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G. Abnahme des Werkes

Wenn ein Unternehmer sein Werk vollendet hat, geht es in der Regel in einem formellen Akt in die Obhut der Bauherrschaft über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abnahme. Sie hat innert Monatsfrist stattzufinden, nachdem der Unternehmer der Bauherrschaft oder ihrer bevollmächtigten Bauleitung die Vollendung des Werkes angezeigt hat. Mit der Abnahme befasst sich der sechste Abschnitt der SIA-Norm 118 (Art. 157 bis 164 SIA 118). Die Abnahme läuft so ab, dass das Werk von Bauleitung und Unternehmer gemeinsam geprüft wird. Allfällige Mängel werden in einem Abnahmeprotokoll festgehalten. Bei wesentlichen Mängeln wird die Abnahme zurückgestellt und wiederholt, sobald die Mängel behoben sind. Mängel gelten unter anderem dann als wesentlich, wenn sie «die Tauglichkeit des Werkes zum üblichen oder vereinbarten besonderen Gebrauch unmittelbar und erheblich beeinträchtigen» (Gauch, Werkvertrag, Seite 933 f.). Blosse Schönheitsfehler allerdings verzögern die Abnahme nicht. Mit der Abnahme beginnen wichtige Fristen zu laufen, namentlich die (meist zweijährige) Garantiefrist (Rügefrist) sowie die viermonatige Frist zur Eintragung des Bauhandwerkerpfandrechtes.

Abnahme von Werkteilen

Gegenstand der Abnahme muss nicht zwangsläufig ein vollendetes Werk sein. Es ist auch möglich, in sich abgeschlossene vollendete Werkteile abzunehmen (Art. 157 Abs. 1 SIA 118). Ein Besteller wird beispielsweise bei einem zehngeschossigen Gebäude mit der Abnahme nicht zuwarten, bis der Baumeister die letzte Decke betoniert hat, sondern so schnell wie möglich das erste im Rohbau erstellte Geschoss abnehmen, um hier weiterbauen zu können.

Professionelle Bauherren spielen bei der Abnahme oft eine aktivere Rolle als Gelegenheitsbauherren. Darauf gehen wir nachfolgend ein.

Abnahme bei professionellen Bauherren

Professionelle (institutionelle) Bauherren nehmen in der Regel an den Abnahmen aktiv teil. Oft delegieren sie dazu Fachspezialisten für das entsprechende Werk. Ein Beispiel ist die Abnahme einer «Universellen Kommunikationsverkabelung» mit Hunderten von Kabelverbindungen (sog. Links). Es kommt häufig vor, dass hier jeder einzelne Link gemessen wird. Erst wenn alle Verbindungen zertifiziert sind, gibt der Kabellieferant eine Garantie von beispielsweise 15 Jahren für das gesamte physische Netzwerk ab. Zur Abnahme eines solchen Werks zieht die Bauherrschaft von Vorteil Sachverständige bei. Das kann beispielsweise ein IT-Spezialist des späteren Nutzers sein oder ein extern beauftragter Experte für Netzwerke.

Das Werk wird somit von Bauleitung und Bauherrschaft gemeinsam abgenommen. Der Fachbauleiter auf Seite des Planers überprüft, ob das von ihm bestellte Werk die geforderten Leistungsmerkmale erfüllt, und der Experte des Bauherrn überwacht, ob der Fachbauleiter die Kontrolle gewissenhaft durchführt.

Abnahme bei Gelegenheitsbauherren

Gelegenheitsbauherren haben in der Regel nicht die Möglichkeit, selber an den Abnahmen teilzunehmen. In den meisten Fällen ist es auch nicht problematisch, wenn die Abnahme von der Bauleitung in ihrem Auftrag vorgenommen wird. In Einzelfällen kann sich allerdings eine zu wenig sorgfältige Abnahme für die Bauherrschaft negativ auswirken. In diesem Zusammenhang ist der Artikel 163 der SIA-Norm 118 speziell wichtig. Gemäss dieser Bestimmung entfällt die Haftung des Unternehmers für einen Mangel, der von der Bauleitung bei der Abnahme zwar erkannt, aber nicht geltend gemacht worden ist. Anders ausgedrückt: Offensichtliche Mängel, die im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt sind, gelten als genehmigt. – Veranschaulichen wir uns die Gefahren der allzu grosszügigen Abnahme anhand eines Beispiels. Derartige Probleme sind zwar selten, aber sie können auftreten.

  • Beispiel

Es ist Freitagabend, kurz vor fünf Uhr. Der Storenmonteur beeilt sich mit seiner Arbeit, damit er die Baustelle diese Woche noch abschliessen kann. Der Bauleiter, der mit Kollegen noch ein Bier trinken möchte, drängt auf die Abnahme. Bei der gemeinsamen Prüfung des Werks (= Storen) fällt dem Bauleiter zwar auf, dass eine der pulverbeschichteten Blechgalerien etwas eingedrückt ist. Da sich die Store aber gleichwohl einwandfrei bedienen lässt, verzichtet er darauf, den Mangel im Abnahmeprotokoll aufzuführen.

Für die Bauherrschaft ist diese Unterlassung fatal. Der optisch gut sichtbare Mangel stört sie enorm. Gemäss dem Wortlaut der SIA-Norm 118 (Art. 163 SIA 118) kann sie den Storenunternehmer aber nicht mehr belangen: Offensichtliche Mängel, die nicht gerügt werden, gelten als genehmigt. Sie kann nur darauf hoffen, dass der Unternehmer aus Gründen der Kulanz den Schaden aus freien Stücken in Ordnung bringt. – Für die Bauherrschaft wäre es allenfalls besser gewesen, wenn es gar kein Protokoll gegeben hätte. Bei einer stillschweigenden Abnahme (ohne Prüfung) kann die Bauherrschaft nämlich sämtliche Mängel bis zum Ablauf der Garantiefrist (Rügefrist) wirksam rügen.

Es kann nicht schaden, wenn die Bauherrschaft das Problem der Abnahmen mit der Bauleitung bespricht. Die Bauherrschaft soll sich vergewissern, dass erkennbare Mängel bei der gemeinsamen Prüfung auf jeden Fall geltend gemacht werden. Angezeigt ist allenfalls auch eine Vereinbarung in den Werkverträgen, dass Abnahmeprotokolle erst gültig sind, wenn sie nicht nur von der Bauleitung unterzeichnet sind, sondern zusätzlich auch von der Bauherrschaft.