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Vertragsunterlagen

Die Vertragsunterlagen werden in den Artikeln 9 bis 13 AVB behandelt.

Grundsätzliches

Generalunternehmer-Werkverträge basieren auf anderen Vertragsunterlagen als gewöhnliche Werkverträge im Bauwesen. Beim Architektenverfahren mit Einzelunternehmern steht das Leistungsverzeichnis im Zentrum, in dem die einzelnen Positionen detailliert aufgeführt sind. Bei Generalunternehmer-Werkverträgen hingegen geht es nicht um Quantitäten und Preise von Einzelpositionen, sondern um das Bauwerk als Ganzes.

Die massgeblichen Vertragsunterlagen des Generalunternehmer-Werkvertrags sind der Baubeschrieb und die Vertragspläne, wobei die Leistungsverzeichnisse auch nicht ganz vergessen werden dürfen (siehe «Anmerkungen zu den detaillierten Leistungsverzeichnissen»). Es liegt auf der Hand, dass diese Dokumente mit grosser Sorgfalt erstellt werden müssen, damit später bei der Ausführung unliebsame Diskussionen über die Interpretation des Vertrags vermieden werden können.

Die Spezifikationen (Anforderungen) des Bauherrn ergeben sich aus einem sinnvollen Zusammenspiel zwischen Beschrieben in Textform (Baubeschrieb) und Plänen. Die Vertragspläne legen fest, welche Quantitäten aller Art vorgesehen sind (Mauern, Fenster, Bodenbeläge, Türen, Gebäudeinstallationen, Umgebungsflächen etc.). Präzisierende Ergänzungen über Qualitäten und Leistungsstandards der Bestandteile des Werkes sind im Baubeschrieb (andere Bezeichnung: Raum- und Arbeitsgattungsbeschrieb) aufgeführt. – Interessanterweise werden in den AVB auch das Baugrundstück und das bestehende Bauwerk unter den Vertragsunterlagen aufgeführt (Näheres siehe hier).

A. Baubeschrieb

Das Wesen des Baubeschriebs ist in den Allgemeinen Vertragsbedingungen klar formuliert: «Der Baubeschrieb bestimmt, zusammen mit den Vertragsplänen, Umfang und Qualität der Ausführung» (Art 9.1 AVB). Er ist in der Regel nach Arbeitsgattungen gegliedert. Diese werden aber nicht nach kleinen Leistungseinheiten aufgeschlüsselt (Normpositionen). Die Spezifikationen des Bauherrn beziehen sich, entsprechend der Gliederung des Baukostenplans BKP 2001, oft auf mehr oder weniger grosse Leistungsbereiche von Subunternehmern (zum Beispiel Fenster, Gipserarbeiten für Decken, Starkstrominstallationen; siehe nachfolgenden Baubeschrieb). Es ist möglich, funktionale Leistungswerte in den Baubeschrieb aufzunehmen (zum Beispiel Traglasten).

  • Beispiel eines Baubeschriebs für eine Wohnüberbauung

Anhand des Beispiels einer Wohnüberbauung betrachten wir das Prinzip des Baubeschriebs. Gesamthaft hat das Dokument einen Umfang von weniger als 25 Seiten. Wir wählen daraus vier Positionen aus: BKP 221 Fenster, Aussentüren; BKP 228 Äussere Abschlüsse; BKP 232 Starkstrominstallationen; BKP 271 Gipserarbeiten.

Eindrücklich beim Beispiel ist insbesondere die Wiedergabe des Beschriebs für BKP 232 Starkstrominstallationen. Auf nur rund einer Seite werden diese, differenziert nach den einzelnen Räumen, detailliert beschrieben.

Baubeschrieb (Auszüge) für eine Wohnüberbauung 1/2

Baubeschrieb (Auszüge) für eine Wohnüberbauung 2/2

  • Baubeschrieb als Raumbuch

Bei vielen Projekten reicht es aus, wenn der Baubeschrieb aus einem kompakten, primär nach Arbeitsgattungen gegliederten Dokument besteht. Auch so ist es möglich, die Spezifikationen detailliert nach Räumen zu differenzieren (siehe BKP 232 Starkstrominstallationen, oben). Bei komplizierteren Projekten jedoch kann es angezeigt sein, dass für den Baubeschrieb ein Raumbuch (bestehend aus Raumdatenblättern) angefertigt wird.

