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Merkmale des Kostengarantievertrags SIA

In diesem Abschnitt gehen wir näher auf den Kostengarantievertrag SIA ein. Wir betrachten die Stellung des Garanten in der Projektorganisation und befassen uns detaillierter mit seiner Funktion als Controller. Schliesslich gehen wir ein auf die Kosten des Garantenmodells.

Projektorganisation und Vertragsmodelle

Die Projektorganisation bleibt beim Kostengarantievertrag SIA in den Grundzügen gleich wie beim traditionellen Architektenverfahren. Der Leiter des Planungsteams, in der Regel der Architekt, ist nach wie vor während der gesamten Projektdauer direkter Ansprechpartner des Bauherrn. In der Terminologie des SIA wird er als Gesamtleiter bezeichnet. Die Planer können als Einzelleistungsträger oder als Generalplaner organisiert sein. Innerhalb des Planungsteams kümmert sich die Bauleitung um die Aspekte der Bauausführung. Sie ist ebenfalls dem Gesamtleiter unterstellt.

Neu tritt nun beim Kostengarantievertrag SIA der Garant als Controller des Planungsteams auf. Bezüglich seiner Eingliederung gibt es zwei unterschiedliche Möglichkeiten. Sie unterscheiden sich durch den Einbezug des Bauherrn. Der Normalfall ist der Dreiparteien-Vertrag, der Spezialfall der Zweiparteien-Vertrag.

  • Normalfall (Dreiparteien-Vertrag)

Beim Dreiparteien-Vertrag (Vertragsmodell SIA 1018) wird der Vertrag zwischen Bauherr, Planer und Garant abgeschlossen. Der Garant ist auf dem Organigramm rechts neben dem Architekten angeordnet, und zwar bewusst auf halber Höhe zwischen Bauherr und Architekt. Die Controllingfunktion des Garanten (gestrichelte Linie) gilt vor allem der Bauleitung.

Projektorganisation beim Kostengarantievertrag SIA

Quelle: siehe nachfolgender Text

  • Spezialfall (Zweiparteien-Vertrag)

Beim Zweiparteien-Vertrag (Vertragsmodell SIA 1019) wird der Vertrag nur zwischen Planer und Garant abgeschlossen. Das Garantieversprechen des Garanten wird also direkt an den Architekten (Gesamtleiter) abgegeben. Dieser ist somit alleiniger Gesprächspartner des Bauherrn, woraus sich ergibt, dass der Garant, im Gegensatz zum Dreiparteien-Modell, nicht an den regelmässigen Sitzungen der Bauherrschaft mit dem Planer teilnimmt. Er übt seine Controllingfunktion gegenüber dem Architekten (Gesamtleiter) direkt (bilateral) aus.

Je nach Bedürfnis des Bauherrn ist es möglich, dass der Architekt beim Zweiparteien-Vertrag in die Rolle des (planenden) Generalunternehmers schlüpft. Entscheidend ist bei dieser besonderen Form der Projektorganisation, dass sich im Vergleich zum Dreiparteien-Modell die vertragliche Beziehung zwischen Bauherr und Architekt ändert: Der Architekt ist nicht mehr Treuhänder – er fungiert nun als Werkunternehmer. Dies erlaubt ihm, zusätzliche Garantien wie die Termingarantie oder die integrale Qualitätsgarantie anzubieten, was ihm bei der treuhänderischen Rolle gemäss Dreiparteienmodell verwehrt wäre. Darauf gehen wir später näher ein. Siehe dazu die Ausführungen zur Termin- und Qualitätsgarantie (Gewährleistung) . – Beim Zweiparteien-Vertrag kann der Architekt somit entweder als Treuhänder oder als Totalunternehmer tätig sein.

Es liegt auf der Hand, dass die Rolle des Architekten als Totalunternehmer nicht so ohne weiteres mit dem Selbstverständnis des SIA unter einen Hut zu bringen ist. Dieses Vertragsmodell wird daher nur angewendet, wenn es nicht anders geht. – Aber immerhin: Es gibt dafür das Vertragsmodell SIA 1019.

Quellen für die Ausführungen zum Organigramm:
Walder Beat: Damit beim Bauen die Rechnung für alle aufgeht, in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 14. November 2006, Sonderbeilage Bau- und Immobilienmarkt, Seite B 37
zusätzliche Präzisierungen dazu: Veranstaltung des SIA zum Thema Kostengarantievertrag SIA vom 19. Nov. 2012 in Zürich; Unterlage zum Referat von Urs Grieder, SGC Basel; Seite 4

Die Funktion des Garanten

Die Aufgaben des Garanten können zwei Phasen zugeordnet werden: der Analysephase und der Controllingphase.

