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Vom uneinheitlichen Berufsstand der Architekten

Die Architekten gehören zu den sogenannten freien Berufen. Freiberufliche erbringen häufig ziemlich hochwertige und vielfach auch gutbezahlte Dienstleistungen. Sie arbeiten nicht in internationalen Unternehmen oder Fabriken, sondern in Kanzleien, Ateliers und Praxen.

Einige der traditionellen freien Berufsstände werden streng überwacht. Dazu zählen beispielsweise Aerzte und Rechtsanwälte. Die Zulassung zum Beruf sowie das Verhalten während der Berufsausübung sind strikte geregelt. Ganz anders ist es bei den Architekten. Die Ausbildung ist in keiner Art und Weise vorgeschrieben. Auch für das Verhalten existieren (wenigstens in den meisten deutschsprachigen Kantonen) vorwiegend Ratschläge, aber kaum Regeln. Es verwundert deshalb nicht, dass die Bandbreite unter den Leuten, die sich alle Architekten nennen, aussergewöhnlich gross ist. Es gibt kaum einen anderen Beruf, der ein derartiges Spektrum aufweist.

Es besteht nicht nur ein grosses Gefälle im Wissen und Können, zusätzlich kommt hinzu, dass Bauen in vieler Hinsicht eine Ansichtssache ist. Viele Architekten sehen sich als Künstler und schliessen sich Denkschulen an, die sich teilweise nicht besonders mögen. Es gibt heftige Animositäten selbst unter den Professoren und den Stars der Branche.

Im folgenden wollen wir versuchen, eine (vielleicht nicht immer ganz ernst zu nehmende ...) grobe Ordnung in das grosse Feld der Anbieter von Architekturleistungen zu bringen. Wir bilden vorerst zwei Hauptgruppen: die regional tätigen Architekten und die renommierten Architekten.

Die regional tätigen Architekten

In der Schweiz gibt es Tausende von Architekturbüros. Sie bilden eine ausgesprochen kleingewerbliche Branche mit einer durchschnittlichen Firmengrösse von lediglich etwa vier Personen. Der weitaus grösste Teil der Büros ist nur regional bekannt und meistens auch nur regional tätig. Aus dieser heterogenen Hauptgruppe greifen wir einige typischen Vertreter heraus.

 

  • Guteidgenössische Normalarchitekten

Darunter versteht man die ganz gewöhnlichen Dorf- oder Quartierarchitekten. Sie leisten solide, vielfach unauffällige Arbeit. Bei ihnen weiss man, was man hat. Kostenvoranschläge halten sie im Normalfall ein, und ihre Gebäude haben wenige Bauschäden.

Sie unternehmen viel, um zu Aufträgen zu kommen. Sie unterhalten beste Beziehungen zu Auftraggebern aller Art, wovon ein grosser Anteil Stammkunden sind. Sie sind Mitglied in verschiedenen Vereinen aus Sport und Kultur, oft auch aktiv in der Politik. Wenn zwei oder mehrere Partner das Büro gemeinsam betreiben, betätigen sie sich idealerweise in verschiedenen Parteien. Als Belohnung resultieren immer wieder öffentliche Aufträge. Speziell attraktiv ist ein Verwaltungsratsmandat in der örtlichen Sparkasse.

Gegengeschäfte aller Art müssen sie häufig eingehen, namentlich solche mit lokalen Handwerkern. Manchmal beteiligen sie sich auch an Projekten, die von Handwerkergruppen auf eigene Rechnung realisiert werden. Dies bringt es zwangsläufig mit sich, dass mit einigen Handwerkern besonders enge Bande bestehen.

Die Dorf- oder Quartierarchitekten sind keine Dogmatiker. Kompromissen aller Art sind sie nicht abgeneigt, speziell nicht bei der architektonischen Gestaltung. Ziel ist immer, dass die Kirche im Dorf bleibt.

 

  • Geschäftlimacher

Ziel ist bei diesen Architekten das schnelle Geschäft (und das schnelle Geld) und nicht die seriöse Arbeit. Geschäftlimacher sind häufiger verbreitet als man glaubt und nicht immer auf den ersten Blick von seriösen Dorf- oder Quartierarchitekten zu unterscheiden.

