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Grundsätzliches zu den Risiken beim Bauen

Es besteht kein Zweifel: Bauen ist in der Regel ein risikobehaftetes Unterfangen. Risiken bestehen schon in der Planungsphase: Bekommt man die Baubewilligung, und welche Auflagen sind damit verbunden? Dann mag sich die Frage stellen, ob die Finanzierung erreicht werden kann. Im Rahmen der Bauausführung gibt es weitere Risiken: Werden die veranschlagten Kosten eingehalten, wird das Bauwerk entsprechend dem Zeitplan fertig, gibt es keine Unfälle, können Baumängel vermieden werden? Nach der Fertigstellung bestehen aber weiterhin Risiken: Bei einem Mietobjekt ist man etwa mit der Unwägbarkeit konfrontiert, ob die Vermietung klappt.

Angesichts der Fülle von Risiken dürften daher die meisten Bauherrschaften daran interessiert sein, mit Partnern zusammenzuarbeiten, die ihnen einige der Risiken abnehmen. Die Generalunternehmer stehen im Ruf, diesbezüglich besonders effizient zu sein.

Das Bewirtschaften der Risiken ist schon immer eine Kernaufgabe beim Bauen gewesen. Werfen wir deshalb einen kurzen Blick in die Vergangenheit.

Ein Blick in die Vergangenheit

Das Generalunternehmergeschäft eignet sich für eine Zeitreise in die Vergangenheit nicht so gut, denn es ist noch relativ jung: Der Verband Schweizerischer Generalunternehmer VSGU existiert erst gut 40 Jahre. Wir wenden uns daher einer Bauaufgabe zu, die in unserem gebirgigen Land seit langer Zeit aktuell ist: dem Tunnelbau.

Eine Hochblüte des Tunnelbaus hat es in der Schweiz während der Gründerzeit der Eisenbahnen gegeben. Im Jahr 1872 ist der Gotthardtunnel, der damals längste Eisenbahntunnel der Welt, zur Ausführung ausgeschrieben worden. Die Angebotsfrist hat nur sechs Wochen betragen. Es sind sieben Offerten eingegangen. Den Zuschlag hat die Genfer Firma von Louis Favre erhalten. Der angebotene Werkpreis hat 56 Mio. Fr. betragen, 12.5 Mio. weniger als das zweitplatzierte Angebot. Die Terminzusage von acht Jahren Bauzeit ist mit einem System von Konventionalstrafen abgesichert worden. Jeder Tag Verzug hat zu einer Konventionalstrafe von 5 000 Fr. geführt, bei einer Verzögerung von mehr als sechs Monaten sind es sogar 10 000 Fr. täglich gewesen.

Die Vertragskonditionen haben sich im Rückblick als ruinös herausgestellt. Die geologischen und technischen Probleme sind enorm gewesen. Es hat zudem Probleme mit den Beschäftigten gegeben, die sogar zu einem blutig niedergeschlagenen Streik geführt haben. Die zugesagte Bauzeit hat nicht eingehalten werden können und ist über zehn Monate überschritten worden. Favres Firma ist mit grossen Nachforderungen konfrontiert worden, was sie in den Ruin getrieben hat. Louis Favre selbst ist 1879 in «seinem» Tunnel gestorben.

Louis Favre, der geniale Baumeister im Tunnelbau, hat also beim Bau des Gotthardtunnels so viele Risiken auf sich genommen, dass seine Firma daran Konkurs gegangen ist. Möglicherweise hat er sich als begnadeter Ingenieur zu wenig von Juristen beraten lassen.

Der Tunnelbau ist übrigens auch für die Bestellerseite nicht ganz risikolos gewesen. Wichtigster Förderer des Gotthardtunnels ist Alfred Escher gewesen, der visionäre Politiker und Gründer von Unternehmungen wie der Nordostbahn (der Vorläuferin der heutigen SBB), der Kreditanstalt (heute Credit Suisse) oder der Rentenanstalt (heute Swiss Life). Weil die Baukosten um gut 10% überschritten worden sind, ist Escher vom Bundesrat 1880 nicht zum Durchstich eingeladen worden. Er ist nie durch «seinen» Tunnel gefahren (Quelle: Tages Anzeiger, Zürich, 23. Februar 2012, Seite 19).