  • Analysephase

In der ersten Phase überprüft der Garant das Projekt auf Herz und Nieren, besonders unter dem Fokus der Kosten und der Risiken. Für diese Analyse, vergleichbar mit einer Due Diligence, zieht der Garant in der Regel auch unabhängige Fachplaner für Expertisen bei. Resultat dieser Zweitmeinungen ist eine erhöhte Sicherheit im ganzen Prozess der Planung und der Kostenermittlung. Da die Analyse auch vor dem Vorliegen des Kostenvoranschlags des Planers, also bereits nach Vorliegen einer Kostenschätzung (+/–15%) durchgeführt werden kann, erhält der Bauherr in diesem Fall bereits zu einem frühen Zeitpunkt Sicherheit über die Höhe seiner Bauinvestitionen.

Nach eigenen Aussagen der Garanten werden in der Analysephase oft kostensenkende Projektoptimierungen lokalisiert, die nicht zulasten der Qualität und der Materialisierung gehen. Zudem können die offenen Reserven im Kostenvoranschlag verkleinert werden (zum Beispiel von 5% auf 3%), da eine erhöhte Gewissheit besteht über die zu erwartenden Kosten. Beide Massnahmen führen in der Regel dazu, dass als Resultat der Analysephase der Kostenvoranschlag reduziert werden kann. – Siehe dazu auch die Ausführungen über die Reserven beim Kostengarantievertrag SIA.

  • Controllingphase

Die Controllingphase umfasst die gesamte Dauer der Bauausführung. Der Garant prüft in dieser Zeit alle kostenbezogenen Dokumente. Dazu gehören Ausschreibungen, Offerten, Werkverträge, Vergaben, Zahlungsaufträge oder Nachtragsbestellungen. Auch die Baubuchhaltung samt Schlussabrechnung wird kontrolliert. Im Pflichtenheft steht ferner die Kontrolle der Bauausführung. Hinsichtlich der kostenbezogenen Aspekte verfügt der Kostengarant über eine Weisungsbefugnis.

Zusammengefasst hat der Garant also die Funktion eines treuhänderischen Controllingorgans. Zuerst prüft er, ob der Kostenvoranschlag richtig ermittelt worden ist. Anschliessend überwacht er die Bauausführung und stellt sicher, dass die budgetierten Kosten eingehalten werden.

Sicherheit durch Controlling

Wir haben oben festgehalten, dass der Kostengarantievertrag SIA nicht unwesentlich durch ein externes Controlling geprägt ist. Doch was ist eigentlich dar-unter zu verstehen?

Der Garant bringt die besondere Denkweise eines Spezialisten für Risikoübernahme in das Projekt ein. Seine Sinne sind geschärft für alles, was mit Risikobewirtschaftung zu tun hat. Durch seine Integration in das Projektteam ergibt sich eine produktive Bündelung von Know-how zur Bauausführung. Man erreicht dadurch eine ähnlich kritische Masse von Wissen zur Risikobewirtschaftung wie bei einem Generalunternehmer. Mitarbeitende von Generalunternehmern müssen die Denkweise zur Garantieübernahme im Blut haben, denn die ganze Geschäftstätigkeit ist darauf ausgerichtet. Der Garant beim Kostengarantiemodell SIA hat diese Denkweise auch. Durch Einholen von Zweitmeinungen, Austausch von Know-how und durch kritische Fragen trägt er dazu bei, dass die Risiken bekannt und kontrollierbar sind.

Der Garant ist somit «kein Superman», wie sich ein langjähriger Insider des Geschäfts einmal ausgedrückt hat; er weiss nicht alles besser. Aus Sicht des SIA hat es eine gewisse Plausibilität, den Garanten als Sparringpartner des beauftragten Planungsteams (und des Bauherrn) zu bezeichnen.

Garanten in der Deutschschweiz

Zurzeit gibt es im deutschschweizerischen Raum nur zwei Firmen, welche die Garantenrolle übernehmen und auch vom SIA sowie dem Versicherer zertifiziert sind als «Kostengarant SIA» (Stand 2012). Es handelt sich dabei um die Firmen SGC AG in Basel und Metron Architektur AG in Brugg. – Vor allem bei öffentlichen Bauträgern scheint es gelegentlich etwas problematisch zu sein, dass es in unserem Sprachraum nur zwei Anbieter gibt. Oft werden bei der Beschaffung derartiger Planerleistungen nämlich drei Angebote verlangt.

