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H. Werkmängel, Mängelrechte und «Selbstverschulden»

Jeder Laie weiss, dass Mängel beim Bauen keine Seltenheit sind. Oft sind nervenaufreibende Verhandlungen damit verbunden: Ist es überhaupt ein Mangel? Wer ist dafür verantwortlich? Wie kann er behoben werden? Wieso muss die Bauherrschaft einen Teil des Schadens übernehmen?

Immer wieder beklagen unzufriedene private Bauherrschaften auch in den Medien das ungenügende Qualitätsdenken beim Bauen bitter. Als Beispiel unter vielen möchte ich einen vergnüglich geschriebenen Erlebnisbericht erwähnen, der 1993 in der angesehenen Wirtschaftszeitung «Finanz und Wirtschaft» zu diesem Thema erschienen ist, vom Verleger persönlich verfasst. Unter dem vielsagenden Titel «Bauen oder Wo bitte geht’s zur Klapsmühle?» berichtete er in sieben ganzseitigen Folgen über seine Abenteuer beim Bauen (Finanz und Wirtschaft, Zürich, 25. August bis 10. Oktober 1993).

Es zeigt sich auch in der juristischen Literatur, dass Baumängel im Rechtsalltag ein überaus dominantes Thema sind. Das umfangreiche Standardwerk von Professor Gauch zum Werkvertrag widmet 45% des Inhalts dem Problem der Mängelhaftung. – Ganz anders ist die Gewichtsverteilung im vorliegenden Buch, wo ich mich bei der Besprechung der Mängelrechte auf das absolute Minimum beschränke. Viel wichtiger scheint mir zu sein, an mehreren Stellen auf vorbeugende Massnahmen hinzuweisen, um Mängel gar nicht erst entstehen zu lassen. – Durch die Wahl geeigneter Planer und insbesondere einer umsichtigen Bauleitung beispielsweise besteht eine reelle Chance, den Weg zur oben genannten «Klapsmühle» vermeiden zu können.

Werkmängel und Bauschäden

Zuerst wollen wir uns fragen, was ein Werkmangel überhaupt ist. Diese Frage ist berechtigt, weil es diesbezüglich immer wieder Missverständnisse gibt. Es ist nämlich keineswegs so, dass Werkmangel und Bauschaden mehr oder weniger synonyme Begriffe sind.

Wir haben es dann mit einem Werkmangel zu tun, wenn das fertige Werk nicht die Eigenschaften aufweist, die vom Besteller bei der Bestellung formuliert worden sind. Ein Werkmangel ist eine Abweichung des Werkes vom Vertrag. Es ist somit ein rechtlicher Begriff und kein technischer.

Offensichtliche Bauschäden sind zweifellos Abweichungen vom Vertrag. Ein undichtes Flachdach oder eine beschädigte neue Badewanne sind Werkmängel, denn bei der Bestellung ist die Bauherrschaft davon ausgegangen, dass das Flachdach dicht ist und die Badewanne keine Beschädigungen hat.

Das abgelieferte Werk kann aber auch Abweichungen vom Vertrag aufweisen, die nicht als Bauschaden bezeichnet werden können. Nehmen wir an, ein Hotel der Luxuskategorie bestellt für den Eingangsbereich einen neuen Teppich. Es soll ein roter Teppich sein, passend zur Wichtigkeit der Gäste. Dem beauftragten Werkunternehmer passiert nun ein Missgeschick, und er liefert und verlegt einen blauen Teppich. Beim Abnahmetermin wird der Besteller mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Werkmangel sprechen und das Werk gar nicht abnehmen. Die Farbe des Teppichs ist nicht wie bestellt rot, sondern blau. Auch wenn der Teppich sogar eine höhere Qualität aufweisen sollte als bestellt worden ist, absolut perfekt verlegt ist und keine Beschädigungen aufweist, dürf-te der Besteller auf seinem Mängelrecht bestehen und verlangen, dass der Werk-unternehmer sein misslungenes Werk verbessert. Da ein Umfärben kaum möglich sein dürfte, wird er nicht darum herumkommen, das Werk ein zweites Mal auszuführen, diesmal in roter Farbe.

