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Garantie für Baugrundrisiken

Mit dem Baugrund im Allgemeinen und der Baugrube im Besonderen können grosse Risiken verbunden sein. Speziell bei öffentlichen Bauvorhaben wird es in der Regel bekannt, wenn Probleme mit dem Baugrund zu zusätzlichen Kosten führen. Beispiele dafür sind die massive Kostenüberschreitung beim Bärenpark in Bern (Jahr 2009; siehe Foto oben) oder der Abbruch der Planungsarbeiten für die Erweiterung des Kunstmuseums im etwa gleichen Zeitraum ebenfalls in Bern, beide begründet mit vorgängig nicht erkannten Risiken des Baugrundes.

Überraschungen und Mehrkosten beim Baugrund gibt es aufgrund meiner Beobachtungen eher bei konventionell abgewickelten Projekten wie den beiden oben genannten als bei Bauvorhaben, an denen Generalunternehmer beteiligt sind. Letztere sind für Baugrundrisiken eher stärker sensibilisiert als Ad-hoc-Planungsteams. Der Grund für ihre erhöhte Wachsamkeit dürfte darin bestehen, dass Generalunternehmer aufgrund ihrer Tätigkeit als Werkunternehmer stets der Gefahr ausgesetzt sind, dass sie einzelne der Risiken selber tragen müssen.

Bei unklaren oder schwierigen Baugrundverhältnissen können Generalunternehmer somit dem Bauherrn sehr nützlich sein. Sie sind allenfalls sogar in der Lage, dem Bauherrn gewisse Risiken abzunehmen und ihn damit zu entlasten.

Baugrundrisiko grundsätzlich an Generalunternehmer übertragbar

Wir haben weiter vorne im Abschnitt über die Vertragsunterlagen festgestellt, dass nach Art 13.1 AVB das Baugrundrisiko beim Bauherrn liegt, soweit nicht eine anderweitige Vereinbarung besteht (Näheres dazu siehe hier). Falls diese Vereinbarung aber erzielt werden kann, bedeutet dies nichts Anderes, als dass die Risiken des Baugrundes dem Generalunternehmer überbunden werden können. «Das Baugrundrisiko kann vertraglich dem Generalunternehmer überwälzt werden. Zu bevorzugen ist eine möglichst abstrakte Regelung, da jede Aufzählung von besonderen Baugrundrisiken implizieren könnte, dass nicht aufgezählte Baugrundrisiken beim Bauherrn verbleiben. So kann eine vertragliche Regelung dahingehend lauten, dass das Baugrundrisiko vollumfänglich beim Generalunternehmer liegt (...).» Quelle: Huber / Schwendener, Generalunternehmervertrag VSGU, Seite 60.

Da viele Baugrundrisiken aber kaum kalkulierbar sind, hat sich der VSGU in seinen Standesregeln dafür ausgesprochen, diese nur zurückhaltend übernehmen zu wollen.

  • VSGU-Vorbehalt zu Baugrund / Altlasten

In den Standesregeln des Verbandes Schweizerischer Generalunternehmer VSGU wird der Baugrund einschliesslich der Altlasten als Eigentümerrisiko betrachtet. Im ausführlichen Kommentar (Argumentarium Standesregeln VSGU; Seite 2) finden sich dazu folgende Erläuterungen:

Der Baugrund ist per Definition natürlich gewachsen, unvorhersehbar und weder durch den GU/TU noch den Eigentümer beeinflussbar. Der GU/TU kann ohne vorgängige Untersuchungen (geologisches Gutachten, geotechnischer Bericht, Altlasten- und Bodenbericht etc.) zur Erlangung von mehr Kenntnissen über den Baugrund und die Altlasten dieses Risiko nicht übernehmen. Selbst mit der gebotenen Sorgfalt – welche der Grösse, Wichtigkeit und Gefährlichkeit eines Bauvorhabens angemessen sein muss – kann der Baugrund nicht abschliessend beurteilt werden. (...).

Es werden deshalb folgende Lösungsansätze formuliert:

Der Eigentümer erarbeitet die notwendigen Grundlagen und stellt diese dem TU zur Verfügung. Eine Übernahme des Risikos im Umfang dieser Grundlagen ist möglich (Budget mit offener Abrechnung oder als Kostendach). Das Baugrund- und Altlastenrisiko als Restrisiko verbleibt beim Eigentümer.

Meiner Ansicht nach ist damit mehr oder weniger etwa das Gleiche gesagt, was bereits in den Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) steht (siehe Absatz «Baugrundstück und bestehendes Bauwerk»). Nach Art 13.1 AVB liegt das Baugrundrisiko nämlich beim Bauherrn, soweit nicht eine anderweitige Vereinbarung besteht.