Das Garantenmodell ist ursprünglich von den beiden Berufsverbänden SIA und BSA (Bund Schweizer Architekten) gemeinsam entwickelt worden. Der BSA hat sich später ins zweite Glied zurückgezogen und heute wird es vom SIA betreut. Es trägt darum auch den Namen «Kostengarantievertrag SIA». Der SIA wacht darüber, dass der Kostengarant die Interessen des Berufsverbandes wahrnimmt. Er verlangt von ihm ein profundes Grundverständnis für alle Belange der Architektur. Zudem gibt es detaillierte Minimalvorschriften über den Einfluss der Architekten beim Aktienkapital und den Gesellschaftsorganen der Garantenfirma (Verwaltungsrat, Geschäftsleitung). Der Garant muss das Berufsverständnis der SIA-Architekten somit quasi in den Genen haben.

Die Kostengarantie im Detail

Die Preisbestimmung beim Kostengarantievertrag hat eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Preisbestimmungsmodell der offenen Abrechnung mit Kostendach beim Generalunternehmermodell, sie ist aber wesentlich differenzierter geregelt. Anhand des nachfolgenden Beispiels wollen wir uns mit den Elementen der Preisbestimmung näher vertraut machen.

Beispiel zur Preisbestimmung beim Kostengarantievertrag SIA (alle Angaben exkl. MWSt.)

Quelle des Beispiels: Website der Firma SGC AG (Jahr 2010)

  • Garantierte Kosten

Im Beispiel betragen die garantierten Kosten 14 460 200 Fr. Sie umfassen die BKP-Hauptgruppen 1 (Vorbereitungsarbeiten), 2 (Gebäude) und 4 (Umgebungsarbeiten). Nicht enthalten in den garantierten Kosten sind in der Regel die Honorare und die Baunebenkosten. Je nach Bedarf der Bauherrschaft oder des Planers können aber auch diese Positionen in die Garantie einbezogen werden.

Die garantierten Kosten des Kostengarantievertrags SIA entsprechen weitgehend dem Kostendach des Generalunternehmermodells (nur die Subunternehmerleistungen berücksichtigt, nicht jedoch das Generalunternehmerhonorar). Siehe dazu auch die Tabelle «Generalunternehmerhonorare bei zwei verschiedenen Projektgrössen».

  • Garantierte Kostenüberschreitung

Es ist ein Wesensmerkmal des Kostengarantievertrags SIA, dass die Kosten in der Regel nicht unbegrenzt garantiert werden, sondern nur bis zu einer gewissen Limite. Im Beispiel beträgt das Maximum der garantierten Kostenüberschreitung 1 450 000 Fr., was etwa 10% der garantierten Kosten entspricht. Dies ist ein wesentlicher Unterschied zum Generalunternehmermodell, bei dem die Kosten unbegrenzt garantiert werden: Was immer auch passiert, der Besteller be-zahlt dort nicht mehr als die Vertragssumme.

In der Praxis scheint es kein grosses Problem zu sein, dass beim Kostengarantievertrag SIA die garantierte Kostenüberschreitung limitiert ist. Die Erfahrung zeigt nämlich, dass die allermeisten Kostenüberschreitungen (sofern sie überhaupt auftreten) unter einem gewissen Wert liegen (z.B. unter 10% des Kostenvoranschlags). Beim Kostengarantievertrag SIA ist die Gefahr von Kostenüberschreitungen zusätzlich begrenzt, weil der Garant das Projekt vor der Ausführung hinsichtlich seiner Risiken und Kosten eingehend geprüft hat.

Je nach Risikoeinschätzung bei einem Projekt beziehungsweise Risikobereitschaft des Bauherrn kann der Prozentwert der garantierten Kostenüberschreitung auch höher als der oben genannte Wert von 10% angesetzt werden, zum Beispiel bei 15% oder gar mehr als 20% der garantierten Kosten. Gemäss meinen Abklärungen ist ein Projekt noch nie daran gescheitert, dass man sich bei der Höhe der garantierten Kostenüberschreitung nicht hat einigen können.

