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Faktor s (Sonderleistungen)

Der Faktor s für Sonderleistungen ist (nomen est omen) ein sonderbarer Faktor. Er ist in der Honorarformel des Zeitaufwandmodells (Art. 7 SIA 102 ff.) von 2003 neu in Erscheinung getreten. Vergleichbare Präzisierungen zum Honorar findet man zwar schon in der vorhergehenden Honorarordnung. Allerdings sind sie dort in einem unscheinbaren Artikel (Art. 7.1 Abs. 7 SIA 102; Ausgabe 2001) untergebracht und bringen es nicht zur Prominenz eines eigenen Honorarfaktors.

Der Faktor s hinterlässt eine gewisse Ratlosigkeit. In Art. 7.12 SIA 102 (Ausgabe 2003) wird nämlich postuliert, dass der Architekt für besonders hochwertige Leistungen ein höheres Honorar vereinbaren könne und dass dafür der Faktor s zu verwenden sei. Im Gegensatz zum Anpassungsfaktor r geht es also nicht um äussere Einflüsse, sondern um die Arbeitsleistung des Architekten an und für sich.

Ein höheres Honorar des Architekten sei insbesondere dann zu vertreten, wenn die Arbeiten «besondere Kenntnisse voraussetzen, einen wesentlichen kulturellen Beitrag erbringen, für den Auftraggeber grosse wirtschaftliche oder funktionale Vorteile hervorbringen (mehrwertbringend bei gleichen Baukosten, baukostenreduzierend bei gleichem Nutzen, betriebskostenreduzierend, bauzeitreduzierend)».

In der Praxis habe ich noch nie gesehen, dass für den Faktor s ein anderer Wert als 1.0 angewendet worden ist. (Das heisst aber nicht, dass er in Geschäftssegmenten, bei denen ich keinen Einblick habe, nicht dennoch gebraucht wird). Ich könnte also getrost darauf verzichten, überhaupt auf ihn einzutreten. Es ist mir aber ein Anliegen, meine Vorbehalte gegenüber dem Faktor s näher auszuleuchten.

  • Vorbehalt 1: Anwendung unklar

Die Bedingungen für ein Mehrhonorar sind wenig präzise formuliert. Ich frage mich, ob man damit in der Praxis viel anfangen kann. Meiner Meinung nach sind die aufgelisteten Kriterien für Mehrhonorare zudem eher Grundanforderungen, die ein Architekt erfüllen muss, damit eine Auftragserteilung überhaupt in Betracht gezogen werden kann. Ich hätte beispielsweise Bedenken, einen Architekten zu verpflichten, der für die Aufgabe nicht «besondere Kenntnisse» mitbringt, sei es für ein Mehrfamilienhaus, ein Hochregallager oder ein Spital. Ich setze auch voraus, dass die Aufgabe in funktionaler Hinsicht möglichst gut gelöst wird und dass die Baukosten optimiert sind, denn die meisten Investoren haben beim Bauen ja die gleichen Ziele: Sie wollen möglichst «grosse wirtschaftliche und funktionale Vorteile».

Die unscharfen Kriterien sind besonders darum problematisch, weil es beim Faktor s nicht um kleine Beträge geht, sondern um einen Zuschlag auf das Honorar von bis zu 50%. Dabei ist das Honorar bei einer schwierigen Aufgabe schon dadurch erhöht, indem der Schwierigkeitsgrad n in der Honorarformel entsprechend gewählt wird (bis n = 1.3). Nach welchen Kriterien ist jetzt, nachdem die Schwierigkeit mit dem Faktor n schon berücksichtigt ist, ein weiterer Zuschlag angebracht? Und wie hoch soll dieser sein?

  • Vorbehalt 2: Faktor s ist ein Störelement

Die neue Honorarformel des Zeitaufwandmodells zeichnet sich an und für sich durch ihre Klarheit und Transparenz aus: Zuerst wird das Stundenbudget ermittelt (Schritte 1 und 2), dann erfolgt die Multiplikation mit den Stundensätzen (Schritt 3). Das Honorar berechnet sich also aus Stunden mal Stundensatz. Der Faktor s ist in dieser Formel ein Störelement. Ist er so zu interpretieren, dass mit ihm die Stunden nach oben korrigiert werden? Oder der Stundensatz?

