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Faktor q (Leistungsanteil)

Mit dem Leistungsanteil q wird das Honorar dem Leistungsumfang des Architekten für den konkreten Auftrag angepasst. Vielfach ist nämlich nicht die gesamte Leistung gemäss Leistungstabelle zu erbringen, sondern nur ein Teil davon. Auf einer Tabelle weiter vorne haben wir dafür ein Beispiel kennengelernt (Leistungen eines Baumanagers).

Im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Familie der SIA-Honorarordnungen 102 ff. bei der Publikation des Leistungsmodells (Ordnung SIA 112) im Jahre 2001 (also zwei Jahre vor der Einführung des Zeitaufwandmodells 2003) haben sich beim Faktor q (Leistungsanteil) interessante Änderungen ergeben. In Anbetracht der Fokussierung auf die Bauausführung in diesem Buch sind die Gewichtsverschiebungen aufschlussreich. Da die neue Leistungstabelle samt Prozentwerten der Ausgabe 2001 unverändert in die Ausgabe 2003 übernommen worden ist, können wir uns nachfolgend auf die Ausgabe 2003 beziehen.

Die unten abgebildete Tabelle gibt Aufschluss über die Neugewichtung der Prozentwerte für die Leistungsanteile in der aktuellen SIA-Honorarordnung 102 (Ausgabe 2003) im Vergleich zur alten Ausgabe von 1986.

  • Methodische Aspekte des Vergleichs

Die alte Leistungstabelle (Ausgabe 1986) kann nicht direkt mit der neuen Leistungstabelle (Ausgabe 2003) verglichen werden, da sie nicht miteinander kompatibel sind. Der grundsätzliche Aufbau ist unterschiedlich, die verwendeten Begriffe sind nicht identisch. Um dennoch zu einem Resultat zu kommen, habe ich mich am grundsätzlichen Aufbau der neuen Leistungstabelle (Ausgabe 2003) orientiert. Die Leistungen sind in der Spalte 1 aufgeführt, allerdings mit pragmatisch verwendeten Begriffen. Teilwiese wird die Bezeichnung der Teilphase verwendet (Vorprojekt; Inbetriebnahme, Abschluss), mehrheitlich sind jedoch die einzelnen Leistungsbereiche aufgeführt (z.B. bei den Detailstudien).

Nun zum Vergleich mit der alten Leistungstabelle (Ausgabe 1986). In vielen Fällen sind Vergleiche gut möglich, auch wenn teilweise andere Begriffe verwendet werden. In der Ausgabe 1986 ist zum Beispiel von provisorischen Ausführungsplänen die Rede, in der Ausgabe 2003 jedoch von Ausschreibungsplänen. Teilweise sind die Vergleiche aber heikel. Ein Beispiel ist der Terminplan, der in der Ausgabe 1986 noch eine eigenständige Teilleistung mit einem ausgewiesenen Prozentwert ist (1%), in der Ausgabe 2003 jedoch nicht mehr.

Vergleich der Prozentwerte in den Leistungstabellen (alte Ausgabe von 1986 / neue Ausgabe von 2003)

Anmerkungen
— Grundsätzliches zu den methodischen Aspekten des Vergleichs: siehe Text
— Prozentwerte 1986: gemäss Art. 3.6 SIA 102 (Ausgabe 1986)
— Prozentwerte 2003: gemäss Art. 7.9 SIA 102 (Ausgabe 2003)