  • Franchise, Selbstbehalt

Bei einem weiteren Wesensmerkmal des Kostengarantievertrags SIA zeigt sich, dass dieses Realisierungsmodell stark vom Versicherungsgedanken geprägt ist. Wenn die garantierten Kosten nämlich überschritten werden, gibt es zuerst einen Selbstbehalt für die Projektbeteiligten (siehe dazu auch die Ausführungen zum Thema «Malus bei Überschreitung der garantierten Kosten», nachfolgend). Im konkreten Fall beträgt dieser 200 000 Fr., was etwa 1.4% der garantierten Kosten entspricht. Beim Generalunternehmermodell kennt man den Selbstbehalt nicht.

  • Bonus bei Unterschreitung der garantierten Kosten

Bei einer Unterschreitung der garantierten Kosten wird der Bonus auf die Projektbeteiligten aufgeteilt. Im konkreten Beispiel lautet der Verteilungsschlüssel wie folgt: Bauherr 60%, Beauftragter 30%, Garant 10%. Im Vergleich zum Generalunternehmermodell profitiert der Bauherr somit in einem ähnlichen Ausmass von einer Kostenunterschreitung. Siehe dazu auch die Ausführungen zur offenen Abrechnung mit Kostendach.

  • Malus bei Überschreitung der garantierten Kosten

Der Malus bezieht sich nur auf den Selbstbehalt. Im Beispiel ist der Verteilungsschlüssel gleich wie beim Bonus: Bauherr 60%, Beauftragter 30%, Garant 10%. Bei einem Selbstbehalt von gesamthaft 200 000 Fr. müsste der Bauherr somit einen Anteil von maximal 120 000 Fr. selber tragen.

Elemente der Preisbestimmung verhandelbar

Die Werte der oben besprochenen Elemente der Preisbestimmung wie garantierte Kostenüberschreitung, Franchise/Selbstbehalt oder Aufteilungsschlüssel bei Bonus und Malus sind nicht in Stein gemeisselt und können zwischen den Ver-tragsparteien in gewissen Grenzen individuell vereinbart werden.

  • Beispiel

In einem neueren Fachartikel in der Verbandzeitschrift des SIA zum Thema Kostengarantievertrag werden Parameter der Preisbestimmung genannt, die von den oben dargelegten abweichen (Quelle: TEC 21, Ausgabe Nr. 22 vom 25. Mai 2012, Seite 36, Autor: Urs Grieder). Der Selbstbehalt beträgt hier 1% der Kostenüberschreitung. Zur Aufteilung wird gesagt, dass die drei Projektbeteiligten den Selbstbehalt in der Regel dritteln. Bezogen auf das obige Beispiel würde der Selbstbehalt also 145 000 Fr. betragen, und der Bauherr müsste sich daran maximal mit knapp 50 000 Fr. beteiligen.

Garantenhonorar und Versicherungsprämie

Die Kosten des Garantenmodells setzen sich zusammen aus dem Controlling-Honorar für den Garanten und der Prämie für die Risikoübernahme durch die Versicherung. Sie sind abhängig von der Projektgrösse und den übernommenen Projektrisiken. Für die Kosten kann, in Prozenten der Kostenvoranschlagssumme ausgedrückt, ganz grob von einem Wert von 1.5% bis 3% ausgegangen werden (Quelle: Walder Beat: Damit beim Bauen die Rechnung für alle aufgeht, in: Neue Zürcher Zeitung, Zürich, 14. November 2006, Sonderbeilage Bau- und Immobilienmarkt, Seite B 37).

Beispiel für die Kosten des Garantenmodells

Annahmen für die Kosten des Garanten (2.5% des KV) durch den Autor

Hauptvorteile des Kostengarantievertrags aus der Sicht des SIA

Aus der Sicht des SIA ist das neue Realisierungsmodell ein sehr schlagkräftiges Mittel, um wieder Marktanteile im Ausführungsgeschäft zu gewinnen. «Planungsbüros können damit ihrer Kundschaft dieselben Garantien wie General- und Totalunternehmer bieten, mit dem Unterschied, dass sie ihre Führungsrolle beibehalten, bei der Architektur die volle Freiheit geniessen und die Bauherrschaft das Mitspracherecht behält» (Quelle: SIA News 5.2.2007).

Müssen sich die Generalunternehmer nun Sorgen machen, wenn sie gegen die freien Planer bestehen wollen? Welcher Bauherr sollte sich noch an den Generalunternehmer halten, wenn er vom freien Planer mit dem Kostengarantievertrag SIA die gleichen Garantien bekommt, aber zusätzlich noch eine «bessere» Architektur und erst noch mehr Mitsprachemöglichkeiten? Mit diesen Aussagen wollen wir uns nun auseinandersetzen.