Im Zentrum steht fast immer der Handel von Bauland. Damit sichern sie sich die Aufträge, die sie sonst aufgrund des dürftigen Leistungsausweises nie bekommen würden. Architektur- und Handwerkerverpflichtungen sind bei ihren Geschäften praktisch die Regel. Die Bauherrschaft ist dadurch vertraglich weitgehend an sie gebunden und kann nicht jederzeit aussteigen wie aus einem gewöhnlichen Architektenauftrag.

Zu den Geschäftlimachern zählen nicht nur Geschäftsleute mit der Berufsbezeichnung Architekt, die gemerkt haben, welches Geld man mit dem Bodenhandel verdienen kann. Es kann auch eine kleinere Bauunternehmung zu dieser Gruppe gehören, die sich eine mager dotierte Planungsabteilung zulegt, um Aufträge für die Baumeistertätigkeit hereinzuholen. Die Uebergänge zu Marktakteuren, die sich selber nicht Architekten nennen, sind daher fliessend. Einige bezeichnen sich vielleicht als Generalunternehmer.

Warnung! In der Gruppe der Geschäftlimacher wimmelt es von Scharlatanen. Derartige Architekten, falls man sie überhaupt so bezeichnen will, können sich gegenüber den Auftraggebern alles erlauben, weil die Bauherren vertraglich von ihnen abhängig sind. Das klassische Architektenhandwerk betreiben sie vielfach absolut jämmerlich. Die Gestaltung ist völlig trivial und die Bauleitung liederlich. Mit einer Unverfrorenheit ohnegleichen zocken sie überrissene Honorare für ungenügende Leistungen ab.

Es ist verblüffend, wie schnodderig Geschäftlimacher mitunter vorgehen. Ich erinnere mich an einen Bauherrn, der sich von einem Landhändler-Architekten ein Einfamilienhaus hat erstellen lassen. Den Entwurf hat der Bauherr praktisch selber gemacht. Ohne viel zu ändern, hat der Architekt die Skizze gleich in einen Ausführungsplan im Massstab 1:50 umgesetzt ohne die Zwischenstufen über Vorprojekt und Bauprojekt, wie sie im Bauwesen seit Urzeiten üblich sind. Detailpläne hat er keine gezeichnet. Der Bauherr hat auf der Baustelle mit dem Zimmermann selber schauen müssen, wie die Balkenlage des Estrichbodens ausgeführt werden kann. Für seine absolut lausige Leistung hat der Architekt selbstverständlich das volle Honorar gemäss der SIA-Honorarordnung 102 (Kostentarif) kassiert.

Auch wenn die Geschäftlimacher sich in der Regel durch Ködergeschäfte mit Boden auszeichnen, darf man daraus nicht schliessen, dass für Bauherren alle Verpflichtungen gefährlich seien, die bei Immobiliengeschäften gelegentlich eingegangen werden müssen. Es gibt durchaus auch seriöse Anbieter von Bauland mit Architektur- oder GU-Verpflichtungen. Der Verfasser selber hat einige Jahre bei einem Generalunternehmer-Architekten gearbeitet, der qualitativ gute Wohnbauten zu durchaus fairen Pauschalpreisen verkauft hat.

 

  • Generalstabs-Architekten

Die Generalstabs-Architekten sind ein Spezialfall der Dorf- und Quartierarchitekten. Die straffe Führung steht bei ihnen im Vordergrund. Ein paar Wochen pro Jahr führen sie ein Regiment, die restliche Zeit ein Architekturbüro mit vielleicht zwanzig Angestellten. Bei dieser Firmengrösse ist der Chef noch nahe an der Front ... pardon: nahe an der eigentlichen Arbeit. So kommen die Vorteile militärischer Zuverlässigkeit besonders gut zum Tragen. Der Auftraggeber darf erwarten, dass effizient gearbeitet wird.