  • Gewichtsverschiebungen

Die Veränderungen der Gewichte wollen wir etwas genauer betrachten. Wir interessieren uns für die Auswirkungen auf die beiden hauptsächlichen Tätigkeitsgebiete der Architekten: Planung (Projektierung und Planerstellung, einschliesslich Gesamtleitung) auf der einen Seite, Ausführung (Kostenwesen und Bauleitung) auf der anderen Seite. Es fällt auf (siehe Tabelle), dass das Gewicht des Planungsteils zunimmt (von 54.0 auf 59.5 Prozent) und dasjenige des Ausführungsteils in gleichem Masse abnimmt (von 46.0 auf 40.5 Prozent). Die Zuordnung der Gewichtsveränderungen zu den beiden Gebieten stammt von mit und kann nicht immer eindeutig vorgenommen werden. Zudem ist sie teilweise etwas vereinfacht. Beim Vorprojekt könnte man zum Beispiel argumentieren, dass ein Teil der zu erbringenden Leistungen dem Kostenwesen zuzuordnen ist. Die ausgewiesene Differenz von 5.5 Prozentpunkten ist deshalb mit einer gewissen Unsicherheit behaftet. Der Trend jedoch ist klar: Die Planung kostet mehr, die Ausführung weniger.

Die neue Leistungstabelle mit den Prozentwerten der SIA-Honorarordnung 102 (Ausgaben 2001 und 2003) habe ich erstaunt zur Kenntnis genommen – gefühlsmässig hätte ich genau das Gegenteil erwartet.

  • Überschätzter Einfluss der Informatik

Bei meiner Vermutung bin ich davon ausgegangen, dass vor allem die Informatik die Architektenarbeit verändert hat. Dies hat sie in den Jahren seit 1986 zweifellos auch getan: Ihr Rationalisierungseffekt hat sich auf beide Teile der Architektenarbeit ausgewirkt, die Planung und die Ausführung.

Betrachten wir zuerst den Planungsbereich. Hier ist das Zeichnen der Pläne mit CAD effizienter geworden. Gründe dafür sind etwa das Verwenden von Bauteilbibliotheken oder das leichte Erstellen von Varianten aus bestehenden Vorlagen. – Aber auch bei der Ausführung spielt der Rationalisierungseffekt. Besonders der Bereich Kostenplanung und Kostenüberwachung hat sich enorm verändert und ist ohne Informatik kaum mehr denkbar. Die Baubuchhaltung ist heute tagesaktuell, und Berichte aller Art können einfach erstellt werden.

Kaum rationeller geworden ist jedoch die eigentliche Bauleitung, das tägliche Koordinieren der Bauarbeiten auf der Baustelle. Im Vergleich zu früher ist mehr oder weniger der gleiche zeitliche Aufwand erforderlich. Manchmal hat man den Eindruck, dass der Aufwand sogar noch grösser geworden ist. Grund dafür ist der schleichende Zerfall der Arbeitsethik auf den Baustellen. Man trägt weder besonders Sorge zur Arbeit der anderen, noch kümmert man sich genug um die eigene. Mit all dem muss sich der Bauleiter herumschlagen, und das braucht Zeit: für Kontrollen, Mängelrügen, Anordnungen etc.

Gesamthaft gesehen ist somit der Rationalisierungseffekt der Informatik bei der Planung eher grösser als bei der Ausführung. Falls also die Informatik der entscheidende Faktor für die Veränderung der Architektenarbeit gewesen wäre, hätte das Gewicht der Planung abnehmen und dasjenige der Ausführung zunehmen müssen; das Gegenteil ist aber eingetreten. – Es muss also noch andere Ursachen geben für die Gewichtungsverschiebung.

Die folgende Liste enthält einige mögliche Gründe für die merkwürdige Gewichtungsverschiebung innerhalb der Architektenarbeit zugunsten der Planung und zulasten der Ausführung.

    • kompliziertere architektonische Gestaltung (bis hin zum «Dekonstruktivismus»)
    • mehr Planungsaufwand bezüglich Energie, Akustik etc.
    • erhöhtes Gewicht der Gesamtleitung (u.a. Koordination sämtlicher beteiligter Planer; siehe Art. 3.4 SIA 102, Ausgabe 2003)
    • aufwendigere Baubewilligungsverfahren
    • mehr und aufwendigere Darstellungen mit CAD (z.B. Animationen)
    • Planung über grosse Distanzen (Reisezeit; Koordinationsaufwand für Planergemeinschaften)
  • Mögliche Auswirkungen auf die Bauausführung