Mängel und Mängelrechte

Grundsätzlich haftet ein Unternehmer dafür, dass sein Werk keine Mängel aufweist. Wenn Mängel festgestellt werden, stellt das Gesetz (Art. 368 OR) dem Besteller die drei klassischen Mängelrechte zur Verfügung: die Rechte auf Wandelung (Rücktritt), Minderung (Herabsetzung der Forderung) und Verbesserung. Dazu kommt in allen Fällen das Recht auf Schadenersatz.

Es ist eine Besonderheit des Bauwesens, dass der Besteller aus den drei Mängelrechten nicht frei wählen kann, sondern dass ihm gemäss SIA-Norm 118 zunächst einzig das Recht auf Verbesserung zusteht (Art. 169 SIA 118). Der Unternehmer hat also immer zuerst die Chance, sein Werk zu verbessern. Erst wenn er innerhalb der angesetzten Frist den Mangel nicht behebt, kommen die anderen Mängelrechte in Betracht.

Der Begriff der Verbesserung wird in der Rechtspraxis nicht allzu eng verstanden. Wenn beispielsweise ein Baumeister eine (nichttragende) Mauer krumm ausführt, die von der Bauleitung nicht abgenommen wird, nützen alle Verbesserungen nichts: Die Mauer muss abgerissen und neu aufgebaut werden. Im Sinne des Gesetzes gilt diese Neuherstellung eines Werkteiles trotzdem als Verbesserung.

  • Kosten der Verbesserung

Der Unternehmer muss die gesamten Kosten der Verbesserung tragen. Dazu gehören auch die «Kosten zur Beseitigung aller Schäden, die an anderen Arbeiten wegen der Mängelbeseitigung entstehen (...)» (Art. 170 Abs. 1 SIA 118). Anhand eines Beispiels wollen wir betrachten, wie dies zu verstehen ist.

Nehmen wir an, ein Sanitärinstallateur habe eine Wasserleitung aus Kunststoff fehlerhaft verlegt, so dass diese an einer bestimmten Stelle undicht wird. Es ist allerdings nicht erkennbar, wo genau sich die Leckstelle befindet. Die Mängelbeseitigung des Unternehmers beginnt nun damit, dass er so lange an der Freilegung der Leitung arbeitet, bis er die undichte Stelle gefunden hat. Konkret kann dies bedeuten, dass er in Backsteinwänden die Leitung herausspitzt oder in Holzdecken das Holztäfer und die Isolation entfernt. Nach den Vorbereitungen zur Verbesserung kommt die eigentliche Verbesserung, nämlich die Reparatur der Leitung, die unter Umständen nur einige Franken kostet. Am Schluss muss der Werkunternehmer auf seine Kosten wieder für die Wiederherstellung besorgt sein (Holzdecke instand stellen; Wandschlitze zuputzen; Gipser- und Malerarbeiten ausführen etc.). Das verbesserte Werk darf aber kein Flickwerk sein. Unter Umständen wird es nicht genügen, die aufgespitzte Wand nur im Bereich des Wandschlitzes wieder zu verputzen und zu streichen. Vermutlich muss die ganze Wand neu behandelt werden.

  • Mangelfolgeschaden

Nun ist es möglich, dass es aufgrund des Wasserlecks zu Schäden an Werken von Nebenunternehmern kommt. Beispielsweise kann durch eindringendes Wasser ein Parkettboden aufquellen und dadurch beschädigt werden. Derartige Schäden zählen nicht zu den Verbesserungskosten, sondern sind als Mangelfolgeschaden zu betrachten (Näheres dazu siehe nächsten Absatz: «Mangelfolgeschaden und Schadenersatz»). Die Unterscheidung zwischen den beiden Typen von Schäden ist aber nicht immer eindeutig möglich.

Zusammenfassend halten wir somit fest, dass zu den Verbesserungskosten auch die Vorbereitungs- und Wiederherstellungsarbeiten im Bereich des mangelhaften Werkteils gehören. Schäden an Werken von Nebenunternehmern jedoch gehören nicht zu den Verbesserungskosten, sondern gelten als Mangelfolgeschaden.