Delegierbare und nicht delegierbare Risiken des Baugrundes

Nicht delegierbar an den Generalunternehmer sind in der Praxis oft Risiken, die kaum kalkulierbar sind. Dies trifft etwa auf Altlasten zu. Es kann nicht abgeschätzt werden, in welchem Ausmass beim Aushub Erdöl- oder Benzinrückstände gefunden werden, die aufwendig zu entsorgen sind. Auch die genaue Beschaffenheit des Baugrundes in der Sohle der Baugrube ist aufgrund von Sondierbohrungen nur an den untersuchten Stellen bekannt, nicht aber im Bereich des gesamten Fundamentes. Wenn anstelle des erwarteten gut tragfähigen Kiesgrundes an einer bestimmten Zone eine Lehmschicht zum Vorschein kommt, muss dieses Material ausgewechselt werden. Eine Risikoübernahme dürfte darum auch hier nicht zu verantworten sein.

Die Erstellung einer Baugrubensicherung (Baugrubenabschluss) dagegen birgt auch Risiken, diese sind aber eher beherrschbar. Darum kann der Generalunternehmer deren Übernahme verantworten. Dazu betrachten wir nachfol-gend ein Beispiel.

Risiken der Baugrubensicherung

Nehmen wir an, es sei eine 13 Meter tiefe Baugrube zu erstellen für ein Geschäftshaus mit vier Untergeschossen. Die engen Platzverhältnisse lassen jedoch eine normale abgeböschte Baugrube nicht zu. Es muss daher eine Baugrubensicherung erstellt werden, die es erlaubt, die Wände der Baugrube vertikal oder nur leicht geneigt auszuführen.

Grundsätzlich gibt es mehrere Typen von Baugrubensicherungen (Baugrubenabschlüssen). Die Wahl richtet sich nach den geologischen Verhältnissen, dem Grundwasserspiegel und weiteren Kriterien wie beispielsweise den Lärmimmissionen beim Bau. Im konkreten Fall ist der Grundwasserspiegel tief, wodurch der Abschluss nicht wasserdicht sein muss. Wegleitend für die Auswahl ist zudem die Bedingung, dass die Nachbarliegenschaften während der Erstellung keinen grossen Immissionen ausgesetzt sein dürfen.

Ursprünglich vorgesehene Lösung: Rühlwand

Das Planungsteam geht im Rahmen der Projektausarbeitung davon aus, dass für den Baugrubenabschluss die technische Methode der gebohrten Rühlwand gewählt wird. Diese Lösung wird auch in den Baubeschrieb übernommen.

Die Rühlwand (siehe Abbildung unten; links im Bild) besteht aus massiven vertikalen Stahlprofilen mit dazwischenliegenden horizontalen Ausfachungen. Die total 17 m langen Stahlprofile in H-Form werden in einem Abstand von 2.50 m (Ständerabstand) in vorgängig erstellte Bohrlöcher versetzt. Im Vergleich zum Rammen der Profile erzeugt dies viel weniger Lärm. Der 4 m lange Teil des Bohrlochs, der unterhalb der zukünftigen Aushubkote liegt, wird mit Beton gefüllt. Der 11 m lange Teil oberhalb wird mit einem Material aufgefüllt, welches beim Aushub leicht wieder entfernt werden kann. Der Aushub wird in Etappen von etwa 2 m Höhe vorgenommen. Der dadurch frei werdende Bereich zwischen den vertikalen Stahlprofilen wird mit armiertem Ortbeton ausgefacht. Der oberste Meter der Ausfachung besteht aus Holz. Im Verlauf des Aushubs werden etappiert auf drei verschiedenen Höhen Erdanker gebohrt und versetzt. Die Ständer werden somit auf drei Lagen mit vorgespannten Erdankern mit dem Erdreich verbunden (rückverankert). – Diese Ausführungen zeigen: Die (gebohrte) Rühlwand gilt als eher teures Verfahren.

Vorschlag des Generalunternehmers: Nagelwand

Im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der Bauherrschaft bringt einer der Generalunternehmer einen Unternehmervorschlag ins Spiel. Er schlägt vor, für den Baugrubenabschluss anstelle der eher teuren Rühlwand eine deutlich günstigere Variante zu wählen: die Nagelwand.

Im Unterschied zur Rühlwand mit biegesteifen (rückverankerten) Stahlprofilen besteht die Nagelwand nur aus einer relativ leicht verformbaren Spritzbetonschale, die mit Zugelementen (Nägeln) gesichert ist. Die dicht angebrachten Nägel verfestigen den Boden so weit, dass dieser als monolithischer Block betrachtet werden kann. Ähnlich wie die Rühlwand wird die Nagelwand in vergleichsweise kleinen Arbeitsschritten von oben nach unten erstellt. Nach jeder Aushubetappe werden auf der vorgesehenen Höhe Lagen von Nägeln versetzt. Das neu freigelegte Stück der Baugrubenwand wird mit armiertem Spritzbeton gesichert.