Erfahrene Inhaber von Architekturbüros, die sich mit dem Honorarwesen gut auskennen, beurteilen das Ertragspotential der Bauausführung (v.a. der Bauleitung) als bescheiden. Damit lässt sich nicht das grosse Geld verdienen. Was dagegen rentiert ist die Projektierung. Dies dürfte denn auch einer der Gründe sein, wieso sich heute Architekturbüros vermehrt nur noch als «Planfabriken» betätigen und gar keine Bauleitung mehr anbieten. Da die Bauausführung mit der neuen SIA-Honorarordnung 102 (Ausgabe 2003) schlechter honoriert wird als früher, dürfte das Honorarwesen vermutlich nicht dazu beitragen, dass dieser Trend sich in Zukunft wendet.

Faktor r (Anpassungsfaktor)

Mit dem Anpassungsfaktor kann das Honorar nach oben wie nach unten angepasst werden, wenn besondere Umstände dies erfordern. Im Artikel 7.10 SIA 102 (Ausgabe 2003) werden einige Anlässe aufgelistet. Ohne spezielle Vereinbarung beträgt der Anpassungsfaktor 1.0.

In der Praxis am wichtigsten dürfte der Umbauzuschlag sein (Artikel 7.16 SIA 102; Ausgabe 2003). Auch bei der sogenannten Gesamtbeauftragung (Art. 7.19 Abs. 4 SIA 102; Ausgabe 2003) soll der Anpassungsfaktor angewendet werden (Zuschlag für die Übernahme der Gesamtverantwortung). Inwieweit dieser Zuschlag (früher Generalplaner-Zuschlag genannt) in der Praxis allerdings durchsetzbar ist, ist eine andere Frage. – Ein weiteres denkbares Einsatzgebiet des Anpassungsfaktors ist gemäss SIA-Honorarordnung 102 die Wiederholung von Bauten (Art. 7.17 SIA 102; Ausgabe 2003).

Faktor i (Teamfaktor)

Der Teamfaktor i ist das neuste Mitglied in der Familie der Honorarfaktoren. Wie bereits früher ausgeführt, hat er das Licht der Welt erst mit der Einführung des Zeitaufwandmodells (Art. 7 SIA 102 ff.) 2003 erblickt.

Die Erläuterungen zum neuen Teamfaktor i sind in der SIA-Honorarordnung 102 von 2003 sehr kurz gehalten. «Mit dem Faktor i wird die teamspezifische Abweichung vom durchschnittlich aufzuwendenden Zeitaufwand für das Erbringen der vereinbarten Leistung prognostiziert. Der Faktor ist kein Mass für die Qualität der Leistung. Abweichungen vom Werte 1 = 1.0 sind zu begründen» (Art. 7.11 SIA 102; Ausgabe 2003).

Innovation Teamfaktor i Mit dem Teamfaktor i wird die traditionelle Honorarkalkulation des Bauplanungsgewerbes mit einem neuen Gesichtspunkt erweitert. Man geht nicht mehr a priori davon aus, dass alle Anbieter gleich produktiv sind, sondern akzeptiert Unterschiede: Es gibt effizientere Teams und weniger effiziente. Der Preis einer Planungsleistung hängt nun nicht mehr fast ausschliesslich von der Planungsaufgabe an und für sich ab (sowie von den vermutlich nicht allzu stark voneinander abweichenden Stundenansätzen), sondern auch davon, wie gut sich der Anbieter organisiert. Effiziente Teams zeichnen sich durch Merkmale wie die folgenden aus:

    • gute Teamführung
    • viel Erfahrung innerhalb des Teams; spezifisches Know-how
    • hohe Entscheidungsfreudigkeit
    • kleine Teamgrösse; wenige interne Schnittstellen
    • gute Hilfsmittel und technische Einrichtungen

Möglicherweise haben wir den Teamfaktor i der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) zu verdanken. Ich weiss nicht, wie die Verhandlungen zwischen ihr und dem SIA im Hinblick auf die Konzeption eines kartellverträglichen Honorierungsmodells abgelaufen sind, darum sei es mir erlaubt, zu spekulieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Teamfaktor i ein wichtiger Diskussionspunkt gewesen ist. Der Faktor i wäre in diesem Sinne der Beitrag der WEKO zum neuen Zeitaufwandmodell.