  • Schlussbemerkungen zum Faktor s

Gesamthaft gesehen scheint mir die Idee mit dem Faktor s für Sonderleistungen nicht ausgereift zu sein. Ich bezweifle daher, dass er in der Praxis jemals mehr als nur marginale Bedeutung erlangen wird.

Die Vorbehalte gegenüber dem Faktor s bedeuten aber keineswegs, dass exzellente Leistungen von Planerseite her nicht auch exzellent entschädigt werden dürfen. Dafür gibt es aber einen viel einfacheren Weg: den Stundenansatz h. Wieso hat man nicht diese naheliegende Lösung gewählt?

Betrachten wir dazu ein Beispiel. Nehmen wir an, ein Bauherr wolle sich eine Villa bauen lassen, und zwar von einem bekannten Architekturbüro, das international bedeutende Wettbewerbe gewinnt. Aus kommerziellen Gründen hat das Architekturbüro den Villenauftrag nicht nötig. Die angebotene Leistung hat denn auch ihren Preis. Für die Honorarkalkulation wird die neue Honorarformel herangezogen (mit n = 1.2; i = 1.0), woraus sich der Zeitaufwand ergibt. Das Besondere am Angebot sind die eingesetzten Stundenansätze. Während diejenigen von Bauleiter und Bauzeichner weitgehend branchenüblich sind (also im Bereich von 100–120 Fr. pro Stunde), beträgt derjenige des Entwurfsarchitekten ein Mehrfaches davon, nämlich 320 Fr. pro Stunde. – Der potentielle Bauherr, interessiert an höchster Entwurfsqualität, wird sich am Angebot kaum stören.

Im gesamten Dienstleistungsbereich hat Qualität ihren Preis. Die besten Unternehmensberater finden ihre Kunden, auch wenn sie doppelt so teuer sind wie die Konkurrenz. Wieso soll das nicht auch im Bauplanungsgewerbe gelten? Wieso darf ein überdurchschnittlicher Entwurfsarchitekt nicht auch einen überdurchschnittlichen Stunden- oder Tagesansatz einfordern? Dann kann man sich auch die mühsamen Diskussionen ersparen, die unweigerlich folgen, wenn man sich auf den Faktor s einlässt und sich darüber einig werden muss, ob der Architekt überhaupt «einen wesentlichen kulturellen Beitrag» erbringt.

Stundenansatz h

Der Stundenansatz h als letzter der zu besprechenden Honorarfaktoren ist bis zur grossen Revision der Honorarberechnung 2003 nur für den Zeittarif verwendet worden. Es hat sich dabei um eine Form der Honorierung nach dem effektiven Zeitaufwand gehandelt (Art. 7 SIA-Honorarordnungen 102 ff; Ausgabe 1984), welche vor allem bei kleineren Bauvorhaben angewendet worden ist. Ab dem Jahr 2003 findet der Honorarfaktor des Stundenansatzes h nun auch Eingang in die neue Honorarformel des Zeitaufwandmodells. – Bei den meisten Bauaufgaben von privaten Bauherrschaften dürfte für die Honorarkalkulation die Differenzierung des Stundenansatzes in 3–5 Qualifikationskategorien ausreichen. In der Praxis wird oft auch nur der (gewichtete) mittlere Stundenansatz eingesetzt.

  • Stundenansätze «nach SIA» nicht mehr publiziert

Bis zum Jahr 2002 hat der SIA jeweils jährlich eine Liste mit Stundenansätzen publiziert, differenziert nach Qualifikationskategorien. Nach der Intervention durch die WEKO ist die Publikation untersagt worden, was bedeutet, dass die Bauplaner seither ihre Stundenansätze selber kalkulieren müssen.