Mangelfolgeschaden und Schadenersatz

Von einem Mangelfolgeschaden sprechen wir dann, «wenn ein Werkmangel zu einem Schaden am übrigen Eigentum des Bestellers (ausserhalb des vom Unternehmer hergestellten Werkes) führt (...)» (Gauch, Werkvertrag, Seite 697). Der oben angesprochene Schaden am Parkettboden, verursacht durch eine undichte Wasserleitung in Wand oder Decke, ist ein derartiger Mangelfolgeschaden.

Das Thema Mangelfolgeschaden und Schadenersatz wird auch in der SIA-Norm 118 behandelt. Erleidet ein Besteller durch einen Mangel einen Schaden, so hat er ein Recht auf Schadenersatz (Art. 171 Abs. 1 SIA 118). Als konkrete Beispiele aufgeführt sind dort der Brandschaden und der Schaden infolge Betriebsstörung. Gauch führt als weiteren interessanten Fall eines Mangelfolgeschadens eine mangelhafte Überwachungsanlage auf, welche einen Einbruchdiebstahl ermöglicht, bei dem Wertgegenstände abhandenkommen (Gauch, Werkvertrag, Seite 699). Wir erkennen somit, dass sich viele Mängelfolgeschäden in einer Vermögenseinbusse des Bestellers manifestieren (Betriebsstörung; Verlust von Wertgegenständen). Nur ein Teil der Mängelfolgeschäden sind Schäden an Bauwerken von Nebenunternehmern (z.B. Brandschaden).

Kein Mangelfolgeschaden jedoch sind seelische Schäden, die ein Besteller im Zusammenhang mit Baumängeln erleidet. Der Verfasser des Erlebnisberichts mit dem Titel «Bauen oder Wo bitte geht’s zur Klapsmühle?», den wir am Anfang dieses Abschnitts zitiert haben (siehe oben), hat für die erlittenen seelischen Qualen kaum Anspruch auf Schadenersatz.

Beim Schadenersatz haftet der Unternehmer, im Unterschied zu Werkmängeln, nicht kausal. «Der Unternehmer ist von der Ersatzpflicht befreit, wenn er nachweist, dass ihn kein Verschulden trifft» (Art. 171 Abs. 2 SIA 118).

Ab und zu kommt es vor, dass im Bauwesen der Mangelfolgeschaden viel grösser ist als die Kosten der Verbesserung für den Werkmangel. Ein mangelhaftes Rauchabzugsrohr beispielsweise, das zu einem Brand führt, lässt sich für ein paar Hundert Franken ersetzen. Die Sanierungsmassnahmen aufgrund des Brandschadens dagegen dürfte ein Vielfaches davon kosten. Für die grossen Risiken des Mangelfolgeschadens versuchen sich daher die Unternehmer abzusichern, mit einer Haftpflichtversicherung. Die Behebung der normalen Werkmängel («Garantiearbeiten») dagegen zählt zu den Gemeinkosten des Werkunternehmers. – Aus Sicht des Bestellers ist entscheidend, dass ihm durch den Werkmangel kein Nachteil erwächst. Es ist für ihn sekundär, ob für die Finanzierung der Schadenbehebung der Unternehmer selber oder seine Versicherung aufkommt.

Abtretung von Mängelrechten

Ein Besteller kann seine Mängelrechte, die er gegenüber einem Unternehmer hat, abtreten (zedieren), beispielsweise an einen Käufer. Häufig angewendet wird die Abtretung in einem Zweig der Bauwirtschaft, den wir als Promotionsgeschäft bezeichnen wollen. Im Kapitel 12 über Typenhäuser werden wir näher darauf eingehen. – Im Zentrum steht der Promotor, ein Unternehmer, der im Werkvertrag für einen (End-)Besteller meist kleinere Bauvorhaben (Einfamilienhäuser, Typenhäuser) zu einem festen Preis erstellt, ohne aber die umfassende Garantie (Gewährleistung) eines Generalunternehmers leisten zu wollen. Der Promotor als Unternehmer verfolgt das Ziel, sich von der Haftung für die Mängel des gelieferten Werks freizuzeichnen, indem er die Mängelrechte, die er gegenüber seinen Subunternehmern hat, an den (End-)Besteller abtritt. Die Abtretung der Mängelrechte vom Promotor (dem Erst-Besteller) an den (End-) Besteller (Besteller des Typenhauses) muss schriftlich vereinbart werden und wird oft in den Generalunternehmer-Werkvertrag integriert.