Als ausgemusterter Dienstpflichtiger, der das Militär als «Gewöhnlicher» nur aus der Froschperspektive kennt, kann man mir eine überbordende Sympathie zur Armee gewiss nicht vorwerfen. Trotzdem darf ich feststellen, dass ich persönlich mit Generalstäblern beim Bauen gute Erfahrungen gemacht habe. Sie fackeln nicht lange und zerreden alles. Sie packen an und realisieren zielstrebig die ihnen anvertrauten Projekte.

 

  • Lokale Anbieter von Spezialitäten

Darunter verstehen wir Architekten, die sich aus irgendeinem Grund von den normalen Dorfarchitekten unterscheiden. Sie pflegen beispielsweise einen ausgefallenen Baustil, den man sofort erkennt. Oder sie spezialisieren sich auf die sorgfältige Restaurierung von alten Bauten, auf ökologische Architektur und weiteres mehr. Einige dieser Spezialisten sind Lebenskünstler. Sie leben für ihre Überzeugungen und Passionen. Antrieb für ihr berufliches Wirken ist mehr die Aufgabe an sich und erst in zweiter Linie das Geld, das sie damit verdienen.

Unter den hier beschriebenen Spezialisten findet man hervorragende Fachleute. Sie leisten überdurchschnittliche Arbeit zu einem angemessenen Preis. Eine gewisse Vorsicht ist bei der Auswahl allerdings angebracht. Bei einigen ist das Engagement für gute Lösungen zwar durchaus vorhanden, es fehlt ihnen allerdings etwas an den kaufmännischen und organisatorischen Fähigkeiten. Mir sind diverse Projekte bekannt, wo die Bauherren mit der Effizienz der Auftragsabwicklung nicht zufrieden gewesen sind oder die zu hohen Baukosten bemängelt haben. Die umsichtige Bauherrschaft ist daher gut beraten, sich über diese Punkte vor der Auftragserteilung zu informieren.

 

  • Anti-Architekten

Diese Mitspieler im Bau-Business sind zwar als Architekten tätig (vielleicht sind sie sogar als Architekten ausgebildet), sie interessieren sich jedoch überhaupt nicht für die Kerntätigkeit aller wahren Architekten: die Gestaltung. Sie können gar nicht entwerfen. Vielfach wehren sie sich mit Händen und Füssen dagegen. Entscheide gestalterischer Art schieben sie wenn immer möglich auf die Bauherrschaft ab. Aus ihrer Sicht werten sie das positiv: die Bauherrschaft könne echt mitreden. In Wirklichkeit ist es so, dass der Auftraggeber im Normalfall den Entwurf selber machen muss.

Der Bauherr eines Einfamilienhauses hat sich mir gegenüber einmal bitter beklagt über seinen Architekten. Zuerst habe er, der Bauherr, sein Haus selber entworfen. (Erstaunlicherweise hat er sich darüber nicht einmal besonders gewundert). Allerdings wäre es das mindeste gewesen, wenn der Architekt anschliessend eine gewisse Linie in den Entwurf gebracht hätte. Aber in gestalterischer Hinsicht habe er praktisch nichts von ihm erhalten. Der einzige Beitrag des Architekten sei der Vorschlag für einen Rundbogen über der Türe zwischen Wohn- und Esszimmer gewesen ...

Mehr darf man von Anti-Architekten tatsächlich nicht erwarten.

 

  • Ehrgeizige Newcomer

Das sind junge Architekten mit Ambitionen, die über einen gewissen lokalen Bekanntheitsgrad herauskommen wollen. Der Weg zum Ruhm ist allerdings dornenvoll. Man trifft auf viele Hungerleider, die nur spärlich mit Aufträgen gesegnet sind. Einige sind in gestalterischen Fragen kompromisslos. Lieber verzichten sie auf einen Auftrag, als (aus ihrer Sicht) unakzeptable Kompromisse einzugehen. Sie erklären klar und deutlich, was die Rolle des Architekten sei. Notfalls bewahren sie den Bauherrn auch vor seinem eigenen schlechten Geschmack.

Ehrgeizige Newcomer zeichnen sich durch regelmässige Teilnahme an Architektenwettbewerben aus. Dafür arbeiten sie Tag und Nacht, immer in der Hoffnung, dass eines Tages der grosse Durchbruch kommt.