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Beispiel 3: Pflichtenheft Fabrik

Bei einem Industrieunternehmen kann die Definition eines Bauvorhabens und die Erstellung des Pflichtenheftes eine höchst anspruchsvolle Aufgabe sein. Betrachten wir anhand eines Beispiels einen typischen Ablauf.

Ausgangslage

Stellen wir uns ein alteingesessenes Industrieunternehmen der Maschinenbranche in einer mittleren Schweizer Stadt vor. Mit 400 Angestellten wird eine Marktnische bearbeitet, die von den Grossen der Branche vernachlässigt wird. Weil die Ausdehnungsmöglichkeiten beschränkt sind, ist in der Vergangenheit bereits ein Teil der Aktivitäten an Entlastungsstandorte ausgelagert worden. Der historische Ursprung der Firma ist aber immer noch weitaus am bedeutendsten. Dem Firmenareal sieht man die lange Geschichte an. Von den Pionierbauten aus der Gründerzeit des 19. Jahrhunderts bis zu Werkerweiterungen der Neuzeit findet man alles. Die 40 000 m2 Nutzfläche sind auf rund zwanzig Gebäude verteilt. Die betrieblichen Abläufe und der Materialfluss sind an einzelnen Stellen alles andere als optimal.

Eines schönen Tages ist es soweit: die Auftragslage ist erfreulich, und die Firma platzt aus allen Nähten. An vielen Stellen der Produktion klemmt es gleichzeitig. Man braucht dringend mehr Platz. Aber wo schafft man die neuen Flächen, und was bringt man dort unter? Das ist die Traumausgangslage für eine umfassende baulich-betriebliche Gesamtplanung. Erst mit dem Ergebnis dieser Studie kann sinnvollerweise ein Bauprojekt ausgelöst werden.

Eine Gesamtplanung schafft Klarheit

Bei einer baulich-betrieblichen Gesamtplanung geht es grundsätzlich darum, die langfristigen Raumanforderungen mit den Möglichkeiten des Standortes optimal in Übereinstimmung zu bringen. Sie umfasst normalerweise vier Planungsschritte.

 

  • Schritt 1: Planungsgrundlagen

In einem ersten Schritt werden die Planungsgrundlagen systematisch erarbeitet und zusammengestellt. Dabei ist es unerlässlich, dass man die betrieblichen Abläufe sehr genau kennt (Produktionsprogramm, kritische Prozesse, Materialfluss etc.).

Beispiel einer Planungsgrundlage (Segmentierung der Produktion einer Fabrik)

 

  • Schritt 2: Raumprogramm

Die zweite Teilaufgabe einer Gesamtplanung ist die Abschätzung des zukünftigen Flächenbedarfs. Grundlage für die Prognose dieses Bedarfs ist die angestrebte geschäftliche Entwicklung. Da diese wie jede Prognose unsicher ist und relativ stark schwanken kann, arbeitet man häufig mit Szenarien. Für die gewählten Szenarien der Geschäftsentwicklung werden nun die Raumanforderungen möglichst plausibel ermittelt. Dabei berücksichtigt man alle absehbaren technischen und organisatorischen Trends. Je nach Art der Raumnutzung (Produktion, Büros, Lager etc.) wendet man dabei ganz unterschiedliche Methoden an. Das Resultat dieser zweiten Teilaufgabe ist ein Raumprogramm, das auf dem sicheren Fundament der Unternehmensstrategie ruht.

 

  • Schritt 3: Masterplan

Die dritte wichtige Teilaufgabe ist die Erarbeitung eines sogenannten Masterplanes (Gesamtbebauungsplanes) für den Standort. Grundlage aller Baumassnahmen auf grösseren Arealen soll nämlich ein Leitbild für die langfristige bauliche Entwicklung sein. Damit ist gewährleistet, dass auch der Vollausbau noch allen betrieblichen Anforderungen entspricht. Der Masterplan regelt nicht nur die sinnvolle Anordnung der Bauvolumen, sondern enthält auch Konzepte für die Infrastruktur (Medienversorgung, Verkehr etc.). Bei der Erarbeitung werden die Ausbaumöglichkeiten des Areals sorgfältig untersucht, und die vorhandene Bausubstanz wird im Hinblick auf eine weitere Nutzung beurteilt.

 

  • Schritt 4: Projektdefinition

In der letzten und anspruchsvollsten Teilaufgabe der Gesamtplanung geht es darum, das konkrete Bauvorhaben zu definieren. In einem unter Umständen mehrstufigen Verfahren wird diejenige Lösungsvariante ausgewählt, die den Anforderungen am besten entspricht. Mit dem ausgewählten Lösungskonzept (siehe Grundrissplan und Arbeitsmodell auf der nächsten Seite) ist das Bauvorhaben in den Grundzügen definiert. Das Projekt ist zwar noch roh und ungeschliffen, aber es ist da.

Projektdefinition einer Fabrikerweiterung: Grundrissplan mit grober Angabe der Nutzung

 

Für die Fabrik in diesem Beispiel, die in zwanzig Gebäuden untergebracht ist und zuwenig Platz hat, kann das definierte Projekt in einem Satz wie folgt umrissen werden:

«Die Endmontage für die Produktelinien A und B sowie die Oberflächenbearbeitung werden in einen Neubau am Standort xy mit 6 000 m2 Bruttogeschossfläche ausgelagert.»

Das Pflichtenheft

Als Abschluss der Projektdefinition wird häufig ein Bericht erstellt, der das definierte Investitionsprojekt in der nötigen Genauigkeit beschreibt. Dieses Dokument fasst die wichtigsten Resultate aus der Phase der Projektdefinition zusammen und dient als Pflichtenheft für die nachfolgende Bauplanung.

 

Inhalt eines Pflichtenheftes für ein Fabrikprojekt (Beispiel)

Grundlagen und Randbedingungen
  • Zusammenstellung der wichtigsten betrieblichen Planungsgrundlagen
    (Hinweis: die Details sind in einem separaten Bericht enthalten)
  • bauliche Randbedingungen (Baugesetz, Anforderungen der Behörden, Baugrund etc.)
  • Masterplan Firmenareal (inkl. Infrastruktur)
  • zukünftige Erweiterungsmöglichkeiten bis zum Vollausbau
Ausgewählte Lösung
  • Darstellung des Bauvorhabens mit Plänen (Grundrisse, Schnitte)
  • grobe Angabe der Nutzung (Blocklayouts für alle Geschosse)
  • Erläuterungen zum Konzept
  • Hinweise für die weitere Bearbeitung
  • Begründung für die Wahl der Lösung
  • Abschätzung der Investitionen; Kennwerte von Vergleichsobjekten
  • etappenweise Realisierung
Weiteres Vorgehen
  • Budgetantrag für die nächste Planungsphase
  • Wahl der Planer
  • Projektorganisation
  • Terminplan