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Beispiel 3: Honorare im Zeittarif

Unter dem Zeittarif verstehen wir die Honorierung nach Aufwand, also im Stundenlohn. Anhand einer grösseren Bauaufgabe aus dem Gebiet des Industriebaus betrachten wir diese selten angewendete Methode etwas näher.

Ausgangslage

Ein Industrieunternehmen will seine Produktion umgestalten und erweitern. Das Firmenareal umfasst Gebäude, die mehrheitlich sehr alt sind. Aufgrund einer umfassenden Projektdefinition ist der Umfang der Bauarbeiten, bestehend aus Neu- und Umbauten, bereits vor der Verpflichtung der Bauplaner in den Grundzügen klar. Das Investitionsprogramm umfasst eine Vielzahl von Einzelprojekten. Das grösste Teilprojekt ist der Neubau einer Produktionshalle mit etwa 4–5 Mio. Fr. Baukosten. Weitere Projekte beinhalten Umbauten und Sanierungen (total 3–4 Mio. Fr.) sowie Verbesserungen der Infrastruktur (Strassen, Parkplätze) für etwa 1 Mio. Fr. Gesamthaft wird mit Bauinvestitionen von 8–10 Mio. Fr. gerechnet.

Aus früheren Projekten bestehen bereits Kontakte zu Bauplanern, mit denen man gute Erfahrungen gemacht hat. Man verzichtet daher von Anfang an darauf, für die Planeraufträge Konkurrenzofferten einzuholen. Hingegen stellt man grundsätzliche Überlegungen über die Methode der Honorierung an. Berechnungen der bauherrenseitigen Projektleitung ergeben nämlich, dass vor allem bei den Neubauten eine Honorierung nach Aufwand (Zeittarif) wesentlich attraktiver zu sein scheint als das übliche Honorar im Kostentarif. Es kommt hinzu, dass für die vielen noch nicht genau fassbaren Umbauprojekte eine Honorierung im Kostentarif relativ heikel ist. Die Bauherrschaft entschliesst sich darum, konsequent den Zeittarif anzuwenden. Sämtliche Planer werden für alle Teilleistungen im Zeittarif (also nach Aufwand) honoriert. Gesamthaft ergeben sich dadurch Zeittarifhonorare von über 1 Mio. Fr.

Da man die Planer kennt, scheint dieses Vorgehen vertretbar zu sein. Zusätzlich wird noch eine Sicherung eingebaut, damit der finanzielle Aufwand in einem vertretbaren Rahmen bleibt: es wird eine obere Honorarlimite festgelegt, die nicht überschritten werden darf.

Ergebnis nach der Schlussabrechnung

Nach Abschluss des Projektes werden die effektiv bezahlten Honorare mit den mutmasslichen Beträgen verglichen, die im Kostentarif hätten bezahlt werden müssen. Dieser interessante Vergleich ist in der nachfolgenden Tabelle dargestellt. Wir gehen näher darauf ein.

 

  • Gesamtprojekt

Für sämtliche Teilprojekte werden total 1.14 Mio. Fr. Honorare im Zeittarif bezahlt. Dies entspricht 13.6% der honorarberechtigten Baukosten von 8.36 Mio., was im Vergleich zu ähnlichen Projekten ein günstiger Prozentsatz ist. Gegenüber der Abrechnung im Kostentarif ergibt sich eine Einsparung von etwa 162 000 Fr. Zeittarif ist somit im dargestellten Beispiel etwa 12% günstiger als Kostentarif.

 

  • Architekt

Beim Architekten ergibt sich ein Honorar von 618 000 Fr. im Zeittarif, was nur 7.4% der honorarberechtigten Baukosten entspricht. Die Einsparung gegenüber dem Kostentarif von 757 000 Fr. ist markant und beträgt nicht ganz 140 000 Fr. Die Hauptursache dieser geringen Kosten ist in der Organisation der Projektarbeit zu suchen. Der weitaus grösste Teil der Arbeiten wird von nur zwei Personen geleistet, einem Universalarchitekten (Projekt und Ausführungsplanung) sowie einem Bauleiter.

 

  • Bauingenieur

Beim Bauingenieur spart man mit dem Zeittarif (abgerechnet 329 000 Fr.) nichts. Gemäss Tabelle wäre der Kostentarif (318 000 Fr.) sogar etwas günstiger gewesen. Ein genauer Vergleich ist aber nicht möglich, weil auch beim Kostentarif viele Zusatzleistungen nach Aufwand hätten verrechnet werden müssen. Der dafür eingesetzte Betrag (50 000 Fr.) ist nur eine grobe Schätzung.

 

  • Elektroplaner

Hier führen Zeittarif und Kostentarif praktisch zum gleichen Resultat. Das Zeittarif-Honorar ist aus zwei Gründen eher hoch: (1) ist für die Elektroplanung eine grössere Planungsfirma beauftragt mit Stundenansätzen, die eher am oberen Rand des Preisspektrums liegen, und (2) die Rechnungskontrolle wird in Absprache mit der Bauherrschaft sehr rigoros durchgeführt, was zeitaufwendig ist (aber auch erhebliche Einsparungen bringt).