Möglicher Informationsgehalt eines Raumdatenblattes

Raumbegrenzende Bauteile
Boden, Doppelboden, Wand, Decke; Schalldämmung etc.

Raumöffnungen
Fenster, Türen etc.

Starkstrom
Steckdosen, Drehstromanschlüsse 400 V; explosionsgeschützte Ausführungen etc.

Schwachstrom
Anschlüsse der Universellen Kommunikationsverkabelung UKV; übrige Schwachstromsysteme für Medien aller Art

Einrichtung von Sitzungs- und Konferenzzimmern
Mobiliar fest oder mobil, Raumsteuerung, Präsentationstechnik etc.

Beleuchtung
Art der Beleuchtung, Schalteranordnung, Notbeleuchtung etc.

Aspekte der Sicherheit
Brandmelder, Sprinkler, Zutrittskontrolle, Alarmanlagen, Unterbruchslose Stromversorgung USV etc.

Sanitäre Installationen
Ver- und Entsorgung mit Kalt- und Warmwasser, Druckluft, Gas etc.

Heizung, Lüftung und Kühlung
Luftwechselzahlen, Komfortlüftung, geforderte minimale und maximale Temperaturen etc.

Das Erstellen des zusätzlichen Arbeitsinstruments «Raumbuch» betrachten die Bauplaner als besonders zu vereinbarende Leistung. Die Leistungsposition wird bezeichnet als «Erstellen eines detaillierten Material- und Konstruktionsbeschriebs (z.B. Raumblätter) als Arbeitsunterlage für Dritte» (Art. 4.32 SIA 102).

  • Baubeschrieb und SIA-Normen

Es wurde bereits früher erwähnt, dass das SIA-Normenwerk in den VSGU-Mustervertrag integriert wird, und zwar insbesondere die technischen Bedingungen der Normen, «sofern sie ortsüblich sind und als Regeln der Baukunst allgemein anerkannt sind» (siehe Absatz «Allgemeine Vertragsbedingungen» (AVB)). Mit dieser generellen Übernahme aller überhaupt existierenden technischen Normen des SIA-Universums ist aber ein gewisses Unbehagen verbunden. Die durchschnittliche Gelegenheitsbauherrschaft hat nämlich keinen Überblick über die Normen und weiss nicht, was sie regeln.

Aus meiner Sicht sollte deshalb in Erwägung gezogen werden, im Rahmen des Baubeschriebs auf die für das betreffende Bauwerk wichtigsten Normen näher einzugehen. Das Minimum ist eine Auflistung der Normen am Anfang des Baubeschriebs, deren Anwendung speziell wichtig ist.

Vielleicht muss man aber zusätzlich einzelne Normen auch näher erläutern. Praktisch bei jedem Bauvorhaben stellen sich beispielsweise Fragen zum Schallschutz. Massgebend dafür ist die SIA-Norm 181 Schallschutz im Hochbau (Ausgabe 2006). Eine Interpretation der Norm im Rahmen des Baubeschriebs kann für die Bauherrschaft ausgesprochen hilfreich sein. Aufgrund der Auseinandersetzung mit der Norm wird ihr bewusst, wo sie sich beispielsweise mit Minimalanforderungen begnügen kann und wo sie erhöhte Spezifikationen benötigt.

Auch bei anderen wichtigen technischen Sachgebieten kann es angezeigt sein, die Anwendung der entsprechenden SIA-Norm wenigstens kurz zu reflektieren. Beispiele dafür sind Bodenbeläge bei industriellen Bauvorhaben oder die Konzeption der Universellen Kommunikationsverkabelung UKV. Oft geht es dabei um die Wahl eines bestimmten Qualitätsstandards.

In diesem Zusammenhang sei auf die Praxis bei den öffentlichen Bauherren hingewiesen. Hier gibt es die technischen KBOB-Empfehlungen (z.B. KBOB Empfehlung Haustechnik-Anlagen). Diese Empfehlungen können als Präzisierung zu den technischen SIA-Normen aufgefasst werden. Während die SIA-Normen den Stand des Wissens gesamthaft abbilden, äussern sich die KBOB-Empfehlungen beispielsweise zum gewählten Qualitätsniveau. In der oben genannten KBOB-Empfehlung Haustechnik-Anlagen finden sich zum Beispiel Angaben zu Beleuchtungsstärken (in Lux) für verschiedene Raumtypen (KBOB Empfehlung / Haustechnik-Anlagen / Ausgabe 1 / Januar 2000; Seite 8).

