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Projektbezogene Qualitätssicherung

Auch wenn der Kern der Baukultur, die Ästhetik, nicht messbar ist (und sich folglich der Qualitätssicherung entzieht), gibt es doch sehr viele Bestandteile eines Bauwerkes, wo Qualitätssicherung angebracht und möglich ist. Man bezeichnet derartige begrenzte Massnahmen als projektbezogene Qualitätssicherung QS (neuer Ausdruck: projektbezogenes Qualitätsmanagement QM). Grundsätzlich ist sie bei jenen Bauteilen empfehlenswert, wo erhebliche Risiken bestehen, dass etwas schieflaufen kann. Die Bauherrschaft als oberste Leitungsinstanz muss festlegen, für welche Risiko-Bauteile eine projektbezogene Qualitätssicherung aufgebaut werden soll. Die Hauptverantwortung für Qualität liegt somit eindeutig bei der Bauherrschaft. Da sie mit dieser Aufgabe schon bei einfachen Projekten überfordert ist, denn sie ist ja in der Regel nicht sachkundig, überträgt sie die Qualitätssicherung häufig an Dritte. Die wohl beste Möglichkeit ist die Delegation an einen aussenstehenden Qualitätsbeauftragten. Es ist aber auch denkbar, einen der Planer aus der Stammorganisation (z. B. den Heizungsplaner) mit der Qualitätssicherung für sein Fachgebiet zu betrauen. Damit handelt sie sich aber den Nachteil ein, dass der Prüfende sich selber überprüft.

 

  • Beispiel eines Risiko-Bauteils

Beispiel eines Risiko-Bauteils ist der Betonboden einer Industriehalle, bei dem die zementgebundene Nutzschicht mit einem speziellen Verfahren direkt auf den noch nassen Beton aufgebracht wird. Damit in der ausgehärteten Bodenplatte keine Risse entstehen, ist es sehr wichtig, dass der Unternehmer den Herstellungsprozess absolut unter Kontrolle hat.

Im Rahmen der projektbezogenen Qualitätssicherung kann es angezeigt sein, dass die Bauherrschaft (oder ihr Qualitätsbeauftragter) mit dem Ersteller der Bodenplatte einige Vereinbarungen trifft. Diese können beispielsweise darin bestehen, dass nur ausgebildete und erfahrene Arbeitskräfte einsetzt werden und die Arbeitsausführung auf der Baustelle dauernd durch ein mobiles Labor überwacht wird.

 

  • Qualitätszertifikate

Vermehrt verfügen qualitätsbewusste Organisationen über ein Qualitätszertifikat (nach ISO 9001 ff.). Zertifizierbar sind nicht nur Firmen, die physische Produkte herstellen, sondern auch Anbieter von Dienstleistungen aller Art (Hotels, Berater, Planer, öffentliche Verwaltung etc.). Sie erhalten eine derartige Bescheinigung, wenn sie einer akkreditierten Prüfagentur glaubhaft darlegen können, dass sie ihre Geschäftsprozesse unter Kontrolle haben. Ein Zertifikat ist somit nicht die Auszeichnung für eine geringe Ausschuss- oder Fehlerrate (bei Dienstleistungsfirmen könnte man so etwas auch kaum messen), sondern lediglich der Beleg für eine gewisse Ordnung und Konstanz in den betrieblichen Abläufen. Das Zertifikat ist ein Indiz für eine anhaltend hohe Qualität, aber keine Garantie. Ein gut organisiertes Unternehmen ohne Zertifikat kann durchaus Marktleistungen in vergleichbarer Qualität erbringen.

Durch das Aufkommen von zertifizierten Firmen in der Baubranche, und zwar auf Seite der projektierenden und bauleitenden Planer wie der Unternehmer und Lieferanten, wird für die Bauherrschaft die projektbezogene Qualitätssicherung tendenziell einfacher. Ganz überflüssig wird sie aber vermutlich nicht so schnell.

