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Leseprobe aus dem Kapitel 6: Honorarfaktoren

Leseprobe 1: «Faktor i: Teamfaktor»

Der Teamfaktor i ist 2003 mit der Einführung des Zeitaufwandmodells neu in die Honorarformel aufgenommen worden. Die entsprechenden Erläuterungen sind in der SIA-Honorarordnung 102 (Ausgabe 2014) sehr kurz gehalten. «Mit dem Faktor i wird die teamspezifische Abweichung vom durchschnittlich aufzuwendenden Zeitaufwand für das Erbringen der vereinbarten Leistung prognostiziert. Der Faktor i ist kein Mass für die Qualität der Leistung» (Art 7.9 SIA 102; 2014).

In der revidierten Ordnung 2014 steht nicht mehr wie in der Vorversion, dass Abweichungen vom Werte 1.0 zu begründen seien. Allerdings findet man die Aufforderung zur Begründung im Mustervertrag (SIA 1001/1; Ziffer 4.3).

Innovation Teamfaktor

Mit dem Teamfaktor i wird 2003 die traditionelle Honorarkalkulation des Bauplanungsgewerbes um einen neuen Gesichtspunkt erweitert. Man geht nicht mehr a priori davon aus, dass alle Anbieter gleich produktiv sind, sondern akzeptiert Unterschiede: Es gibt effizientere Teams und weniger effiziente. Der Preis einer Planerleistung hängt nun nicht mehr ausschliesslich von der Planungsaufgabe an und für sich ab (sowie von den vermutlich nicht allzu stark voneinander abweichenden Stundenansätzen), sondern auch davon, wie gut ein Anbieter organisiert ist. Je effizienter er ist, desto weniger Zeit braucht er, und desto besser sind seine Voraussetzungen, günstig zu offerieren.

Ein effizientes Team zeichnet sich durch Merkmale wie die folgenden aus:

  • gute Teamführung
  • viel Erfahrung; spezifisches Know-how
  • hohe Entscheidungsfreudigkeit
  • kleine Teamgrösse; wenige interne Schnittstellen
  • leistungsfähige Arbeitsinstrumente und technische Einrichtungen

Möglicherweise haben wir den Teamfaktor i der Wettbewerbskommission des Bundes (WEKO) zu verdanken. Ich weiss nicht, wie die Verhandlungen in der Zeit um 2002 zwischen ihr und dem SIA im Hinblick auf die Konzeption eines kartellverträglichen Honorierungsmodells abgelaufen sind, darum sei es mir erlaubt zu spekulieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass der Teamfaktor i ein wichtiger Diskussionspunkt gewesen ist. Der Faktor i wäre in diesem Sinne der Beitrag der WEKO zum neuen Zeitaufwandmodell.

Der SIA hätte den Faktor vermutlich am liebsten weggelassen. Traditionell ist ihm nämlich viel an einem Leistungswettbewerb gelegen, aber nur wenig an einem Preiswettbewerb. Die Honorarberechnung anhand des «durchschnittlichen Zeitaufwandes Tm» gemäss Schritt 1 der aktuellen Honorarformel (Art. 7.2 SIA 102; Ausgabe 2014) hätte dem Leitbild des reinen Leistungswettbewerbs ganz gut entsprochen. Dann wären nämlich alle Angebote, nur leicht differenziert durch die etwas variierenden Stundensätze, vergleichbar hoch gewesen. – Mit dem Teamfaktor i herrscht nun im Bauplanungsgewerbe, wie in den meisten anderen Wirtschaftszweigen auch, ein Wettbewerb der Produktivität.

Beobachtungen zur Anwendung in der Praxis seit 2003

In den ersten Jahren nach der Einführung des Zeitaufwandmodells im Jahr 2003 ist der Teamfaktor kaum in Erscheinung getreten. Dies ist auch nicht verwunderlich. Da die neue Honorarformel des SIA in dieser Zeit zu tiefe Werte für den durchschnittlichen Zeitaufwand Tm ausgewiesen hat (siehe dazu die Erläuterungen zum Faktor p; Seite 58 ff.), hat es auch keinen Anlass gegeben, beim ohnehin zu knappen Zeitbudget noch eine Reduktion anzubringen. Die Nichtbeachtung des Teamfaktors i ist in Einzelfällen so weit gegangen, dass man ihn ganz weggelassen hat. Ich habe mehrere Honorarkalkulationen gesehen, in denen er in der Honorarformel nicht einmal vorgekommen ist.

In den letzten Jahren hat die Bedeutung des Teamfaktors i allerdings etwas zugenommen, wahrscheinlich bedingt durch die markante Anhebung der p-Faktoren, welche im Zeitraum 2003 bis 2012 um 30% betragen hat. Nun deckt der durch die Honorarformel ermittelte durchschnittliche Zeitbedarf Tm den effektiv zu erwartenden Zeitbedarf auch ab. Die Architektenschaft hat erkannt, dass noch Luft in der Kalkulation ist. Somit ist für die Anbieter das Potential vorhanden, den auftragsspezifisch prognostizierten Zeitaufwand Tp unter dem durchschnittlichen Zeitaufwand Tm anzusetzen und einen Teamfaktor i einzufügen, der kleiner ist als 1.0. Konkret trifft man für i etwa auf einen Wert von 0.9, in Einzelfällen auch darunter. Ich kann mich aber nicht erinnern, jemals auf eine Begründung gestossen zu sein, wenn der Faktor i kleiner als 1.0 gewesen ist, wie es in der Ausgabe 2003 der Honorarordnung gefordert wurde (Art. 7.11 SIA 102; 2003).

Es ist vermutlich aber auch jetzt noch nicht so weit, mehr als zehn Jahre nach der Einführung des Zeitaufwandmodells, dass alle Bauplanenden wissen, worum es beim Faktor i überhaupt geht. Ich habe in Einzelfällen beispielsweise auch schon die Meinung gehört, und zwar durchaus von zünftig ausgebildeten Architekten, dass der Teamfaktor dann zur Anwendung komme, wenn es um Honorarfragen bei einer projektbezogenen Arbeitsgemeinschaft von eigenständigen (wirtschaftlich voneinander unabhängigen) Planungsbüros gehe. Wenn also zwei Architekturbüros zusammen ein Team bilden, habe die Arbeitsgemeinschaft Anspruch auf einen Teamzuschlag. – Damit hat der Teamfaktor i aber gar nichts zu tun. Es ist zwar denkbar, dass eine vom Auftraggeber verlangte Planergemeinschaft von Architekten zu einem erhöhten Honorar führt, dafür wird aber der Anpassungsfaktor r benutzt (Art. 7.8 SIA 102; 2014). Beim Teamfaktor i jedoch geht es nicht um eine Arbeitsgemeinschaft, sondern um Produktivität. Er ist ein Mass dafür, wie hoch die Produktivität des vorgesehenen Planerteams eingeschätzt wird. Es handelt sich dabei um Mitglieder eines Teams für eine bestimmte Planungsdisziplin (z.B. Architektenleistungen), welche meistens auch aus der gleichen Planerfirma stammen. Es sind jedoch Ausnahmen möglich, beispielsweise ein externer Bauleiter. Aber auch ein selbständig erwerbstätiger Baumanager kann zu einer erhöhten Produktivität des Architektenteams und somit zu einem tiefen Teamfaktor i beitragen.