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Leseprobe aus dem Kapitel 7: Allgemeine Vertragsbedingungen

Leseprobe 2: «Vertretung des Auftraggebers»

Es geht hier um folgenden Artikel in den «Allgemeinen Vertragsbedingungen» (Art. 1 SIA-Honorarordungen 102 ff.; Ausgabe 2014):

Artikel 1.2 «Pflichten des Beauftragten»; Absatz 3

Das Thema der Vertretung des Bauherrn durch den Architekten ist einer der wichtigsten Punkte, der im Rahmen des Planervertrags geklärt werden muss. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind die nachfolgenden Ausführungen darüber so umfangreich geraten.

Der Architekt ist beim Bauen in vielerlei Hinsicht der Stellvertreter der Bauherrschaft. Seine Legitimation, im Namen des Auftraggebers gewisse Rechtshandlungen (Tätigkeiten) vorzunehmen, bezeichnet man als Vollmacht. Wie bei jeder Stellvertretung ist es auch beim Architekten nötig, den Umfang der Vertretungsbefugnisse genau zu vereinbaren. Er hat keine Generalvollmacht, alles und jedes betreffend. Er soll nicht Entscheide treffen, welche die Bauherrschaft sich selbst vorbehalten möchte. Zudem müssen die Unternehmer wissen, für welche Entschiede oder Anordnungen er legitimiert ist. – Zentrale Bestimmungen zur Vollmacht finden sich im oben genannten Art. 1.2 Abs. 3. Ich zitiere daraus die ersten drei Abschnitte:

  • .31
    Inhalt und Umfang der Vertretungsbefugnisse des Beauftragten richten sich nach dem Vertrag.
  • .32
    Im Zweifelsfall hat der Beauftragte die Weisungen des Auftraggebers einzuholen für alle rechtsgeschäftlichen Vorkehren sowie für Anordnungen, die terminlich, qualitativ oder finanziell wesentlich sind.
  • .33
    Gegenüber Dritten, wie Behörden, Unternehmern, Lieferanten, und weiteren Beauftragten, vertritt der Beauftragte den Auftraggeber rechtsverbindlich, soweit es sich um Tätigkeiten handelt, die mit der Auftragserledigung üblicherweise direkt zusammenhängen. Sämtliche mündlichen und schriftlichen Abmahnungen sind umgehend an den Auftraggeber weiterzuleiten.

Aus dem zitierten Text lässt sich ableiten, dass die wirklich wichtigen Rechtshandlungen vom Architekten nicht ohne Absprache mit dem Auftraggeber vorgenommen werden können. Darunter fallen insbesondere solche, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind. Völlig klar ist beispielsweise, dass nur die Bauherrschaft (und nicht der Architekt) Bauarbeiten vergeben und Werkverträge abschliessen kann. Bei einem breiten Feld von Tätigkeiten ist aber eine Stellvertretung möglich und notwendig. Das Paradebeispiel ist die örtliche Bauleitung, also das Erteilen von Weisungen auf der Baustelle. An vielen Stellen des umfangreichen Leistungsbeschriebs (Art 4. SIA 102; 2014) werden dazu konkrete Beispiele aufgeführt (Allgemeine Leitung und Überwachung der Arbeiten auf der Baustelle; Ausmassarbeiten; Feststellen von Mängeln, Anordnen von Massnahmen und Fristen zu deren Behebung etc.).

Obwohl die Vertretungsbefugnisse in der SIA-Ordnung 102 nicht lückenlos geregelt sind, ergeben sich gemäss meinen Erfahrungen diesbezüglich relativ wenige Probleme. Offenbar hat sich im Baualltag während langer Jahre allmählich eingependelt, was «üblicherweise» zur Vollmacht des Architekten gehört. Trotzdem ist es empfehlenswert, die Vollmacht im Rahmen der Vertragsverhandlungen zu erörtern und allenfalls zu präzisieren. Eine Vollmacht soll nur für Rechtshandlungen erteilt werden, wo eine Vertretung aus sachlichen Gründen nötig ist.

Vollmacht überprüfen

Im SIA-Mustervertrag 1001/1 können nur in einem kleinen Rahmen Vereinbarungen zur Vollmacht getroffen werden, speziell zur Finanzvollmacht (siehe Abschnitt «Stellvertretung und Vollmacht», Seite 117 f.).