Am weitesten entwickelt dürfte der Qualitätsgedanke zurzeit auf dem Gebiet des Strassenbaus sein, gefördert vor allem durch das zuständige Bundesamt. Diese Vorreiterrolle ist plausibel, denn im Strassenbau sind in den vergangenen Jahrzehnten gigantische Bauschäden produziert worden. Das steuerzahlende Publikum hat beispielsweise Mühe mit der Vorstellung, das schon nach zwanzig Jahren eine Autobahnbrücke nicht mehr reparierbar sein soll und ersetzt werden muss. Die kategorische Forderung nach mehr Qualität im Strassenbau ist deshalb allein aus Gründen der politischen Vernunft in hohem Masse verständlich.

Beispiel: Projektbezogene Qualitätssicherung in der Wärmetechnik

Die Wärmetechnik ist ein Beispiel eines sinnvollen Einsatzgebietes der projektbezogenen Qualitätssicherung. Wir wollen uns kurz näher mit ihr befassen. Zur Wärmetechnik gehören neben konventionellen Heizungen auch spezielle Anlagen wie Wärmepumpen oder Wärme-Kraft-Kopplungen. (Projektbezogene) Qualitätssicherung ist in der Wärmetechnik zweifellos angebracht, denn es gibt viele bestehende Anlagen, die nicht optimal laufen.

Im Rahmen des Impulsprogramms RAVEL des Bundesamtes für Konjunkturfragen sind standardisierte Verfahren zur projektbezogenen Qualitätssicherung von wärmetechnischen Anlagen entwickelt worden (Quelle: H. R. Gabathuler et al.: Projektbezogene Qualitätssicherung. RAVEL im Wärmesektor, Heft 6. Impulsprogramm RAVEL, Bundesamt für Konjunkturfragen, 1996. Bezugsquelle: Eidgenössische Drucksachen- und Materialzentrale, Bern).

Gemäss dem RAVEL-Konzept besteht der Prozess der projektbezogenen Qualitätssicherung, etwas vereinfacht, aus zwei Schritten:

 

  • Schritt 1: Anforderungen festlegen

Die Qualitätsanforderungen werden während der Planung im QM-Plan festgehalten (QM steht für Qualitätsmanagement). Im Falle von wärmetechnischen Anlagen heisst das, dass eine ganze Reihe von Leistungsmerkmalen (Wärmeproduktion, Betriebsstunden, Vor- und Rücklauftemperaturen etc.) zwischen Bauherr und Planungsteam im Detail vereinbart werden. In der erwähnten Publikation ist ein handliches Formular enthalten, mit dem ohne grossen Aufwand ein nützlicher QM-Plan erstellt werden kann.

Gleichzeitig mit dem QM-Plan wird der Prüfplan erstellt, aus dem hervorgeht, wie die Erreichung der vereinbarten Qualitätsanforderungen später bei der Schlussabnahme geprüft werden soll.

 

  • Schritt 2: Zielerreichung prüfen

Die Schlusspüfung richtet sich nach den Kriterien des Prüfplans. Sie findet mit Vorteil erst nach einer längeren Phase der Betriebsoptimierung statt und damit kurz vor Ablauf der zweijährigen Garantiefrist (Rügefrist). Davon zu unterscheiden ist die Abnahme, mit der das fertige Werk in die Obhut der Bauherrschaft übergeht. Näheres dazu siehe später im Kapitel 11 (Absatz «Abnahme des Werkes» sowie Absatz «Garantiefrist, Garantieschein, verdeckte Mängel»).

Hauptziel der Schlussprüfung ist der Nachweis, dass die Anlage richtig konzipiert ist, optimal läuft und einen guten Wirkungsgrad hat. Für die Bauherrschaft speziell interessant ist der effektive Energieverbrauch, ausgedrückt beispielsweise in der Energiekennzahl (MJ / m2 · a). Mit dieser abstrakten Grösse kann die nicht sachkundige Bauherrschaft allerdings meistens nicht viel anfangen, weit anschaulicher sind für sie etwa der jährliche Bedarf an Heizöl (in Kilogramm) oder die jährlichen Heizkosten (in Franken).