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Mustervertrag und Allgemeine Vertragsbedingungen (AVB)

Den Mustervertrag des Verbandes Schweizerischer Generalunternehmer VSGU gibt es schon seit der Gründung des Verbandes in den Siebzigerjahren. Er ist mehrfach überarbeitet worden, und die heute gültige Fassung stammt aus dem Jahr 2008. Gegenüber der vorausgehenden Version aus dem Jahr 1995 sind allerdings nur eher geringfügige Aktualisierungen vorgenommen worden. Einige Modifikationen findet man zum Beispiel im Artikel 13 «Baugrundstück und bestehendes Bauwerk».

Der Mustervertrag besteht aus zwei Teilen, nämlich einem Muster für die Vertragsurkunde und den Allgemeinen Vertragsbedingungen AVB. Zuerst wollen wir das Muster für die Vertragsurkunde betrachten.

Muster für die Vertragsurkunde

Das Muster der Vertragsurkunde ist konzipiert wie ein Formular, das man ausfüllen kann, und enthält die folgenden Punkte:

  • 1. Gegenstand des Vertrages
  • 2. Vertragsbestandteile
  • 3. Termine
  • 4. Werkpreis
  • 5. Leistungen des Generalunternehmers
  • 6. Projektorganisation
  • 7. Subunternehmer und Lieferanten
  • 8. Sicherheiten
  • 9. Besondere Vereinbarungen
  • 10. Schlussbestimmungen

Zusätzlich enthält das Muster der Vertragsurkunde noch die folgenden Varianten für die Bestimmung des Werkpreises (Punkt 4):

  • Pauschalpreis
  • Globalpreis
  • Offene Abrechnung
  • Offene Abrechnung mit Kostendach ausschliesslich Bauteuerung
  • Offene Abrechnung mit Kostendach einschliesslich Bauteuerung

Allgemeine Vertragsbedingungen (AVB)

Der zweite Hauptteil des VSGU-Mustervertrages neben dem Muster für die Vertragsurkunde sind die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB). Trotz der grossen wirtschaftlichen Tragweite, die ein Generalunternehmer-Werkvertrag aufweisen kann, sind die AVB wohltuend knapp gehalten. Mit 40 Paragrafen auf rund 20 Seiten kommt man aus. Gesamthaft gesehen wird das Vertragswerk von den Marktakteuren, also auch den Bestellern, als recht ausgewogen angesehen.

Etwas verwirrlich ist für nicht professionelle Bauherren allerdings, dass praktisch das gesamte Normenwerk des SIA in den Mustervertrag integriert wird. Die SIA-Normen gelten als «ergänzende Vertragsbestandteile» (Art. 2.2 AVB), sofern sie dem abgeschlossenen Vertrag nicht widersprechen. Dazu gehören insbesondere die SIA-Norm 118 und die technischen Bedingungen der übrigen Normen, «sofern sie ortsüblich und als Regeln der Baukunst allgemein anerkannt sind». Zu dieser Klausel kann man nur wiederholend festhalten, dass ein Laie damit nicht viel anfangen kann (ein Baufachmann allerdings schon). Er hat keinen Überblick über die zahlreichen Normen und daher kaum eine Ahnung, welche der SIA-Bestimmungen den abgeschlossenen Vertrag in welchen Punkten allenfalls ergänzen könnten. Siehe dazu den Abschnitt «‹Normitis› im Werkvertragsrecht». Da der VSGU, analog dem SIA, ein privater Verein ist, haben die von ihm herausgegebenen Vertragsbedingungen keine Gesetzeskraft. Die vorformulierten Vertragsbestandteile erhalten erst Rechtsgeltung, wenn sie in den konkreten Vertrag übernommen werden. Lange hat der VSGU für die Abgabe seines Mustervertrags nur eine geringe Schutzgebühr verlangt. Neuerdings (Stand 2012) berechnet er jedoch für den TU/GU-Mustervertrag einschliesslich der AVB den Betrag von 450 Fr.

