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Faktor i (Teamfaktor)

Die Erläuterungen zum neuen Teamfaktor i sind in der neuen Honorarordnung von 2003 sehr kurz gehalten. «Mit dem Faktor i wird die teamspezifische Abweichung vom durchschnittlich aufzuwendenden Zeitaufwand für das Erbringen der vereinbarten Leistung prognostiziert. Der Faktor ist kein Mass für die Qualität der Leistung. Abweichungen vom Werte 1 = 1.0 sind zu begründen» (Art. 7.11 LHO SIA 102; Ausgabe 2003).

Die Kürze erstaunt vor allem angesichts der zurzeit noch schwer abschätzbaren (und vermutlich erheblichen) Auswirkungen dieses neuen Faktors.

 

  • Innovation Teamfaktor

Mit dem Teamfaktor i wird die traditionelle Honorarkalkulation des Bauplanungsgewerbes mit einem ganz neuen Gesichtspunkt erweitert. Man geht nicht mehr a priori davon aus, dass alle Anbieter gleich produktiv sind, sondern akzeptiert Unterschiede: Es gibt effizientere Teams und weniger effiziente. Der Preis einer Planungsleistung hängt nun nicht mehr fast ausschliesslich von der Planungsaufgabe an und für sich ab (sowie von den vermutlich nur leicht voneinander abweichenden Stundenansätzen), sondern auch davon, wie gut sich der Anbieter organisiert.

Möglicherweise haben wir den Teamfaktor i der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) zu verdanken. Ich weiss nicht, wie die Verhandlungen zwischen ihr und dem SIA im Hinblick auf die Konzeption eines kartellverträglichen Honorierungsmodells abgelaufen sind, darum sei es mir erlaubt, zu spekulieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Teamfaktor i ein wichtiger (wenn nicht sogar der entscheidende) Diskussionspunkt gewesen ist. Der Faktor i wäre in diesem Sinne der Beitrag der WEKO zum neuen Zeitaufwandmodell.

Der SIA hätte den Faktor vermutlich am liebsten weggelassen. Traditionell ist ihm nämlich viel an einem Leistungswettbewerb gelegen, aber nur wenig an einem Preiswettbewerb. Die Honorarberechnung anhand des «durchschnittlichen Zeitaufwandes» gemäss Schritt 1 der neuen Honorarformel (Art. 7.2 LHO SIA 102; Ausgabe 2003) hätte dem Leitbild des reinen Leistungswettbewerbs ganz gut entsprochen. Dann wären nämlich alle Angebote, nur leicht differenziert durch die etwas variierenden Stundensätze, vergleichbar hoch gewesen.

Mit dem Teamfaktor i herrscht nun auch im Bauplanungsgewerbe, was in den meisten anderen Wirtschaftszweigen selbstverständlich ist: ein Wettbewerb der Produktivität.

 

  • Einflussgrössen für den Teamfaktor

Die folgende Liste enthält einige wichtige Bedingungen für effiziente Teams:

  • gute Teamführung
  • viel Erfahrung innerhalb des Teams; spezifisches Knowhow
  • hohe Entscheidungsfreudigkeit
  • kleine Teamgrösse; wenige interne Schnittstellen
  • gute Hilfsmittel und technische Einrichtungen

Es nützt dem Anbieter einer Planungsleistung aber im Hinblick auf die Kalkulation des Angebots nicht viel, wenn er weiss, dass er ein gutes Team hat. Eine positive Teambeurteilung erlaubt ihm höchstens den Faktor i gefühlsmässig abzuschätzen. Viel mehr als die Vermutung, mit guten Leuten den «durchschnittlichen Zeitaufwand» (nach Art. 7.2 LHO SIA 102; Ausgabe 2003) um vielleicht 10% unterschreiten zu können (somit i = 0.9), liegt kaum drin. Für eine echte Kalkulation des Fak-tors i braucht es mehr: handfeste Fakten. Dazu zählen insbesondere aussagekräftige Nachkalkulationen von abgeschlossenen Projekten, und zwar von eigenen. Erst mit statistisch erhärteten Erfahrungszahlen zum Aufwand und zur Rentabilität sind fundierte Aussagen zum Teamfaktor i möglich.

Es ist nicht für alle Anbieter von Planungsleistungen gleich schwierig, den Teamfaktor i in den Griff zu bekommen. Wir unterscheiden im Folgenden zwei Fälle: übersichtliche Verhältnisse (Fall A) und komplexe Verhältnisse (Fall B).

 

  • Fall A: Der Teamfaktor i bei übersichtlichen Verhältnissen

Die Ver-hältnisse können für den Anbieter dann als übersichtlich bezeichnet werden, wenn das Büro nicht allzu gross ist und stets ähnliche Projekte bearbeitet werden. Konkret kann es sich beispielsweise um ein Architekturbüro mit 10–15 Leuten handeln, das vorwiegend Wohnungen und Geschäftshäuser baut, aber kaum jemals für die öffentliche Hand tätig ist. Die Grösse des einzelnen Auftrages kann recht hoch sein und durchaus über 1 Mio. Fr. betragen.

