Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Printausgabe Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

Mit dem Pflichtenheft sind die Baukosten weitgehend bestimmt

Es ist nicht allen Bauwilligen bewusst, dass mit dem Pflichtenheft der Investitionsrahmen für ein Bauprojekt weitgehend bestimmt ist. Dies gilt auch dann, wenn man noch gar nie über die Kosten gesprochen hat und somit gar keine Kostenangabe im Pflichtenheft steht. In diesem Fall sind die Kosten zwar nicht bekannt, aber trotzdem in der Höhe schon festgelegt. Während der Umsetzung des Pflichtenheftes (Raumprogramms) in ein Bauprojekt können sie nur noch in einer relativ engen Bandbreite beeinflusst werden.

In diesem Abschnitt befassen wir uns zunächst mit unterschiedlichen Methoden der Kostenangabe im Pflichtenheft: der Kostenlimite und der Kostenschätzung. Anschliessend fragen wir uns, welches Kostensparpotential bei der Projektdefinition besteht - falls überhaupt.

Kostenlimiten

Grundsätzlich soll die Bauherrschaft anstreben, im Pflichtenheft den zulässigen Investitionsbetrag vorzuschreiben, mit oder ohne Toleranzband. Der Idealfall ist die Kostenlimite. Sie darf, was immer auch passieren mag, nicht überschritten werden. Weniger verpflichtend ist das Kostenziel, das die Planer zwar anstreben sollen, bei dem aber ein gewisser Spielraum besteht (meist nach oben).

 

  • Einfache Fälle

Relativ genaue Kostenvorgaben kommen am ehesten bei weitgehend standardisierten Bauprojekten in Frage, wo die (sachkundige) Bauherrschaft auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann. Dazu zählt namentlich das bedeutende Marktsegment des Wohnungsbaus.

Ein typisches Beispiel einer Kostenlimite findet man bei Alterswohnungen. Hier sind die Kosten sehr häufig begrenzt. Alterswohnungen werden nämlich vom Bund im Rahmen der Wohn- und Eigentumsförderung (WEG) nur dann unterstützt, wenn sie (neben vielen anderen Bedingungen) auch gewisse Kostenlimiten einhalten. Die maximalen Kosten sind somit festgelegt (sofern die WEG-Unterstützung beansprucht werden soll), bevor an einem Projekt der erste Strich gezeichnet ist.

 

  • Komplexe Fälle

Eine Kostenlimite kann auch bei komplexen Bauvorhaben festgelegt werden, wo für die Kosten oft keine Erfahrungswerte vorliegen. Die Limite wird ermittelt, indem man für die Bauaufgabe eine sogenannte Testplanung durchführt. Man arbeitet also zuerst ein Test-Vorprojekt aus und ermittelt anschliessend für dieses mit einer genügend genauen Methode (meistens der Elementmethode) die Kosten.

Testplanungen sind relativ aufwendig. Der Arbeitsaufwand ist vergleichbar mit der Ausarbeitung eines Vorprojektes. Das Verfahren wird gelegentlich bei Architektenwettbewerben angewendet, indem die Kostenlimite aus der Testplanung als Messlatte dient für die (kostenmässige) Beurteilung der Wettbewerbsbeiträge. Bei normalen Projektdefinitionen werden keine Testplanungen durchgeführt.

Grobkostenschätzungen

Sofern keine (verbindlichen) Limiten vorgegeben sind, werden die mutmasslichen Kosten im Rahmen der Projektdefinition in der Regel grob abgeschätzt. Basis dafür ist häufig das Raumprogramm. Das frühere Beispiel eines Verwaltungsgebäudes mit 38 Arbeitsplätzen zeigt, dass es zu einer Grobkostenschätzung nicht einmal Planskizzen braucht, sofern man über die notwendigen statistischen Unterlagen verfügt (siehe Absatz «Grobe Abschätzung der Anlagekosten»).

Wie genau sind Grobkostenschätzungen zum Zeitpunkt der Projektdefinition? Man kann zwei Arten von Unsicherheiten unterscheiden, die sich überlagern.

 

  • Unsicherheit 1

Zum Zeitpunkt der Projektdefinition sind viele kostenbeeinflussenden Randbedingungen und Anforderungen noch zuwenig genau bekannt. Dazu gehören etwa: Topographie, Erschliessung, Baugrund, Vorschriften der Behörden und dergleichen mehr. Auch das lokale Baukostenniveau ist eine recht grosse Unsicherheit.

 

  • Unsicherheit 2

Zusätzlich ist die Effizienz der planerischen Umsetzung der Vorgaben im Pflichtenheft ungewiss. Für ein gegebenes Raumprogramm sind sehr unterschiedliche Bauprojekte möglich. Die Kosten können daher, je nach der kostenmässigen Effizienz von Entwurf und Konstruktion, in einer gewissen Bandbreite schwanken.

 

Diese beiden Quellen der Unsicherheit führen dazu, dass Kostenschätzungen auf der Grundlage des Pflichtenheftes weniger genau sind als später auf der Basis des Bauprojektes. Je nach Bauaufgabe liegt die Genauigkeit bei +/- 15% bis +/- 25%, vielleicht sogar bei +/- 30%. Nur ein Teil dieser Unsicherheit ist durch die Planung beeinflussbar, nämlich der Entwurf und die Konstruktion. Der andere Teil hat Ursachen, die ausserhalb des Einflussbereiches von Planern und Bauherrschaft liegen.