Aspekte der Anwendung der AVB

Die AVB werden von den grossen VSGU-Generalunternehmern in der Schweiz meines Wissens praktisch durchgehend angewendet, sofern sie die Wahl des Mustervertrags beeinflussen können. Bei Projekten mit Gelegenheitsbauherren ist dies der Fall. Hier sind die AVB des VSGU der Industriestandard.

Anders ist es bei etlichen grossen, institutionellen Bauherren, die eigene Allgemeine Vertragsbedingungen bevorzugen. Diese sind tendenziell weniger ausgewogen und nehmen in stärkerem Masse die Interessen der Bauherren wahr als die AVB des VSGU. Dies äussert sich etwa darin, dass mehr Risiken auf die Generalunternehmer überwälzt werden. Die Generalunternehmer versuchen sich dagegen zu wehren, insbesondere mit den VSGU-Standesregeln gegen einseitige Risikoübernahme aus dem Jahr 2009.

Die vielen kleineren Marktteilnehmer, die ebenfalls generalunternehmer-ähnliche Leistungen anbieten, aber nicht im VSGU organisiert sind, meiden vielfach die AVB des VSGU. Dies trifft insbesondere auf das sogenannte Typenhausgeschäft zu. Näheres dazu siehe Kapitel 12 «Typenhäuser».

Methoden der Integration der AVB

Es gibt zwei Methoden für die Integration der AVB in das Vertragswerk: als unveränderte Beilage zur Vertragsurkunde oder als bearbeitete Übernahme in die Vertragsurkunde. Die erste Variante ist weitaus häufiger und unbedingt vorzuziehen. Hier werden die AVB wie eine gedruckte, nicht veränderbare Beilage dem Vertrag beigelegt.

Bei der zweiten Methode, der bearbeiteten Integration in die Vertragsurkunde, geht nicht so ohne Weiteres hervor, welche Teile der AVB abgeändert worden sind. Der Besteller möchte aber wissen, ob allenfalls eine eher unübliche und für ihn ungünstige Formulierung Eingang in das Vertragswerk gefunden hat. Um sich abzusichern, muss die Bestellerseite gewisse Vorsichtsmassnahmen treffen. Dies ist besonders dann der Fall, wenn sie auf ihren eigenen Sachverstand aus dem allgemeinen Geschäftsleben vertraut und nicht einen spezialisierten Baujuristen beizieht, der das Vertragswerk begutachtet.

Vorsichtsmassnahmen

Im Rahmen von Vertragsverhandlungen mit einem Generalunternehmer habe ich es auch schon erlebt, dass die Bauherrschaft den Verhandlungspartner ausdrücklich aufgefordert hat, den Vertragsentwurf zu erläutern und insbesondere auf die heiklen Punkte aufmerksam zu machen. Falls sich die gewünschte Aufklärung im Nachhinein als nicht ausreichend erweisen sollte, würde der Vertrag im Streitfalle zuungunsten des Vertragspartners ausgelegt, der die Änderung vorgenommen hat.

Als Nichtjurist kann ich nur schlecht beurteilen, ob diese Vorsichtsmassnahme überhaupt notwendig ist, oder ob das Gesetz sie automatisch vorsieht. Nach Gesetz müssen sich nämlich die Vertragspartner bereits während der Phase der Vertragsverhandlungen nach Treu und Glauben verhalten (Gauch, Werkvertrag, Seite 177). Der Unternehmer unterliegt insbesondere einer vorvertraglichen Aufklärungspflicht. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Aufklärungspflicht auch die oben genannten abgeänderten Teile der Allgemeinen Vertragsbedingungen AVB umfasst.

Nachfolgend befassen wir uns näher mit dem Inhalt der Allgemeinen Vertragsbedingungen AVB. Die Betrachtung ist nicht systematisch. Wir greifen nur die wichtigsten Punkte heraus.

Literaturempfehlung: Huber / Schwendener, Der Generalunternehmervertrag des Verbands Schweizerischer Generalunternehmer, 2. Auflage 2005