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Erste Zwischenbilanz zur neuen Honorarformel

Die neue Honorarformel nach dem Zeitaufwandmodell ist dem breiten Publikum erst seit Frühling 2004 bekannt, weshalb eine Zwischenbilanz aus Bauherrensicht nur sehr provisorisch ausfallen kann. Wagen wir trotzdem eine Einschätzung. Die Ausführungen betreffen speziell die LHO SIA 102 (Architekten; Ausgabe 2003).

Alter Wein in neuen Schläuchen

In der Baubranche haben in den neunziger Jahren alle den Konflikt zwischen der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) und dem SIA über das Honorarwesen mitbekommen, die meisten allerdings aus Distanz über die Medien. Man hat auch von der Absicht des SIA vernommen, eine ganz neue Art der Honorarberechnung zu schaffen: die bausummenunabhängige Kalkulation.

Wenn man jetzt das Ergebnis betrachtet, das Zeitaufwandmodell, glaubt man kaum relevante Unterschiede zum alten Kostentarif ausmachen zu können. In der Tat hat der SIA denn auch sehr viel von seinem traditionellen Honorarmodell in die kartellrechtskonforme Version der Neuzeit retten können. Man hat einfach die alten Kostentarife, welche nach wie vor auf 600 Nachkalkulationen aus dem Jahr 1979 basieren, in den neuen durchschnittlichen Zeitaufwand umgerechnet. Der durchschnittliche Stundensatz für diese Umrechnung hat rund 135 Fr. betragen.

Dieses Beharren auf dem Traditionellen hat positive und negative Auswirkungen.

 

  • Positive Auswirkungen

Es ist ein Vorteil, dass der grosse Erfahrungsschatz im Umgang mit der alten Honorarformel zu einem wesentlichen Teil gerettet worden ist. Tausende von Planungsbüros haben Jahrzehnte lang ein Gefühl dafür entwickelt, auf welche Weise das Honorar von den Baukosten abhängt, wie sie mit den Schwierigkeitsgraden umzugehen haben oder in welchem Ausmass der alte Kostentarif «nach SIA» mit dem effektiven Honorar übereinstimmt, das sie selber auf dem Markt erzielen können.

 

  • Negative Auswirkungen

Es ist bedauerlich, dass der SIA die grosse Chance verpasst hat, radikaler in Richtung einer bausummenunabhängigen Honorierung zu gehen. Es gibt nach wie vor keine echte Vorkalkulation des Aufwandes, sondern einen (bausummenabhängigen) durchschnittlichen Zeitaufwand «nach SIA».

Ganz grundsätzlich gewinnt man den Eindruck, dass man sich in einer gewissen Euphorie zwar viel vorgenommen, dann aber Angst vor dem eigenen Mut bekommen hat. Über einen grossen Umweg ist man wieder in die Nähe des Ausgangspunktes zurückgekehrt.

Traditionelle Vorbehalte gegenüber der Honorarformel werden nur teilweise verschwinden

Die Honorarformel des Kostentarifs ist in ihrer ganzen Geschichte andauernd mehr oder weniger stark in Frage gestellt worden. Einige dieser Vorbehalte werden mit der neuen Formel verschwinden, andere werden bleiben.

Nicht behoben sind insbesondere die von Marktteilnehmern beanstandeten systembedingten Verzerrungen in der Formel. Falls nämlich die Formel in der alten Version teilweise nicht gestimmt haben sollte (beispielsweise bei gewissen Projekttypen oder bei grösseren Projektgrössen), dann stimmt sie dort auch in der neuen Version nicht. – Eine Verbesserung allerdings bringt die neue Formel: Allfällige Verzerrungen treten schon im ersten Schritt der Honorarberechnung auf, bei der Berechnung des «durchschnittlichen Zeitaufwandes». Damit besteht die Chance, dass Verfälschungen im zweiten Schritt behoben werden können. Das Instrument für diese Korrektur ist der Teamfaktor i. Mit seiner Hilfe wird aus dem (möglicherweise verzerrten) «durchschnittlichen Zeitaufwand» der (nicht mehr verzerrte) «auftragsspezifisch prognostizierte Zeitaufwand».

Ein anderer Vorbehalt gegenüber der Honorarformel jedoch ist behoben: Neu ist nämlich die Kostenstruktur des Anbieters bei der Honorarberechnung berücksichtigt, indem die Stundenansätze selbst zu kalkulieren sind. Kleinere Büros dürften daher beispielsweise in der Regel etwas günstiger sein als grössere.

Konfliktpotential Teamfaktor i

Der Teamfaktor i dürfte in Zukunft am ehesten Gegenstand von Diskussionen über die Honorargestaltung sein, so vermute ich wenigstens. Dieser Faktor ist, abgesehen vom wenig konfliktträchtigen Faktor h (Stundenansatz), das fundamental neue Element in der überarbeiteten Honorarformel. Mit ihm findet der Gedanke Eingang in das Bauplanungsgewerbe, dass der Aufwand nicht nur von der Bauaufgabe an und für sich abhängt (Bausumme, Schwierigkeitsgrad, etc.), sondern auch vom Anbieter selber. Es spielt bei der Honorarkalkulation nun eine Rolle, ob man dem vorgesehenen Team zutraut, den rein bausummenabhängigen «durchschnittlichen Stundenaufwand» unterschreiten zu können.

Das Honorarwesen im SIA ist traditionell vom «Leistungswettbewerb» geprägt: Primär habe die Leistung im Markt zu bestehen, beispielsweise bei einem Architektenwettbewerb. Die Qualität müsse unbedingt gewährleistet sein, was voraussetze, dass die nötige Zeit vorhanden sei. Ein Preiswettbewerb bei Planungsleistungen sei daher nicht zu verantworten: Ein zu tiefer Preis führe nur zu einer Reduktion der Leistungen und damit letztlich zu einem Qualitätsverlust.

Mit dem Teamfaktor i hängt das Honorar nun auch von der Produktivität ab. Wer produktiver arbeitet, also den «durchschnittlichen Zeitaufwand» unterschreitet (i kleiner als 1.0), kann ein günstigeres Honorar anbieten. In der neuen Honorarformel des SIA ist somit auch das Element des Preiswettbewerbs enthalten.

Nun ist es aber so, dass in der Bauplanungsbranche nie ein reiner Leistungswettbewerb, sondern immer auch ein Preiswettbewerb geherrscht hat. Die Preiskonzessionen bei den Planerhonoraren haben aber anscheinend einen Umfang angenommen, der aus Sicht des SIA alarmierend ist.

Bisher ist man im Rahmen der Vertragsverhandlungen vielfach so vorgegangen, dass Rabatte offen ausgewiesen worden sind. Manchmal hat man auch den Schwierigkeitsgrad n angepasst. In Zukunft steht mit dem neuen Honorarmodell der Teamfaktor i zur Verfügung, der an und für sich den Aspekt der Produktivität abdecken sollte. Ich kann mir gut vorstellen, dass er zum «Rabatt-Faktor» mutieren wird.