Zwei Varianten von Baugrubenabschlüssen in der gleichen Baugrube: links die senkrechte Rühlwand mit drei Ankerlagen; rechts die leicht geneigte Nagelwand (Foto Implenia)

Ergebnis

Der Bauherr lässt die Variante der Nagelwand durch sein Planungsteam prüfen und stimmt ihr zu. Der Baubeschrieb wird somit hinsichtlich dieser Position modifiziert. Der Generalunternehmer wird dadurch in die Lage versetzt, sein pauschales Angebot preislich substanziell anzupassen. Im Unterschied zur 1.5 Mio. Fr. teuren Rühlwand (vorgebohrt und rückverankert) kostet die Nagelwand nur 1.0 Mio. Fr. Der gesamte Werkpreis reduziert sich somit um 0.5 Mio. Fr. Zusätzlich zum Preisvorteil hat die Nagelwand den willkommenen Nebeneffekt, dass die Zugelemente (Nägel) mit 10 Metern deutlich kürzer sind als die Anker bei der Rühlwand. Die Nachbargrundstücke müssen daher weniger beansprucht werden.

Aufgrund seiner vielfältigen Erfahrungen ist der Generalunternehmer bereit, hinsichtlich des Baugrubenabschlusses Risiken zu übernehmen. Konkret garantiert er, dass die kostengünstige Variante mit der Nagelwand ausgeführt werden kann. Falls dies wider Erwarten doch nicht möglich sein sollte und der beauftragte Subunternehmer eine Rühlwand bauen müsste, hätte dies für den Bauherrn keine Mehrkosten zur Folge.

Die Risikoübernahme fällt dem Generalunternehmer auch darum nicht so schwer, weil er sich selber absichert. Er lässt sich von seinem Subunternehmer (Spezialtiefbaufirma) nämlich ebenfalls garantieren, dass die Variante der Nagelwand ausgeführt werden kann.

Zusammenfassung

Aufgrund des oben Gesagten kann der Umgang mit den baugrundbedingten Risiken wie folgt zusammengefasst werden:

  • Baugrundrisiko Typ 1:
    Risiken vom Generalunternehmer übernommen

Kalkulierbare baugrundbedingte Risiken können vom Generalunternehmer übernommen werden. Dazu gehört zum Beispiel das Grundwasserrisiko, sofern der Grundwasserspiegel so hoch ist wie aufgrund des Gutachtens vorausgesagt. Auch das Risiko der Baugrubensicherung kann übernommen werden. Wenn der Generalunternehmer garantiert, eine Nagelwand ausführen zu können, muss der Bauherr nicht mehr bezahlen, falls entgegen aller Annahmen doch ein teureres Verfahren nötig sein sollte.

  • Baugrundrisiko Typ 2:
    Kosten von Risiken realistisch abgeschätzt (aber nicht garantiert)

Bei diversen baugrundbedingten Massnahmen können die Risiken vom Generalunternehmer zwar nicht übernommen werden, aber immerhin ist eine realistische Abschätzung der Kosten möglich. Dies betrifft etwa Pfahlfundationen, Felsabbau und dergleichen. Die entsprechenden Mengen werden vorgängig geschätzt, aber es wird offen abgerechnet. Abweichungen sind also möglich, aber sie sind vermutlich nicht so hoch. Grundsätzlich ist das Vorgehen somit ähnlich wie beim traditionellen Architektenverfahren.

  • Baugrundrisiko Typ 3:
    Risiken vom Generalunternehmer nicht übernommen

Überhaupt nicht kalkulierbar sind beispielsweise die Aufwendungen für Altlasten bei kontaminierten Böden. Hier ist manchmal nicht einmal eine Abschätzung der Kosten möglich.

Es gibt aber auch Aufwendungen des klassischen Spezialtiefbaus, die unter Umständen völlig unerwartet auftauchen. Nehmen wir an, an ein bestehendes altes Gebäude soll ein Anbau erstellt werden, dessen unterstes Geschoss etwa drei Meter tiefer liegt als der bestehende Keller. Geologische Sondierungen haben ergeben, dass das bestehende Gebäude auf Fels gebaut ist. Während des Aushubs für den Anbau stösst man denn auch tatsächlich mehrheitlich auf kompakten Fels. Allerdings gibt es eine Ausnahme: In einem Bereich des Aushubs steht das bestehende Gebäude nicht auf Fels, sondern auf relativ lockerem Aufschüttmaterial. Man kommt nicht darum herum, unter dem Streifenfundament eine Unterfangung einzuziehen und diese mit Felsankern zu sichern (siehe auch Foto hier).

Bei beiden Fällen, den Altlasten und der ungenügenden Fundierung, die mit einer rückverankerten Unterfangung gesichert werden muss, handelt es sich um Restrisiken des Baugrundes, die beim Bauherrn verbleiben.

Es ist angezeigt, für derartige Risiken im Rahmen des Kostenvoranschlags eine Position «Unvorhergesehenes (offene Reserven)» vorzusehen. Näheres dazu siehe die Ausführungen über die Dimensionierung der offenen Reserven.

>> zum Inhaltsverzeichnis – Kapitel 9, Bewirtschaftung der Risiken


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