbesondere die einspringenden Ecken. Vielfach verwenden sie Bausysteme. Als Massordnung dienen Raster, und zwar Bandraster. Wenn akademische Konstrukteure mit Sichtbackstein bauen, dann gibt es beim Fugenbild keine Unregelmässigkeiten. Bei extremen Vertretern ist es nicht einmal zulässig, Plättli im Badezimmer zu schroten. Installationen führen sie vielfach sichtbar aus, seien es die Elektroverteilung im Inneren des Gebäudes oder Abluftrohre aussen an der Fassade, die dem Bauwerk den zarten Charakter einer Erdölraffinerie geben. Fenster sind immer gut proportioniert, beispielsweise im Goldenen Schnitt, allenfalls auch quadratisch mit 3% Überhöhung. Wenn die Fenster Sprossen oder Kämpfer haben, dann sind diese nie auf Augenhöhe.

Vertreter dieser Gruppe von Architekten gibt es gehäuft in Deutschland, denn die deutsche Gründlichkeit hat auch ihre Entsprechung beim Bauen. Mein geschätzter ehemaliger Hochschullehrer an der ETH, Professor Helmut Spieker, ist einer von diesen. Das Bausystem für die Universität Marburg, das er mitentwickelt hat, ist ein Musterbeispiel sorgfältiger Konstruktion. Die strenge Konsequenz industrieller Vorfertigung führt beispielsweise im Innenbereich zu Vierfachstützen.

Auch Italien hat interessante Vertreter dieser Denkschule, allen voran Renzo Piano. Frankreich dagegen neigt eher der grossen Geste zu und der barocken Üppigkeit. Die wirklichen Maestros der High-Tech-Architektur jedoch dürften aus Grossbritannien stammen: Ove Arup bei den Ingenieuren und Norman Foster bei den Architekten. In der Schweiz sind die begnadeten Konstrukteure nicht so stark verbreitet. Am bekanntesten ist vermutlich Theo Hotz aus Zürich mit seinen wunderbaren Glaspalästen.

Was technisch perfekt ist, muss keineswegs immer auch günstig sein. Manchmal übertreiben die akademischen Konstrukteure und zelebrieren Technik als (teuren) Selbstzweck. Das Centre Pompidou in Paris ist ein besonders krasses Beispiel dafür.

 

  • Sparkünstler

Wirklich beglückend ist für diese Gruppe nicht primär die Beschäftigung mit gestalterischen Fragen (obwohl sie auch diese meisterhaft beherrschen), sondern das Lösen einer Bauaufgabe mit minimalen Mitteln. Dabei unterscheiden sie sich deutlich von den Spekulanten und Abzockern, die billigste Bauten mit ungenügender Nutzbarkeit in die Landschaft stellen. Was die Sparkünstler entwerfen, ist völlig durchdacht und hat Hand und Fuss. Kostenmässig sind alle Potentiale genutzt. Wirklich alle.

Die Vertreter dieser Gruppe findet man schwergewichtig im Wohnungsbau. Die wohl bekannteste Firma unter den Sparkünstlern ist das Architekturbüro Metron in Brugg mit seinen berühmten Spar-Wohnsiedlungen.

 

  • Anbieter von Spezialitäten

In diese Kategorien gehören Firmen, die für bestimmte Bauaufgaben ein überdurchschnittliches Mass an Wissen und Erfahrung mitbringen. Die Spezialisierung kann beispielsweise ausgerichtet sein auf die Industrie, das Gesundheitswesen, Banken und Versicherungen und weiteres mehr. Die Anbieter trachten danach, bezüglich Know-how ständig an der Spitze zu bleiben. Vielfach gehen die Dienstleistungen weit über die traditionellen Architektentätigkeiten hinaus. Ein Industriebauspezialist beispielsweise deckt nicht nur die eigentliche Bauplanung ab, sondern erbringt für Fabriken auch die Betriebsplanung oder für Lagergebäude die Logistikplanung.

Zu den Anbietern von Spezialitäten darf man auch die Pioniere zählen, die mit grossem Engagement und in zäher Kleinarbeit die Technik der passiven und aktiven Sonnenenergienutzung entwickelt haben.

 

Soweit der Versuch, eine gewisse Struktur in die grosse Menge der Architekturbüros zu bringen. Die Gruppen, die wir identifiziert und herausgefiltert haben, zeichnen sich durch gemeinsame Werthaltungen oder Arbeitsprinzipien aus. Die Einteilung ist natürlich plakativ. Die Liste hat nicht mehr als den Zweck, allfällige Kunden dafür zu sensibilisieren, wie unterschiedlich die Ziele sein können, die Architekten bei ihrer Arbeit verfolgen.