«Selbstverschulden des Bauherrn»

Mitten in den Bestimmungen zu Mängelhaftung und Mängelrechten der SIA-Norm 118 befindet sich im Artikel 166 ein unscheinbarer Absatz (Art. 166.4 SIA 118). Darin ist sinngemäss die Rede, dass der Unternehmer bei «Selbstverschulden des Bauherrn» für Mängel nicht hafte. Der unbefangene Leser mag sich fragen, ob diese Bestimmung überhaupt nötig ist, denn es scheint doch ziemlich unwahrscheinlich zu sein, dass ein Bauherr einen Werkmangel selber verschuldt. Irrtum! Gemäss meinen Erfahrungen gehören derartige Werkmängel, die gar nicht so selten sind, zu den heikelsten überhaupt.

In der Regel ist es nicht der Bauherr selber, der für das Selbstverschulden verantwortlich ist, sondern der Architekt, welcher als seine «Hilfsperson» gilt. Wenn also der Architekt (oder ein anderer beauftragter Planer) einen Werkmangel verursacht, kann die Bauherrschaft nicht einen Unternehmer belangen, sondern muss sich an ihren Beauftragten halten. – Betrachten wir anhand eines Beispiels, welche finanziellen Konsequenzen ein «Selbstverschulden des Bauherrn» haben kann.

  • Beispiel

Stellen wir uns einen grösseren, bald fertigen Neubau vor. Der Baumeister muss noch einige Betonarbeiten für die Umgebungsgestaltung ausführen. Im letzten Moment bringt der Bauleiter den sehnlichst erwarteten Umgebungsplan auf die Baustelle. Leider weist der Plan ein falsches Mass auf, das der Baumeister jedoch nicht erkennen kann. Als der Bauleiter ein paar Tage später den Baufortschritt genauer überprüft, stellt er fest, dass die Betonmauern am falschen Ort stehen: fast einen Meter neben dem vorgesehenen Standort. Es gibt keine andere Lösung, als einen Presslufthammer zu holen und die Mauern wieder abzubrechen. Gesamthaft ergibt sich ein Schaden von rund 12 000 Fr.

Wie reagiert nun der Bauleiter auf diesen offensichtlichen Schaden? Er hat verständlicherweise kein Interesse daran, dass das Architekturbüro dafür aufkommen soll. Er wird vielleicht versuchen, den Schaden zu vertuschen. Dafür gibt es mindestens folgende zwei Möglichkeiten: (1) Der Bauleiter lässt den Baumeister für den Zusatzaufwand einen Regierapport schreiben. Hier besteht allerdings das Risiko, dass eine aufmerksame Bauherrschaft die Vertuschung bemerkt, wenn sie die kommentarlos eintreffende Regierechnung genauer untersucht. (2) Bauleiter und Baumeister schliessen ein mehr oder weniger stillschweigendes Übereinkommen ab und schmuggeln den Zusatzaufwand gut getarnt in die normale Rechnung ein. Somit erscheint er nicht mehr als Regierapport. Diese Möglichkeit kann weniger gut aufgedeckt werden. – Derartige Vertuschungen passieren gar nicht so selten und gelten in der Baubranche als Kavaliersdelikte. Juristisch sind es aber gravierende Fälle von Vertrauensmissbrauch, die möglicherweise sogar unter den Straftatbestand des Betrugs fallen (Schumacher, in Gauch / Tercier: Architektenrecht; Seite 169 f.).

Schutzmassnahmen

Werkmängel, die ein Unternehmer zu verantworten hat, sind im Bauwesen relativ unproblematisch, sofern sich der Mangel technisch beheben lässt. Eine kompetente Bauleitung wird in der Regel dafür sorgen, dass der Schaden in Ordnung gebracht wird. Viel heikler sind Mängel, die aus Fehlern (Pflichtverletzungen) des Architekten resultieren. Oft sind es ganz kleine Fehler, die grosse Auswirkungen haben können. Hier besteht immer die Möglichkeit, dass der Beauftragte der Versuchung erliegt, den Schaden zu vertuschen. Die Bauherrschaft kann sich nur davor schützen, indem sie die Baustelle kritisch im Auge behält. Es liegt primär an der Bauherrschaft selber, Vertuschungen von Baumängeln zu unterbinden.