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Grundideen der Totalunternehmersubmission

Mit einem anschaulichen Beispiel wollen wir uns mit den Grundideen der Totalunternehmersubmission vertraut machen. Es handelt sich um das 1993 lancierte Projekt der Wohnüberbauung Bostuden in Thun.

Beispiel einer Totalunternehmersubmission:
Projektoptimierung in radikaler Form

Das Beispiel zeichnet sich dadurch aus, dass der Spielraum für die Teilnehmer der Ausschreibung sehr gross ist. Die Bauherrschaft formuliert ein klares Ziel, lässt aber den Weg zum Ziel völlig offen. Die Totalunternehmer haben hier alle Freiheiten, ihre Projekte radikal zu optimieren.

  • Ausgangslage

Eine Immobiliengesellschaft der Schweizerischen Bankgesellschaft (heute: UBS) veranstaltet 1993 eine Totalunternehmersubmission für die Realisierung einer Wohnüberbauung mit rund 100 Wohnungen in Thun (Quartier Bohnstaudenzelg). Die Submission hat zum Ziel, «den Wohnungsbau hinsichtlich Kostenoptimierung konsequent zu hinterfragen und Vorschläge für Konzepte zu erhalten, welche gute, unkonventionelle Architektur bei hoher Wirtschaftlichkeit bieten sollen, um damit die Grundlage für ein attraktives Angebot an preisgünstigen Wohnungen zu schaffen» (aus einem Papier zu einer Informationsveranstaltung der Projektbeteiligten vom 29. Oktober 1996 in Thun).

  • Pflichtenheft

Das Pflichtenheft der Bauherrschaft zeichnet sich dadurch aus, dass die Freiheitsgrade für die Gestaltung der Projekte aussergewöhnlich gross sind. Es ist kaum möglich, sich für eine Wohnüberbauung eine radikalere Form des Wettbewerbes der Ideen vorzustellen. Der Wohnungsmix wird nur als ungefähre Richtgrösse vorgegeben. Der Ausbaustandard kann durch den Anbieter völlig frei bestimmt werden. Hinsichtlich der Bauqualität wird im Pflichtenheft nur gesagt, dass sie allen Gesetzen entsprechen muss.

Im Pflichtenheft ist eindeutig definiert, welches Ziel die Anbieter erreichen müssen: Die Rendite (netto) soll möglichst hoch sein. Mit einer Klarheit ohnegleichen wird in den Ausschreibungsunterlagen formuliert, auf welche Weise der Gewinner ermittelt wird (siehe nachstehenden Text).

Auszug aus dem Pflichtenheft: Entscheidungskriterium

Die interessierte Leserschaft stellt fest, dass wir es hier nicht mit einem konventionellen Preiswettbewerb zu tun haben. Nicht das billigste Projekt gewinnt, sondern dasjenige mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis.

  • Ablauf der Totalunternehmersubmission

Die Bauherrschaft lädt zehn Totalunternehmer zur Ausschreibung ein, wovon sechs an der Konkurrenz effektiv auch teilnehmen. Ein Angebot besteht aus einem kompletten Projekt, einer verbindlichen Totalunternehmerofferte und diversen weiteren Unterlagen. Der Werkpreis ist als Pauschalpreis anzugeben. Den Anbietern wird zugestanden, das Projekt nach einer ersten Zwischenbeurteilung durch die Bauherrschaft überarbeiten zu können. Sie erhalten für die Ausarbeitung ihrer Offerten keine Entschädigung.

Die (ausgesprochen sachverständige) Bauherrschaft überprüft und bereinigt die Angaben der Anbieter, beispielsweise die angenommenen Mieterträge. Auf diese Weise ist die nötige Objektivität in der Beurteilung gegeben.

Gewinnerin der Totalunternehmersubmission ist die Arbeitsgemeinschaft der Generalunternehmung Frutiger AG in Thun und des Planungsbüros Suter + Suter AG (später Burckhard + Partner AG). Ihr Projekt zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass fast alle Wohnungen als Maisonette-Wohnungen konzipiert sind. Dies erlaubt eine sehr ökonomische Lösung für die Erschliessung. Eine ganze Reihe weiterer Massnahmen tragen zum attraktiven Preis-Leistungs-Verhältnis bei (kostengünstiger Ausbau, Verzicht auf eine Einstellhalle, kurze Bauzeit etc.). Das ausgeführte Bauwerk demonstriert, dass konsequente Sparbemühungen durchaus einhergehen können mit einer überzeugenden architektonischen Gestaltung.