Kann man bei der Projektdefinition Kosten sparen?

Wer sich an der industriellen Welt orientiert, wird diese Frage verneinen. Pflichtenhefte als Resultate der Projektdefinition sind in der Industrie anspruchsvolle Vorgaben für neue Marktleistungen. Sie haben viel mit Marketing und strategischen Entscheiden zu tun.

Wenn die Autofirma Mercedes ein Pflichtenheft für die Entwicklung eines neuen Modells der gehobenen Mittelklasse aufstellt, sind die Anforderungen marketingmässig sehr genau abgeklärt. Sparen an den Kernanforderungen des Pflichtenhefts kann man nicht, ohne das anvisierte Marktsegment zu verlassen. Es kommt beispielsweise überhaupt nicht in Frage, den sorgfältig dimensionierten Innenraum des Autos zu verkleinern oder den kräftigen Motor weniger leistungsfähig zu konzipieren. Ein Mercedes der C-Klasse mit einem Motörchen eines Kleinwagens ist kein Mercedes mehr. Sparen, und zwar mit aller Entschlossenheit, muss man an ganz anderen Orten: bei der Konstruktion, beim Einkauf, bei der Fertigung und vielen weiteren Dingen.

Ähnlich, wenn auch nicht ganz so radikal, ist es im Bauwesen. Das Pflichtenheft (Raumprogramm) ist definitionsgemäss als Vorgabe der Bauherrschaft zu betrachten. Dabei geht man von der Annahme aus, dass bei der Formulierung der im Pflichtenheft enthaltenen Wünsche die Kostenfolgen bekannt sind. Allerdings ist das nicht immer der Fall. Es kann somit tatsächlich die Gefahr bestehen, dass sich Wünsche ins Pflichtenheft einschleichen können, die nicht gewollt sind. Diese, aber nur diese sind Objekte von möglichen Einsparungen am Pflichtenheft. Schauen wir uns am Beispiel eines Einfamilienhauses eine zulässige und eine nicht zulässige Sparmassnahme näher an.

 

  • Beispiel 1

Wenn ein erfolgreicher Devisenhändler einer Bank (ein sogenannter GoldenBoy) für sein Einfamilienhaus eine Wohnhalle von 60 m2 will, ist das zwar gross, entspricht aber vermutlich den Ansprüchen dieses mit materiellen Gütern reich gesegneten Bauherrn. Selbstverständlich kann man einen Wohnraum kleiner machen. Das Wohnzimmer der Mietwohnung des Autors beispielsweise ist nur rund 15 m2 gross. Wir dürfen aber nicht von einer Sparmassnahme sprechen, wenn wir die Wohnhalle des Devisenhändlers verkleinern möchten: Es ist vielmehr eine Aufforderung, von seinem angestrebten Wohnstandard abzurücken.

 

  • Beispiel 2

Etwas anders gelagert ist die Frage, ob für ein Einfamilienhaus eine Unterkellerung nötig ist. Vielfach wird dies, ohne dass man sich viel dabei denkt, eher gewohnheitsmässig so gewünscht. Wohnhäuser sind aber sehr gut ohne Keller denkbar. In Holland etwa, wo der Grundwasserspiegel fast überall sehr hoch ist, baut man Wohnhäuser ohne Keller. In unseren Breitengraden könnte man sich dies, als Sparmassnahme, durchaus ebenfalls überlegen. Der Keller ist nämlich vielfach nicht aufgrund klarer Bedürfnisse, sondern nur der Macht der Gewohnheit folgend ins Raumprogramm gerutscht.

Aus dem zweiten Beispiel kann man lernen, wie ein Pflichtenheft abzufassen ist. Es soll nach Möglichkeit so formuliert werden, dass die bauliche Lösung damit nicht präjudiziert wird. Man darf also nicht verlangen, dass das ganze Gebäude zu unterkellern sei, wenn ein Keller nicht ausdrücklich verlangt ist. Typische Kellerfunktionen wie Heizen, Waschen und dergleichen können durchaus auch ausserhalb eines Kellers untergebracht werden.

 

  • Spezialfall öffentliche Hand

Es gibt einige wichtige Ausnahmen zum oben formulierten Prinzip, dass man am Pflichtenheft (Raumprogramm) nicht sparen könne. Die wohl bedeutendste betrifft die Bauvorhaben der öffentlichen Hand. Oeffentliche Bauten zeichnen sich dadurch aus, dass es unterschiedliche Personen sind, die bestellen und bezahlen. Die Nutzer (Beamte, Kommissionen, Politiker etc.) bestellen, die Steuerzahler bezahlen. Es liegt auf der Hand, dass Besteller, die nicht ihr eigenes Geld ausgeben, oft nicht allzu stark auf die Kosten schauen. Es ist daher bei vielen öffentlichen Bauvorhaben möglich, das Raumprogramm zu straffen oder die qualitativen Anforderungen zu reduzieren.