Kehren wir nach diesem Exkurs zu öffentlichen Bauherren nochmals zu privaten Bauherren zurück. Mit den KBOB-Richtlinien verfügen die öffentlichen Bauherren über eine Art Gebrauchsanweisung zu den SIA-Normen. Die privaten Bauherren müssen einen anderen Weg finden, wie sie die SIA-Normen anwenden und insbesondere den Qualitätsstandard bei zahlreichen technischen Systemen und Bauteilen festlegen. Die Auseinandersetzung mit den SIA-Normen im Rahmen des Baubeschriebs ist dazu ein brauchbarer Ansatz.

B. Vertragspläne

Die Vertragspläne geben den Stand der Planung zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses wieder.

Liste der wichtigsten Vertragspläne

Projektpläne (Architektenpläne)
Situation, Grundrisse, Schnitte, Fassaden, Kanalisation, Umgebung

Detailpläne
Beispiele: Treppe, Fassadenschnitt, Lukarne, Türe, Fenster, Aussentüren, Vordach, Geländer, Innentüre, Bodenaufbau etc.

Konzeptpläne der Fachplaner
Elektrische Installationen Starkstrom, Schwachstromsysteme (einschliesslich Universelle Kommunikationsverkabelung), Brandmelder, Heizung, Lüftung, Kühlung, Sanitär, Sprinkler etc.

Pläne des Bauingenieurs
Statisches System, Aushub, Baugrubenabschluss, Versickerungsanlage, Betonelemente, Stahlbau etc.

Komplettes Dossier des Bauentscheids
Plansatz mit den bewilligten Plänen; einschliesslich Bewilligungen für alle Nebengesuche

Die Projektpläne (Architektenpläne) stellen den Kern der Vertragspläne dar. Je nach Projekt kann man sich mit ihnen begnügen. Eventuell ist es aber angezeigt, zusätzlich Konzeptpläne der Fachplaner zu erstellen (siehe nachfolgend).

  • Konzeptpläne der Fachplaner

Die Konzeptpläne der Fachplaner können ergänzend sehr effiziente Instrumente der Informationsdarstellung sein. Entscheidend ist aber, dass die Pläne speziell für die Informationsbedürfnisse des Bauherrn aufbereitet werden und für ihn gut verständlich sind. Viele Informationen sind in einem Konzeptplan viel anschaulicher darstellbar als zum Beispiel in einem Raumbuch.

Einige Beispiele von Konzeptplänen der Fachplaner

Heizung
(beheizte und unbeheizte Räume)

Universelle Kommunikationsverkabelung (UKV)
Darstellung der Anschlüsse im detaillierten Bürolayout

Lüftung und Kühlung
Darstellung verschiedener Kategorien von Lüftung und Klimatisierung (unbelüftet / nur belüftet / belüftet + gekühlt / belüftet + gekühlt + befeuchtet)

Beleuchtung
Angabe der Beleuchtungsstärken pro Raum (100, 300, 500 Lux)

  • Haftung für Planmängel bei den Vertragsplänen

Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Vertragspläne Planmängel enthalten. Wenn die Vertragspläne von den Planern im Auftrag des Bauherrn ausgearbeitet worden sind, haftet der Bauherr für allfällige Planmängel. Der Generalunternehmer ist aber verpflichtet, «die Vertragspläne mit der üblichen Sorgfalt zu kontrollieren und offensichtliche Mängel und Unklarheiten anzuzeigen» (Art. 10.4 AVB).

Es ist denkbar, dass eine Haftung des Generalunternehmers für die Vertragspläne vereinbart wird, die von den Planern des Bauherrn ausgearbeitet worden sind. Ein Beispiel dafür der Neubau der Frauenklinik Bern 1998–2002 (Näheres siehe hier). In diesem Fall muss dem Generalunternehmer genügend Zeit eingeräumt werden, damit er die Pläne prüfen kann. Siehe dazu die Ausführungen zur «Haftung für vorbestandene Planungsfehler».