Wohnüberbauung Bostuden Thun
Beispiel einer Totalunternehmersubmission

  • Problematik des radikalen Renditedenkens

Das kompromisslose Sparen beim Projekt Bostuden ist nicht ganz unproblematisch. Bei einer Besichtigung fällt der Verzicht auf die unterirdische Einstellhalle beispielsweise sofort auf. Bei heutigen Wohnsiedlungen ist es doch relativ selten, dass die Autos im Freien neben dem Haus abgestellt werden. Die Konsequenz davon sind nicht überaus üppige Freiflächen, beispielsweise für Kinder.

Wenn im Pflichtenheft des Wohnbauprojekts Bostuden eine Anforderung an die Umgebungsflächen enthalten gewesen wäre, würde die Siedlung heute vermutlich etwas anders aussehen. Die Mietzinsen wären etwas höher, der Wohnwert wohl aber auch.

Beschreibung der Totalunternehmersubmission

Bei der Totalunternehmersubmission sind die Generalunternehmer nicht mehr reine Ausführungsfirmen wie bei der klassischen Generalunternehmersubmission, wo sie von Dritten geplante Bauwerke mit Garantien im Werkvertrag erstellen. Hier sind sie selber planend tätig. Sie haben eine gewisse Ähnlichkeit mit Typenhausanbietern, welche ebenfalls planende Werkunternehmer sind. Allerdings geht es bei der Totalunternehmersubmission nicht um Katalogangebote, sondern um ganz beliebige Bauvorhaben. Basis der Konkurrenzausschreibung ist ein Pflichtenheft.

Die Kreativität spielt somit eine wichtige Rolle bei der Totalunternehmersubmission. Die Totalunternehmer bieten hier nicht eine Werkleistung an, die von Beauftragen des Bauherrn genau definiert worden ist, bei der es nur um den Preis geht. Die bauliche Leistung wird von ihnen vielmehr selber konzipiert. Massgebend für den Entscheid des Bauherrn sind sowohl Qualität wie Preis des Lösungsvorschlags. – Die zwei prägenden Merkmale der Totalunternehmersubmission werden nachfolgend nochmals festgehalten.

  • Merkmal 1: Planung und Ausführung aus einer Hand

Führung und Verantwortung sind beim Gesamtleistungsmodell während des ganzen Projektes an einer Stelle konzentriert: beim Totalunternehmer. Diese ungeteilte Verantwortung reicht von den ersten Überlegungen der Planer (eventuell auf der Basis eines vorgegebenen Grobkonzepts) bis zur Bauausführung im Werkvertrag.

In der wirtschaftlichen Realität kann der Totalunternehmer als Arbeitsgemeinschaft von rechtlich selbständigen Firmen aus den Gebieten Planung (z.B. Generalplaner) und Ausführung (Generalunternehmer) auftreten (siehe dazu das vorangehende Beispiel einer Totalunternehmersubmission, Unterabsatz «Ablauf der Totalunternehmersubmission»). Einer der Projektbeteiligten übernimmt die Federführung. Aber auch so ist der Grundgedanke des Totalunternehmerprinzips gewahrt, dass Führung und Verantwortung an einer Stelle konzentriert sind, nämlich bei der Projektleitung der projektbezogenen Schicksalsgemeinschaft.

  • Merkmal 2: Anbieter in Konkurrenz

Unter den Anbietern von Totalunternehmerleistungen herrscht ein Konkurrenzverhältnis. Der Wettbewerb sorgt dafür, dass sich der Preis der angebotenen Leistung am Markt orientiert. Der Investor erhält somit nicht nur die gesamte Leistung aus einer Hand, er hat zudem die Gewissheit, dass sich der Preis im freien Spiel der Marktkräfte bildet.