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Qualität beim Bauen hat viele Gesichter

Qualität hängt im Bauwesen von sehr verschiedenartigen Kriterien ab. Nur bei einem Teil davon lässt sich objektiv messen, ob sie erfüllt sind. Diese Art von Qualität, die messbare, kann man etwa als Funktionserfüllung bezeichnen. An jedes Bauwerk wird eine grosse Zahl derartiger überprüfbarer Einzelanforderungen gestellt, vom dichten Dach bis zur optimal eingestellten Heizung. Die andere Art von Qualität beinhaltet ein ungleich schwierigeres Thema, nämlich die formalen und künstlerischen Gesichtspunkte, welche in der Regel nicht messbar sind. Je nach Bauwerk haben die verschiedenen Aspekte von Qualität ein unterschiedliches Gewicht.

Beispiel 1: Lagerhaus

Die Planung eines Gebäudes für die Logistik (Lagerhaus) stellt ein solides Stück Ingenieurarbeit dar. Hier dürften die funktionalen Erfordernisse weit vor den ästhetischen rangieren. Für den durchschnittlichen Investor ist es in erster Linie wichtig, dass das Lager funktioniert (was allerdings keineswegs ausschliesst, dass es nicht auch schön sein kann). Im Normalfall ist daher ziemlich objektiv feststellbar, ob ein Logistikgebäude gut oder schlecht geplant ist, wenigstens für den wirtschaftlich denkenden Bauherrn. Unterschiedliche Investoren kommen bei der Beurteilung der Güte der planerischen Qualität weitgehend zum gleichen Ergebnis.

Beispiel 2: Repräsentationsgebäude

Darunter wollen wir uns Bauwerke vorstellen, an die überdurchschnittliche Ansprüche an die formale Gestaltung gestellt werden. Dazu zählen beispielsweise Regierungsgebäude, Kirchen, Opernhäuser, Bahnhöfe, Banken und dergleichen. Hier stehen eindeutig die ästhetischen, städtebaulichen Gesichtspunkte bei der Beurteilung im Vordergrund.

Meist gehen derartige Projekte aus Wettbewerben hervor. Die höchste planerische Qualität wird jenem Projekt zugesprochen, das den subjektiven Vorstellungen der aus Fachleuten zusammengesetzten Jury am besten entspricht. Unterschiedliche Jurys dürften zu unterschiedlichen Resultaten kommen. Eine gewisse Willkür kann daher bei der Beurteilung der Qualität nicht ausgeschlossen werden. Aesthetische und städtebauliche Fragen sind in hohem Masse subjektiv und von Modeströmungen dominiert.

Ein Lied davon kann beispielsweise der bekannte Zürcher Architekt Theo Hotz singen. In der eigenen Stadt mäkelt 1995 die städtische Kommission, welche die besten Bauen prämiiert, an ihm herum. Sie übergeht ihn bei der Preisverleihung, weil seine transparenten, technischen Werke angeblich nicht dem neuen Trend der «Steinernen Stadt» entsprechen. Das hindert ihn allerdings nicht daran, gleichzeitig in Wien einen Wettbewerb mit überragender städtebaulicher Bedeutung zu gewinnen. Ein wichtiges Argument für seinen Sieg ist, Sie werden es erraten, ausgerechnet die hohe Transparenz seines Vorschlages ...

Die Erfahrungen von Herrn Hotz machen deutlich, dass mit der Zusammensetzung der Wettbewerbsjury weitgehend vorgespurt wird, wer den Wettbewerb gewinnt. Diese Feststellung ist so alt wie die Geschichte der Architektur. Schon Le Corbusier hat mit genialen Entwürfen Wettbewerbe nicht gewinnen können.

Beispiel 3: Wohnsiedlung

Hier spielen beide Aspekte der Qualität eine Rolle, die messbaren und die nicht messbaren. Je nach Anlass der Beurteilung können die Schwerpunkte unterschiedlich gesetzt werden. Bei einem Architektenwettbewerb dürften wie im Beispiel 2 eher die formalen und städtebaulichen Aspekte im Vordergrund stehen. Behörden dagegen, die Gesuche um finanzielle Unterstützung (z. B. im Rahmen der Wohneigentumsförderung WEG) zu behandeln haben, interessieren sich primär für die Wohnqualität. Sie messen sie mit einem eigens dafür konzipierten Beurteilungsinstrument (siehe Abschnitt «Ein Testbericht über Wohnbauten»). Aesthetische Fragen werden dabei ausdrücklich ausgeklammert. Investoren und Immobilienverwaltungen schliesslich verstehen unter Qualität primär Aspekte wie Dauerhaftigkeit der Materialien und Konstruktionen sowie geringe Unterhaltskosten.

Beispiel 4: Typenhaus

Hier zeigt sich sehr deutlich, dass Fachleute und sogenannte Laien unter Qualität und insbesondere unter Schönheit durchaus nicht das gleiche verstehen müssen. Ästhetik ist eine Geschmacksfrage, was wiederum von einigen professionellen Aestheten bestritten werden dürfte.

Zünftige Architekten rümpfen vielfach die Nase über Typenhäuser. Den Käufern dagegen gefällt das Angebot der marketing-orientierten Hersteller. Diese wissen nämlich genau, welches die Wünsche ihrer Kundschaft sind. Hoch im Kurs stehen beispielsweise sogenannte Landhäuser mit Krüppelwalmdächern, viel Holz im Innern und einem Cheminée mit Eichenbalken.

Fazit

Nach diesen Beispielen dürfte klar sein, dass Qualität im Bauwesen ein vielschichtiges Thema ist. Weil Baukunst keine exakte Wissenschaft ist, kann Qualität höchstens in Teilbereichen exakt definiert werden. Unterschiedliche Auslegungen der Qualität sind normal. Das Qualitätsmanagement von Bauwerken ist daher vom Charakter her völlig verschieden von der Qualitätssicherung von Industrieprodukten.

Im Bauwesen ist Qualitätssicherung im klassischen Sinne nur dort möglich, wo man etwas messen kann, etwa bei den meisten Spezifikationen des Pflichtenheftes (Raumgrössen, Raumbeziehungen, Medienversorgung etc.). Man kann auch einwandfrei feststellen, ob ein Flachdach dicht ist oder die Heizungsanlage die vereinbarten Leistungsmerkmale erbringt. Alle diese Einzelanforderungen sind zwar nötig und wichtig, mit Bau-Qualität im umfassenden Sinne hat das aber erst am Rande etwas zu tun. Im Bauwesen fängt die eigentliche Qualität, nämlich die architektonisch-gestalterische, jenseits des Abzähl- und Messbaren an.