Derartige Büros mit einem ziemlich homogenen Auftragsportfolio arbeiten oft mit einem gleichbleibenden Kalkulationsfaktor: alle Projekte gelten als gleich rentabel. Aus Erfahrung wissen sie, um wie viel sie die Summe nach Honorarformel (Kostentarif) unterschreiten können, um ihre Kosten noch decken zu können. Bei einem Büro kann das 10% sein, bei anderen auch mehr. Ich kenne kommerziell sehr erfolgreiche Architekturbüros, deren Ansätze sich um 20% und mehr unter den Summen nach Kostentarif bewegen. Die Schmerzgrenze für grössere Aufträge dürfte bei 35% liegen. – Diese Unterschreitungen, die bisher als offen ausgewiesene Rabatte in Erscheinung getreten sind, dürften in Zukunft in den Teamfaktor i einfliessen; 10 % Rabatt heisst dann: Teamfaktor i = 0.9.

Jedes Architekturbüro trachtet natürlich danach, ein möglichst hohes Honorar zu erzielen. Der Rabatt wird den Kunden keineswegs aufgedrängt, auch nicht von den Büros, die aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit einen erheblichen Verhandlungsspielraum hätten. Vielfach sind aber die Preiszugeständnisse, die man in der Vergangenheit mehr oder weniger regelmässig hat eingehen müssen, im Markt schon bekannt, wodurch man kaum mehr von ihnen abrücken kann.

 

  • Fall B: Der Teamfaktor i bei komplexen Verhältnissen

Die Verhältnisse im Hinblick auf den Faktor i sind dann als komplex zu betrachten, wenn das Spektrum der Projekte breit ist, welche das Planungsbüro betreut, also vom privaten Wohnungsbau über grosse öffentliche Projekte (aus Wettbewerbserfolgen) bis zum Industriebau reicht.

In einem solchen Fall braucht es ein differenziertes System von bürointernen Nachkalkulationen, um konkrete Anhaltspunkte für den Teamfaktor zu erhalten. Die eigenen Nachkalkulationen unterscheiden sich nämlich von jenen des SIA (600 Nachkalkulationen von ausgeführten Projekten aus dem Jahre 1979; siehe Buch «Günstiger bauen», Unterabsatz «Honorar-Grundprozentsatz p») dadurch, dass sie die eigenen Stärken und Schwächen berücksichtigen. Man ist dort gut, wo man stark ist. Man kann diejenigen Projekte am effizientesten abwickeln, wo die eigenen Stärken am besten zur Geltung kommen. Man verdient dort Geld, wo man die Aufgabe am besten beherrscht. – Die individuellen Stärken können dabei sehr unterschiedliche Aspekte beinhalten: Branchenkenntnisse, Konstruktionskenntnisse, Organisationswissen, technische Hilfsmittel, etc.

Die bürointernen Nachkalkulationen sind die Basis für die Teamfaktoren i. Da jedes Büro ein unterschiedliches Stärke-Schwäche-Profil hat, sind auch die Teamfaktoren büroabhängig.

Betriebswirtschaftlich gut geführte Planungsunternehmen haben die Wirtschaftlichkeit ihrer Aufträge schon immer sorgfältig analysiert. Lange vor der Einführung des Teamfaktors i hat man sich bei Aufträgen, die gut zu den eigenen Stärken gepasst haben, anspruchsvolle Rentabilitätsziele gesetzt. Die dadurch erarbeiteten Deckungsbeiträge haben auch dazu gedient, um weniger rentable Projekte quersubventionieren zu können. Die Zielgrössen, welche die traditionellen Instrumente des Projekt-Controllings schon immer geliefert haben, können nun für den Teamfaktor verwendet werden.

 

  • Anhaltspunkte für den Teamfaktor i in der Praxis

Im Folgenden lege ich dar, wie der Teamfaktor i in der Praxis aussehen könnte. Die Ausführungen beziehen sich auf lokal tätige Architekturbüros mit vorwiegend privaten Auftraggebern. Mit dieser Gruppe von Marktakteuren dürfte die primäre Zielgruppe dieses Buches am ehesten zu tun haben. Es geht also nicht um renommierte Planungsboutiquen mit klingenden Namen, die Architektenwettbewerbe gewinnen und öffentliche Projekte bearbeiten.

Die Angaben basieren auf einer Datengrundlage aus Nachkalkulationen, wobei die kumulierte Honorarsumme der Projekte Dutzende von Millionen Franken umfasst.

Grobe Anhaltspunkte für den Teamfaktor i (Schätzungen Autor)
Annahme: durchschnittlicher Stundenansatz ca. 135 Fr.

