Die Familie der Honorarordnungen SIA 102 ff. aus dem Jahr 2001
Der Hauptgrund für die Überarbeitung der traditionellen Familie von Honorarordnungen SIA 102 ff. im Jahr 2001 ist, wie wir bereits festgehalten haben, die Einführung des Leistungsmodells SIA 112. Es bildet mit den schon lange bestehenden Honorarordnungen der Einzelplaner eine Einheit und funktioniert nur im Verbund mit ihnen. Im Zuge dieser von aussen initiierten Revision der Ordnungsfamilie LHO SIA 102 ff. sind aber auch Dinge geändert worden, die gar keinen Bezug zum Leistungsmodell haben, etwa auf dem Gebiet der Honorierung.
Im Folgenden betrachten wir aus der revidierten Ordnungsfamilie eine ausgewählte Ordnung näher, und zwar die LHO SIA 102 für Architekten. Welche Änderungen hat es hier im Jahr 2001 gegeben?
Allgemeine Vertragsbedingungen
Der Begriff der «Allgemeinen Vertragsbedingungen» AVB wird erst mit der Revision im Jahr 2001 geschaffen. Die AVB enthalten die Paragraphen, die vorher im Artikel 1 «Allgemeines und Grundlagen» untergebracht gewesen sind. Eine Ausnahme ist die Regelung der Gesamtleitung, die aus dem bisherigen Art. 3.3 (LHO SIA 102; Ausgabe 1986) übernommen worden ist. Die AVB sind in der gesamten Normenfamilie LHO SIA 102 ff. einheitlich und stimmen auch mit denjenigen im Leistungsmodell überein.
Grundsätzlich geht es bei der Revision darum, die AVB benutzerfreundlicher zu machen. Die Änderungen haben mehr den Charakter eines Feintunings als einer radikalen Neubearbeitung. Die Hauptleistung der Revision besteht vor allem in einer neuen, konsequenten Gliederung der Vertragsgegenstände: Im Zentrum stehen neu die Pflichten und Rechte des Architekten resp. des Auftraggebers. Die Pflichten des Architekten beispielsweise umfassen die folgenden Gesichtspunkte (Artikel 1.3 LHO SIA 102; Ausgabe 2001): Sorgfaltspflicht, Treuepflicht, Vertretung des Auftraggebers, behördliche Verfügungen, Abmahnungspflicht, Rechenschaftsablegung, Aufbewahrung von Dokumenten.
In materieller Hinsicht sind die Änderungen an den AVB von geringfügiger Natur.
- Kritik aus Juristenkreisen
In juristischen Fachkreisen ist die Revision der Allgemeinen Vertragsbedingungen teilweise mit Vorbehalten aufgenommen worden. Als Nichtjurist gewinne ich den Eindruck, dass der SIA es verpasst hat Dinge zu klären, die eigentlich schon lange hätten geklärt werden sollen. Im Folgenden beziehe ich mich primär auf die Meinung von Dr. jur. Anton Egli aus Luzern. Er hat seine Ansicht anlässlich der Baurechtstagung 2003 in Freiburg dargelegt und anschliessend in der SIA-Zeitschrift publiziert (tec21; Nr. 22/2003; Seiten 15–17). Egli bedauert dabei insbesondere, dass der SIA es unterlassen habe, die Planerverträge eindeutig dem Auftragsrecht zu unterstellen. In gewissen Fällen kann nämlich für Teile der Architektenarbeit das Werkvertragsrecht massgebend sein, beispielsweise dann, wenn der Architekt nur Pläne erstellt. Dies ist für die Bauherrschaft in verschiedener Hinsicht nachteilig (Haftung, Verjährung, vorzeitige Vertragsauflösung). Auch hätten nach Egli die Themen Stellvertretung und Vollmacht besser geregelt werden sollen.
Aus der Reaktion des SIA auf den Zeitschriftenartikel darf man schliessen (Leserbrief der Kommission SIA 102; tec21; 33-34/2003; Seite 22), dass in juristischer Hinsicht tatsächlich noch nicht das Optimum erreicht worden ist.
- Verweis auf «Günstiger bauen»
Im Buch «Günstiger bauen» werden folgende ausgewählte Aspekte aus den Allgemeinen Vertragsbedingungen näher erläutert (Abschnitt «Weitere Empfehlungen zum Architektenvertrag»).
- A. Die Vollmacht des Architekten
- B. Verantwortlichkeit (Haftung)
- C. Widerruf und Kündigung
Zu den Punkten A und C sind die Ausführungen immer noch aktuell. Anders ist es bei Punkt B (Haftung), wo es in den Allgemeinen Vertragsbedingungen eine Änderung gegeben hat: Die Beschränkung der Haftung auf den direkten Schaden ist aufgehoben worden (siehe oben; Unterabsatz «Materielle Änderungen»).