  • Ausführungsplanung, Planbearbeitung

Es ist eine Besonderheit von Generalunternehmer-Werkverträgen, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die definitiven Ausführungspläne meist noch nicht vorliegen. Vereinbarungen über die Art der Ausführungsplanung (Planbearbeitung) gehören daher im weiteren Sinne auch zu den Vertragsunterlagen. Die Bauherrschaft kann aus zwei Varianten wählen: Sie kann die Ausführungsplanung selber beauftragen, sie kann sie aber auch in das Leistungspaket des Generalunternehmers einschliessen. Beide Varianten haben Vor- und Nachteile.

Der grösste Unterschied ist die Haftung. Bei der Planbearbeitung durch den Generalunternehmer haftet dieser für Planmängel und Verspätungen. Allein unter diesem Aspekt betrachtet sollte daher dieses Modell gewählt werden. Oft zieht es aber der Bauherr vor, während der Bauausführung mindestens mit dem Architekten einen direkten Kontakt zu haben (siehe Organigramm hier). Der Bauherr geht dadurch aber das Risiko ein, für Planmängel im Rahmen der Ausführungsplanung haftbar zu sein. Allenfalls kann er jedoch erreichen, dass der Generalunternehmer trotzdem eine umfassende Garantie für die Planung abgibt. Siehe dazu die Ausführungen zur «Haftung für die Ausführungsplanung (Planbearbeitung)».

C. Baugrundstück und bestehendes Bauwerk

Das Baugrundstück und das bestehende Bauwerk zählen gemäss Art. 13 AVB auch zu den Vertragsunterlagen. Nach Art 13.1 AVB liegt das Baugrundrisiko beim Bauherrn, soweit nicht eine anderweitige Vereinbarung besteht. «Als Baugrundrisiko gelten insbesondere ungenügende Tragfähigkeit für die in Plänen und Baubeschrieb vorgesehene Fundation, Fels, Grundwasser, Werkleitungen, unterirdische Bauten und andere Hindernisse im Bereich der vorgesehenen Erdbewegungen sowie archäologische Fundstellen».

Dem sachkundigen Bauherrn dürfte es kalt den Rücken hinunterlaufen, wenn er diesen Satz langsam vor sich hin murmelt. Hier wimmelt es nur so von Risiken! Viele der genannten Punkte können happige Mehrkosten auslösen und unter Umständen sogar das Projekt (oder die eigene Karriere) gefährden. Viele Bauherren verspüren daher den Wunsch, den Generalunternehmer anzufragen, ob er sich an einigen der genannten Risiken beteiligen könnte. Näheres dazu siehe Abschnitt «Garantie für Baugrundrisiken».

Der Art. 13.2 AVB äussert sich zusätzlich noch zu den Sachgebieten Altlasten und Asbestentfernung, bei denen das Risiko auch beim Bauherrn liegt.

D. Anmerkung zu den detaillierten Leistungsverzeichnissen

Beim traditionellen Realisierungsmodell mit Einzelunternehmern werden bekanntlich für die einzelnen Arbeitsgattungen detaillierte Leistungsverzeichnisse als Grundlage für die Submission verwendet. Häufig werden diese bei der Generalunternehmersubmission ebenfalls gebraucht. Dies führt regelmässig zu Fragen und Unklarheiten. Es fällt auf, dass dieser Punkt in den Allgemeinen Bedingungen AVB überhaupt nicht angesprochen wird. Auch im juristischen Kommentar von Huber / Schwendener (Huber / Schwendener, Generalunternehmervertrag VSGU) wird das Wort nur ein einziges Mal erwähnt, und zwar im Zusammenhang mit der Aufzählung der Vertragsbestandteile (Seite 3). Ich hege zudem den Verdacht, dass es sich hier um einen Verschrieb handelt, denn aufgrund der Zusammenhänge könnte man erwarten, dass die Leistungstabelle gemeint ist und nicht das Leistungsverzeichnis. Fakt ist so oder so: Substanzielles zum Leistungsverzeichnis findet man weder in den Allgemeinen Bedingungen AVB noch im massgeblichen juristischen Kommentar.

Näheres dazu siehe Abschnitt «Garantie für die Mängelfreiheit der Leistungsverzeichnisse».