Baukategorie Honorarvolumen Potential für Faktor i

Mehrfamilienhäuser über 1 Mio. 0.7 – 0.9
0.5 Mio. – 1 Mio. 0.9 – 1.0
unter 0.5 Mio. 1.0

Einfamilienhäuser
• standardisierte 0.65 – 1.0
• individuelle 1.0 und mehr

Dienstleistungen, Industrie über 1 Mio. 0.65 – 0.8
0.5 Mio. – 1 Mio. 0.8 – 0.9
unter 0.5 Mio. 0.9 – 1.0

Gemischte Projekte 1.0

Aus der Tabelle geht hervor, dass nicht alle Baukategorien gleich rentabel sind und dass im Allgemeinen die Rentabilität mit zunehmender Projektgrösse ansteigt. Ein grosses Potential für den Teamfaktor besteht beispielsweise bei einem Geschäftshaus mit über 1 Mio. Honorarsumme. Hier kann der Faktor i durchaus bis 0.65 betragen. Kaum Potential dagegen ist bei gemischten Projekten und insbesondere bei solchen mit mehreren Bauherrschaften vorhanden.

Bei Kleinprojekten wie Einfamilienhäusern kann der Teamfaktor durchaus kleiner als 1.0 sein (siehe dazu «Annex 3: Architektenhonorare bei Einfamilienhäusern»). Folgende Bedingungen müssen aber erfüllt sein: (1) muss die Aufgabe hochgradig standardisiert sein (das Objekt ist tendenziell ein Typenhaus), und (2) muss der Anbieter eine günstige Organisation aufweisen (spezialisiertes Kleinbüro). Grosse, etablierte Architekturbüros haben erfahrungsgemäss Mühe, Einfamilienhäuser kostendeckend abzuwickeln, wodurch sogar ein Faktor i > 1.0 angebracht wäre.

Die Angaben zu den potentiellen Teamfaktoren i basieren auf der Annahme, dass der für die Kalkulation eingesetzte durchschnittliche Stundenansatz ungefähr 135 Fr. beträgt (siehe «Annex 1: Wie hat der SIA den alten Kostentarif in den neuen Zeitaufwand umgerechnet?»). Bei einem tieferen durchschnittlichen Stundenansatz sinkt das Potential für den Teamfaktor i.

 

  • Abschlussbemerkungen

Bei der Diskussion um den Teamfaktor i ist es angebracht, sich an die Rollenverteilung von Anbieter und Nachfrager zu erinnern.

Der Anbieter will eine möglichst gute Deckung seiner Kosten. Es ist nicht unmoralisch, wenn das Resultat denn auch in hohem Masse seinen Wünschen entspricht. Ich kenne Projekte mit einer Honorarsumme von 4 Mio. Fr., wo die Aufwendungen des Planers nur 2.5 Mio. betragen haben; die zusätzlichen 1.5 Mio. darf er ohne schlechtes Gewissen als zusätzlichen Deckungsbeitrag einstreichen.

Der Nachfrager (Bauherr) dagegen hat eine andere Rolle: Er will die Planungsleistung möglichst günstig einkaufen und dazu nutzt er den Markt aus. Er vergleicht die Honorare, welche im Markt angeboten werden. Von besonderem Interesse ist dabei der neue Teamfaktor i: Er sorgt dafür, dass sich der Preis der Planungsleistung in einem marktorientierten Rahmen befindet.

 

  • «Abweichungen vom Werte i = 1.0 sind zu begründen»

Der SIA postuliert, dass jede Abweichung des Faktors i von 1.0 begründet werden müsse. Falls die Begründung nicht stichhaltig sein sollte, könnte dies vom SIA als unlauterer Wettbewerb betrachtet werden. Dagegen will er mit grosser Entschlossenheit vorgehen.

Mitglieder des SIA, welche sich nicht an die Verhaltensregeln halten und unlauteren Wettbewerb betreiben, haben mit Konsequenzen zu rechnen. Beim ersten Verstoss gibt es einen schriftlichen Verweis durch den Direktionsausschuss Honorargrundlagen, beim zweiten eine Anzeige an die schweizerische Standeskommission, und beim dritten wird das Ausschlussverfahren aus dem SIA eingeleitet (Quelle: tec21, 3-4/2004, Seite 26).

Ein wichtiger potentieller Anlass für unlauteren Wettbewerb dürfte der Teamfaktor i sein. Wie muss man es sich in der Praxis vorstellen, dass Abweichungen von i = 1.0 zu begründen sind?

Meiner Ansicht nach dürften die Anbieter den Faktor i in den meisten Fällen aufgrund von Erkenntnissen aus Nachkalkulationen festlegen. Reicht diese pauschale Begründung für den SIA aus? Oder will er Einblick in die Nachkalkulationen nehmen? Will er die Nachkalkulationen allenfalls sogar in schriftlicher Form ausgehändigt bekommen, was aber mit der Gefahr verbunden ist, dass Kopien allenfalls bei der Konkurrenz landen könnten?

Ich vermute, dass es sich in der Praxis nur beschränkt wird durchsetzen lassen, dass der Teamfaktor i begründet wird. Im Wirtschaftsleben werden Angebote in der Regel kalkuliert, aber nicht begründet. Es ist nicht einzusehen, wieso dies im Bauplanungsgewerbe anders sein soll.