Die Stundenansätze sind abhängig von der Kostenstruktur der Planungsbüros. Massgebend sind somit in erster Linie die Löhne der Mitarbeitenden, aber auch Nebenkosten wie Mieten, technische Infrastruktur (EDV etc.), Telefon, externe Dienstleistungen (Buchhaltung etc.) und dergleichen fliessen in die Kalkulation ein. Wie in der übrigen Wirtschaft dürfte auch bei Bauplanern gelten, dass grosse Planungsbüros dank ihres Overheads eher höhere Stundenansätze haben als kleinere.

  • Stundenansätze nach KBOB (für den Zeitaufwand)

Auf Nachfragerseite gibt es nach wie vor eine frei zugängliche Liste mit Stundenansätzen, herausgegeben von der KBOB (Koordinationskonferenz der Bau- und Liegenschaftsorgane der öffentlichen Bauherren). Siehe dazu die nachfolgende Tabelle. In der linken Spalte sind ausgewählte Qualifikationskategorien (Funktionen) aufgeführt (gemäss Art. 6.2 Abs. 5 SIA 102; Ausgabe 2003). Die maximalen Stundenansätze sind dem unterhalb der Tabelle angegebenen Dokument der KBOB entnommen (Stichjahr 2012) und beziehen sich ausdrücklich auf die Honorierung nach dem effektiven Zeitaufwand (Art. 6 SIA 102; Ausgabe 2003). Sie sollten also nicht bei der Honorarberechnung nach den Baukosten («Zeitaufwandmodell») angewendet werden (Art. 7 SIA 102; Ausgabe 2003).

Beispiel für die Berechnung des mittleren Stundenansatzes durch den anbietenden Architekten (alle Werte ohne MWSt.)

  • Mittlerer Stundenansatz nach BKOB: Achtung!

Man findet in der oben angegebenen Quelle der KBOB auch eine Angabe zu einem mittleren Stundenansatz. Dieser bezieht sich aber auf die Honorierung eher kleinerer Projekte im Zeitaufwand (Art. 6 SIA 102; Ausgabe 2003; Honorarberechnung nach dem effektiven Zeitaufwand). Für das Stichjahr 2012 beträgt der «Mittelansatz pro Arbeitsstunde für Planungsgruppen» 160 Fr. pro Stunde (exkl. MWSt.).

In einer Fussnote ist im KBOB-Dokument ausdrücklich angegeben, dass dieser Wert nicht anzuwenden sei bei der Honorierung nach den Baukosten. Für das Zeitaufwandmodell (Art. 7 SIA 102; Ausgabe 2003; Honorarberechnung nach den Baukosten) ist er somit nicht geeignet, da der angegebene Mittelansatz pro Arbeitsstunde zu hoch ist.

Im freien Markt liegt der mittlere Stundenansatz denn auch deutlich unter den oben angegebenen 160 Fr. Zurzeit (Stand 2012) bewegt er sich mehrheitlich im Preisband 100–120 Fr.

  • Spezialfall Stundenansatz Einpersonenfirma

In der Bauplanungsbranche gibt es nicht wenige Kleinstbüros, die nur aus einer Person bestehen. Das können selbständige Allroundarchitekten oder Bauleiter sein, aber auch Subauftragnehmer aller Art (z.B. Entwurfsarchitekten). Wo liegt deren Preisuntergrenze?

Beispiel für die Kalkulation des Stundenansatzes einer Einpersonenfirma

Im Beispiel wird der Stundenansatz eines Architekten ermittelt, der pro Jahr 2 150 Stunden arbeitet, was für einen Selbstständigen keineswegs untypisch ist (45 Wochen x 48 Std.). Wir nehmen an, dass davon 1 750 Std. direkt produktiv sind (gute Auftragslage). Bei einem angestrebten Jahresumsatz von 140 000 Fr. ergibt dies einen Stundenansatz von 80 Fr. Er kommt so auf ein jährliches Bruttoeinkommen (vor Sozialabzügen etc.) von rund 100 000 Fr.

>> zum Inhaltsverzeichnis – Kapitel 2, Honorarfragen


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