Aus meiner Sicht sollte die Bauherrschaft überprüfen, ob darüber hinaus weitergehende Präzisierungen zur Vollmacht des Architekten angezeigt sind. Diese Verifikation kann darin bestehen, dass die Bauherrschaft mit dem Architekten den ganzen Projektablauf systematisch durchspricht. Dabei hält sie sich mit Vorteil an den Leistungsbeschrieb (Art. 4 SIA-Ordnung 102; 2014), der recht detailliert ist (12 Seiten; von Vorprojekt bis Abschluss). Der Architekt soll speziell jene Tätigkeiten (Rechtshandlungen) hervorheben, bei denen er seiner Ansicht nach den Auftraggeber rechtsverbindlich vertreten will, weil diese Tätigkeiten «mit der Auftragserledigung üblicherweise direkt zusammenhängen». Ein spezielles Augenmerk ist dabei auf die nachfolgend aufgeführten Punkte zu legen: A. Regierapporte, B. Bestellungsänderungen, C. Schlussabrechnung und D. Abnahmen. Sie betreffen die Vollmacht der Bauleitung gegenüber den Unternehmern während der Bauausführung.

Fall A: Regierapporte

Bei Regiearbeiten bemisst sich die Vergütung nach dem Aufwand an Arbeitszeit und Material des Unternehmers. Der Unternehmer darf in der Regel nicht von sich aus Regiearbeiten ausführen. Sie müssen von der Bauleitung ausdrücklich angeordnet (bestellt) werden. Regiebestellungen, insbesondere grössere, sollen vorgängig der Bauherrschaft zur Genehmigung unterbreitet werden. Der Unternehmer muss für Regiearbeiten täglich einen Regierapport erstellen.

Auch wenn es unbestritten ist, dass die Bauleitung nicht von sich aus Regiearbeiten auslösen darf, wird die Bauherrschaft in der Praxis doch immer wieder mit Regierechnungen in nicht erwarteter Höhe konfrontiert. Der Grund für die Überschreitung dürfte in der Regel darin liegen, dass der budgetierte Arbeitsumfang der Regiearbeiten nicht eingehalten werden kann und die Kosten deswegen eskalieren. Das Ausmass der Regiearbeiten stellt also die Überraschung für die Bauherrschaft dar und nicht die Notwendigkeit von Regiearbeiten an und für sich.

Die Bauherrschaft sollte nicht warten, bis die Regierechnungen bei ihr eintreffen. Es ist ihr zwar auch zu diesem Zeitpunkt noch möglich, die Forderung zu bestreiten. In Einzelfällen wird sie dabei auch Erfolg haben. Meiner Ansicht nach ist es aber besser, wenn sie sich so früh wie möglich in die Überwachung der Regiearbeiten einschaltet. Die folgenden zwei Schutzmassnahmen können dabei empfohlen werden:

  • Methode 1: Zweitunterschrift

Bei dieser Schutzmassnahme gilt ein Regierapport erst dann als rechtskräftig unterzeichnet, wenn er sowohl von der Bauleitung wie von der Bauherrschaft visiert ist. Der Bauleiter erhält dadurch gegenüber dem Werkunternehmer eine gewisse Rückenstärkung, und die Bauherrschaft ist über pendente Regiearbeiten immer informiert.

  • Methode 2: Beantragung in Form von Budgets

Wie bereits oben erwähnt, muss die Bauleitung die Ausführung von Regiearbeiten bei der Bauherrschaft beantragen. Bei grösseren Regiearbeiten kann diese Beantragung in Form von Budgets für Zeiteinheiten geschehen. Es kann sich hier beispielsweise um ein Wochen- oder Monatsbudget handeln. Die Bauleitung darf nur Regiearbeiten bestellen, wenn das entsprechende Budget von der Bauherrschaft vorgängig freigegeben wurde.

Fall B: Bestellungsänderungen

Bestellungsänderungen sind im Bauwesen relativ häufig. Dabei ist zu unterscheiden zwischen geplanten und ungeplanten Änderungen. Von einer geplanten Bestellungsänderung sprechen wir dann, wenn der Besteller ohne äusseren Druck beschliesst, ein Werk anders als geplant auszuführen. Diese Art von Bestellungsänderung ist in der Regel unproblematisch.

Viel heikler sind die ungeplanten Bestellungsänderungen. Sie treten etwa dann auf, wenn sich im Verlauf der Umgebungsarbeiten zeigt, dass die bestellten Mengen nicht ausreichen: Es gibt mehr Erdbewegungen als geplant, teu¬rere Hangsicherungen als vorgesehen und zusätzliche Leitungen. Auch Umbauten und Sanierungen sind sehr anfällig auf ungeplante Bestellungsänderungen.