 

  • Planer für Heizung/Lüftung und Sanitär

Für die gesamte HLS-Planung wird das gleichen Planungsbüro beauftragt. Das Zeittarif-Honorar ist aussergewöhnlich günstig. Die Heizungsplanung kostet 45 000 Fr., was nur 8% der honorarberechtigten Baukosten entspricht. Die Einsparung gegenüber dem Kostentarif von 70 000 Fr. ist somit erheblich. Bei der Sanitärplanung sind die Verhältnisse noch krasser.

Das Zeittarif-Honorar ist unter anderem darum so niedrig, weil das beauftragte HLS-Planungsbüro zu einem günstigen Stundensatz arbeitet. Es besteht aus einem kleinen, jungen Team mit fachlich gut ausgebildeten Leuten. Im Vergleich zum Elektroplaner beispielsweise beträgt der mittlere Stundensatz nur etwa zwei Drittel.

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Planerhonorare im Zeittarif (Beispiel Industriebau)

Arch Bauing Elektro Heiz Sanitär
Bezahlte Honorare im Zeittarif
abgerechnete Honorare (1 000 Fr.)
618
329
121
45
22

zum Vergleich: Abschätzung der Honorare im Kostentarif
Honorarber. Baukosten B (1 000 Fr.)
8 360
3 030
830
560
220
Honorar-Grundprozent p (%); Tarif 1991
9.53
11.07
13.90
14.53
18.46
• Neubauten
Honorarber. Baukosten B (1 000 Fr.)
5 000
3 030
830
560
220
Schwierigkeitsgrad n
0.8
0.8
0.9
0.8
0.8
Leistungsanteil q
0.95
1.00
1.00
1.00
1.00
Honorar (1 000 Fr.)
362
268
104
65
32
• Umbauten
Honorarber. Baukosten B (1 000 Fr.)
3 360
Schwierigkeitsgrad n
1.0
Leistungsanteil q
0.95
Umbauzuschlag r
1.25
Honorar (1 000 Fr.)
380
• Zusatzleistungen
nach Aufwand (1 000 Fr.)
15
50
15
5
1
Honorare Kostentarif total
(1 000 Fr.)
757
318
119
70
33

Vergleich Zeittarif – Kostentarif (Honorarangaben in 1 000 Fr.)

effektiv abgerechnete Honorarsumme im Zeittarif
1 135
geschätzte Honorarsumme im Kostentarif
1 297
Einsparung durch Wahl Zeittarif somit
162

Honorar-Mittelwert = 13.56%

Honorar-Mittelwert = Verhältnis von Honorar und honorarberechtigten Baukosten

Fazit, Empfehlungen

Das Beispiel zeigt, dass die Honorierung im Zeittarif auch bei grossen Projekten eine Überlegung wert sein kann. Interessant dürfte sie namentlich bei Bauvorhaben mit vielen sehr unterschiedlichen Teilprojekten sein. Mit Vorteil hält sich dabei die Bauherrschaft an folgende Empfehlungen:

 

  • 1. Obere Kostengrenze festlegen

Realistischerweise muss man davon ausgehen, dass beim Zeittarif die Bauherrschaft die Honorarforderungen der Planer kaum kontrollieren kann. Es empfiehlt sich daher, eine obere Kostengrenze festzulegen. Das ist unter Umständen nicht ganz einfach, vor allem bei Projekten, die mit vielen sogenannten Zusatzleistungen (siehe «Die Leistungen als Basis der Honorarberechnung») verbunden sind. Möglicherweise muss die Grenze im Laufe des Projekts periodisch angepasst werden.

 

  • 2. Wenige, aber gute Projektmitarbeiter

Diese Forderung gilt vor allem beim grössten Auftrag, demjenigen des Architekten. Erfahrungsgemäss sind geringe Planungskosten nur mit kleinen Teams möglich. Bei grossen Teams mit ständig wechselnder Besetzung ist der Aufwand nicht unter Kontrolle zu halten. Es ist problemlos möglich, das Doppelte des budgetierten Aufwandes zu «verbraten», wie man gelegentlich etwa in der Planerbranche sagt.

 

  • 3. Günstige Planer wählen

Es ist keineswegs so, dass sich alle Planer bei der Festlegung ihrer Stundenansätze an die SIA-Tabellen halten. Vor allem noch wenig etablierte Fachleute geben sich mit teilweise erheblich weniger zufrieden. Es ist durchaus möglich, dass in einer Projektorganisation der mittlere Stundensatz des teuersten Fachplaners 50% höher liegt als derjenige des günstigsten. Selbstverständlich muss aber auch beim günstigen Planer die Qualität stimmen.