Der SIA hätte den Faktor vermutlich am liebsten weggelassen. Traditionell ist ihm nämlich viel an einem Leistungswettbewerb gelegen, aber nur wenig an einem Preiswettbewerb. Die Honorarberechnung anhand des «durchschnittlichen Zeitaufwandes Tm» gemäss Schritt 1 der neuen Honorarformel (Art. 7.2 SIA 102; Ausgabe 2003) hätte dem Leitbild des reinen Leistungswettbewerbs ganz gut entsprochen. Dann wären nämlich alle Angebote, nur leicht differenziert durch die etwas variierenden Stundensätze, vergleichbar hoch gewesen.

Mit dem Teamfaktor i herrscht nun im Bauplanungsgewerbe wie in den meisten anderen Wirtschaftszweigen ein Wettbewerb der Produktivität.

  • Beobachtungen zur Anwendung in der Praxis seit 2003

Die ersten Jahre nach der Einführung des Zeitaufwandmodells im Jahre 2003 ist der Teamfaktor i in der Praxis kaum in Erscheinung getreten. Dies ist auch nicht verwunderlich. Da die neue Honorarformel des SIA in dieser Zeit zu tiefe Werte für den durchschnittlichen Zeitaufwand Tm ausgewiesen hat (siehe dazu die Erläuterungen zum Faktor p), hat es auch keinen Anlass gegeben, beim ohnehin zu knappen Zeitbudget noch eine Korrektur anzubringen. Die Nichtbeachtung des Faktors i ist in Einzelfällen so weit gegangen, dass man ihn ganz weggelassen hat: Ich habe mehrere Honorarkalkulationen gesehen, in denen er in der Honorarformel nicht einmal vorgekommen ist.

In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Teamfaktors i allerdings etwas zugenommen, wahrscheinlich bedingt durch die markante Anhebung der p-Faktoren, welche im Zeitraum 2003 bis 2012 um die 30% betragen hat. Nun deckt der durch die Honorarformel ausgewiesene durchschnittliche Zeitaufwand TM den effektiv zu erwartenden Zeitaufwand auch ab. Die Architektenschaft hat erkannt, dass noch Luft in der Kalkulation ist. Somit besteht das Potential für die Anbieter, den auftragsspezifisch prognostizierten Zeitaufwand Tp unter dem durchschnittlichen Zeitaufwand TM anzusetzen und somit einen Teamfaktor i einzufügen, der kleiner ist als 1.0. Konkret trifft man für i etwa auf einen Wert von 0.9, in Einzelfällen auch darunter. Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals auf eine Begründung gestossen zu sein, wenn der Faktor i kleiner ist als 1.0. wie es gemäss Art. 7.11 SIA 102 (Ausgabe 2003) eigentlich gefordert ist.

Es ist vermutlich aber noch nicht so weit, dass alle Bauschaffenden wissen, worum es beim Faktor i überhaupt geht. Ich habe in Einzelfällen auch schon die Meinung gehört, dass der Teamfaktor dann zur Anwendung komme, wenn es um Honorarfragen bei einer projektbezogenen Arbeitsgemeinschaft von eigenständigen (wirtschaftlich voneinander unabhängigen) Planungsbüros gehe. Wenn also zwei Architekturbüros zusammen ein Team bilden, habe die Arbeitsgemeinschaft Anspruch auf einen Teamzuschlag. – Damit hat der Teamfaktor i aber gar nichts zu tun. Er ist vielmehr ein Mass dafür, wie hoch Produktivität des vorgesehenen Planungsteams eingeschätzt wird. Die Mitglieder dieses Teams stammen dabei aus der gleichen Planungsfirma.

Honorarfaktoren – Fortsetzung 2