Schutzmassnahmen sind vor allem nötig bei ungeplanten Änderungen. Die Bauleitung darf zusätzlich benötigte Leistungen nicht von sich aus bestellen. Es darf keine «stillschweigenden» Mehrbestellungen von ihr geben, die unsichtbar sind für die Bauherrschaft – selbst wenn sie notwendig sind. Rechtshandlungen, die mit finanziellen Konsequenzen verbunden sind, muss sie grundsätzlich der Bauherrschaft zur Genehmigung vorlegen.

Im Zusammenhang mit Bestellungsänderungen sei auf die Pflicht des Planerteams und speziell des Gesamtleiters zur ständigen Kosteninformation gegenüber dem Bauherrn verwiesen (siehe Absatz «Ständige Kosteninformation»; Seite 113).

Fall C: Schlussabrechnung

Spätestens zwei Monate nach Abnahme seines Werkes hat der Unternehmer die Schlussabrechnung einzureichen. Diese gibt Aufschluss über die geforderte Vergütung sowie über sämtliche gestellten Rechnungen und erhaltenen Zahlungen. Für die Prüfung steht der Bauleitung nach SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) ein Monat zur Verfügung.

Das letzte Wort im Rechnungswesen und speziell bei der Schlussabrechnung muss die Bauherrschaft haben – und nicht die Bauleitung. Es geht nicht an, dass die Bauleitung in eigener Kompetenz Rechnungen verbindlich anerkennt und somit die Bauherrschaft zu Zahlungen verpflichtet. Sie muss sich darauf beschränken, die Schlussabrechnung zu prüfen. Nur die Bauherrschaft kann sie anerkennen.

Betrachten wir dazu ein Beispiel. Nehmen wir an, dass wegen eines Planungsfehlers des Architekten ein Baustellenkran länger als vorgesehen stehen bleiben muss. Es entstehen Mehrkosten von rund 10 000 Fr. Die Mehrmiete des Krans erscheint offen ausgewiesen in der Rechnung des Baumeisters.

Aus juristischer Sicht ist der Fall klar: Der Architekt hat seinen Auftrag fehlerhaft erfüllt, wofür er haftet. Aus menschlicher Sicht ist es aber verständlich, dass er den Schaden nicht gerne selbst übernimmt, sondern versucht, ihn der Bauherrschaft anzulasten. Nur eine aufmerksame Bauherrschaft hat die Chance, bei der Kontrolle der Schlussabrechnung eine derartige Vertuschung zu erkennen. Sie wird anstreben, dass die Bauleitung den Schaden (oder wenigstens einen Teil davon) selbst übernimmt. – Es ist daher unerlässlich, dass bei der Genehmigung der Rechnungen die Bauherrschaft das letzte Wort hat.

Fall D: Abnahmen

Wenn ein Unternehmer sein Werk vollendet hat, geht es in der Regel in einem formellen Akt in die Obhut der Bauherrschaft über. Diesen Vorgang bezeichnet man als Abnahme. Die Abnahme läuft so ab, dass das Werk von Bauleitung und Unternehmer gemeinsam geprüft wird. Allfällige Mängel werden in einem Abnahmeprotokoll festgehalten.

Gelegenheitsbauherren haben (anders als professionelle Bauherren) in der Regel nicht die Möglichkeit, selbst an den Abnahmen teilzunehmen. In den meisten Fällen ist es auch nicht problematisch, wenn die Abnahme von der Bauleitung in ihrem Auftrag vorgenommen wird. In Einzelfällen kann sich allerdings eine zu wenig sorgfältige Abnahme für die Bauherrschaft negativ auswirken. In diesem Zusammenhang ist eine Vereinbarung in der SIA-Norm 118 (Allgemeine Bedingungen für Bauarbeiten) speziell wichtig. Gemäss dieser Bestimmung entfällt die Haftung des Unternehmers für einen Mangel, der von der Bauleitung bei der Abnahme zwar erkannt, aber nicht geltend gemacht worden ist. Anders ausgedrückt: Offensichtliche Mängel, die im Abnahmeprotokoll nicht aufgeführt sind, gelten als genehmigt.

Es ist ratsam, dass die Bauherrschaft das Problem der Abnahmen mit der Bauleitung bespricht. Die Bauherrschaft soll sich vergewissern, dass erkennbare Mängel bei der gemeinsamen Prüfung auf jeden Fall geltend gemacht werden. Angezeigt ist allenfalls auch eine Vereinbarung in den Werkverträgen, dass Abnahmeprotokolle erst gültig sind, wenn sie nicht nur von der Bauleitung unterzeichnet sind, sondern zusätzlich auch von der Bauherrschaft.