Bis etwa zum Jahr 2000 werden im Bauplanungsgewerbe die Honorare von Architekten und Ingenieuren nach einer Jahrzehnte alten Formel berechnet. Das Honorar ist abhängig von der Bausumme und bemisst sich nach einem Tarif, dem so genannten «Kostentarif».
Im Zuge der Liberalisierung der Wirtschaft in den neunziger Jahren geraten Kartelle aller Art unter Druck und damit auch der «Kostentarif». Die Wettbewerbskommission WEKO verlangt bei den Bauplanerhonoraren mehr Wettbewerb. Der SIA kommt nicht darum herum, ein neues Honorarmodell zu entwickeln. Im Jahre 2003 präsentiert er das neue, kartellrechtlich unbedenkliche Zeitaufwandmodell.
Während bei der alten Honorarformel «nach Tarif» das Honorar von fünf Faktoren abhängig gewesen ist und in einem einzigen Rechengang hat ermittelt werden können, muss es nun vorkalkuliert werden. Zuerst wird der Zeitaufwand für die Planungsarbeit abgeschätzt. Die ermittelten Stunden werden dann mit den Stundensätzen der einzusetzenden Mitarbeitenden multipliziert. Gesamthaft gibt es ab 2003 acht Faktoren, die bei der Ermittlung des Honorars zu berücksichtigen sind (nach der erneuten Revision von 2014 sind es sogar neun Faktoren: B, p, n, q, r, U, i, s, h).
Auf Druck der WEKO darf der SIA nicht mehr eine offizielle Liste der Stundenansätze veröffentlichen. Gewisse Anhaltspunkte über marktgängige Verrechnungssätze können aber einer Liste entnommen werden, die bei Aufträgen für die öffentliche Hand wegleitend ist. Es handelt sich dabei um die Stundenansätze der Bau- und Liegenschaftsorgane des Bundes (KBOB).
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Gemäss meinen Erfahrungen stehen bei nicht professionellen Bauherrschaften auf dem Gebiet des Honorarwesens folgende Fragen im Vordergrund:
— Markthonorar Wie hoch ist das Markthonorar für eine bestimmte Planerleistung? Welchen Verhandlungsspielraum hat die Bauherrschaft? Wie geht sie vor, um den Markt spielen zu lassen?
— Architektenarbeit aufteilen
Wie lässt sich die Architektenarbeit aufteilen? Diese Frage stellt sich etwa dann, wenn die Bauherrschaft bereits eine Entwurfsarchitekten hat, dieser aber selber keine Bauausführung (Bauleitung) betreibt. Wie geht man hier vor? Welcher der beiden Vertragspartner (Entwurfs- resp. Ausführungsarchitekt) ist in welcher Phase der Chef des Planungsteams (Gesamtleiter)? Wie werden die Schnittstellen im Detail geregelt?
— Bonus für kostengünstiges Bauen
Wie geht man vor, wenn man den Architekten für ein kostengünstiges Bauen motivieren will? Man kommt nicht darum herum, dafür selber ein massgeschneidertes Konzept zu entwickeln: das Pauschalhonorar mit Bonus für die Unterschreitung eines Kostendachs. Für sachkundige (oder sachkundig vertretene) Bauherren ist das Bonussystem ein sehr effizientes Modell, mit dem sich die Baukosten in erheblichem Masse beeinflussen lassen. Für Laien ist es allerdings nicht einfach in der Anwendung.
Eine anschauliche Geschichte über die Tücken einer unglücklichen Bonusvereinbarung befindet sich im Buch «Böse Geschichten vom Bauen» (Autor: Hans Röthlisberger, Verlag Finanz und Wirtschaft AG, Zürich; 2005). >> Mehr ...
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