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C. Direktauftrag an eine Totalunternehmung

Beim Totalunternehmer-Direktauftrag erbringt ein einziger Vertragspartner, der Totalunternehmer (TU), von der Planung bis zur Ausführung die gesamte Leistung. Praktisch jeder Generalunternehmer strebt heute an, einen derartigen Direktauftrag zu erhalten. Aus der Sicht des Anbieters ist dieses Vorgehen zweifellos interessant, denn es schützt wie kein anderes vor Konkurrenz. Aber es hat auch für die Bauherrschaft Vorteile.

Relativ häufig sind Totalunternehmer-Direktaufträge für standardisierte, meist kleinere Bauwerke. Das typisierte Einfamilienhaus beispielsweise ist in der Regel ein lupenreines Totalunternehmergeschäft, obwohl man diesen Begriff dafür oft gar nicht verwendet. Sehr viel seltener ist der Vertragstyp allerdings für grössere und komplexere Bauaufgaben. Ein Teil der Bauprojekte, die in der Öffentlichkeit als TU-Direktaufträge bezeichnet werden, sind in Tat und Wahrheit auch gar keine solchen, sondern nur Gegengeschäfte, die an einen Landhandel gekoppelt sind. Das Motto lautet hier: «Gibst du mir das Land, geb' ich dir den TU-Direktauftrag». Es sind somit TU-Direktaufträge wider Willen.

Bei nicht professionellen Bauherrschaften wird das Prinzip des TU-Direktauftrages für grössere Bauvorhaben so selten angewendet, dass sich eine ausführliche Besprechung nicht lohnt. Wir gehen daher nur in dieser Übersicht etwas genauer darauf ein und befassen uns später im Buch nicht weiter damit.

 

  • Vertragsfragen

Für den Totalunternehmer-Direktauftrag gibt es einen Mustervertrag des VSGU (Verband der schweizerischen Generalunternehmer), den sogenannten Totalunternehmer-Vertrag (Ausgabe 1993). Dieser beinhaltet in einer einzigen Vertragsurkunde Planung und Ausführung. Da das Projekt beim Vertragsabschluss noch nicht vorliegt, kann dafür selbstverständlich auch kein Preis angegeben werden. Zentrale Vertragsbestandteile wie Projektbeschrieb und Preis werden erst im Laufe der Planung ausgearbeitet. Der Totalunternehmer-Vertrag ist daher ein betont summarischer Vertrag. Während der Planungsphase hat er den Charakter eines Planungsvertrages, der anschliessend für die Bauausführung übergeht in einen Generalunternehmer-Werkvertrag. Als übliche Variante für die Preisbestimmung ist im Mustervertrag die offene Abrechnung vorgesehen (ohne Kostendach). Es können allerdings auch Varianten vereinbart werden, die für die Bauherrschaft weniger Risiken beinhalten (Pauschalpreis, offene Abrechnung mit Kostendach etc.).

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass es der Bauherrschaft freisteht, für den gleichen Leistungsumfang zwei separate Verträge abzuschliessen. Für die Planung kann es beispielsweise ein Generalplanervertrag sein und anschliessend für die Ausführung ein Generalunternehmer-Werkvertrag. Bei Planungsfirmen, die selber auch als Generalunternehmer auftreten, ist dieser Weg der Normalfall. Für die Bauherrschaft hat dieses Vorgehen den Vorteil, dass zwei separate Verträge weniger bindend sind als ein einziger, umfassender Vertrag.

Vorteile des Totalunternehmermodells (gemäss Lehrbuch)

Der Direktauftrag an eine Totalunternehmung erscheint für die Bauherrschaft in einem attraktiven Licht. Die Vorteile dieses Verfahrens sind (mindestens in der Theorie) offensichtlich.

 

  • Geringe Kosten

Die Kosten sind gering, so wird gesagt, weil die Totalunternehmung durch die umfassende Beauftragung alle Register der Projektoptimierung spielen kann. Die Kopplung zwischen Planung und Ausführung ist gewährleistet. Die besten Planer können verpflichtet werden. Einer starken Gesamtleitung steht nichts im Wege.

 

  • Geringe Risiken

Die Risiken sind, so die Argumentation, beim TU-Modell für den Bauherrn noch geringer als beim Generalunternehmermodell. Der Unternehmer hat auch für die Schnittstellen zwischen Planung und Ausführung einzustehen. Er liefert quasi eine Systemgarantie.

 

  • Geringe Belastung der Bauherrschaft

Der Aufwand des Bauherrn ist beim normalen Totalunternehmermodell im Direktauftrag tendenziell am geringsten von allen Modellen. Es gibt während der ganzen Projektdauer nur wenige Eingriffe und Entscheide. Die Bauherrschaft kann sich darauf beschränken, das Projekt zu begleiten, statt es aktiv zu leiten. Um den grössten Teil aller Schnittstellenprobleme muss sie sich nicht kümmern.

Beispiel 1: Ein gelungener Totalunternehmer-Direktauftrag

Ein interessantes, wenn auch nicht unbedingt alltägliches Beispiel eines Totalunternehmer-Direktauftrages betrifft den Neubau der japanischen Botschaft in Bern in den Jahren 1993 bis 1996. Die Generalunternehmung der Firma Frutiger AG wird von der Bauherrschaft für den Auftrag beigezogen, weil sie eine hohe Gewähr dafür bietet, dass das schwierige Projekt erfolgreich realisiert werden kann.

Das Projekt beinhaltet eine ganze Reihe von Herausforderungen. Zunächst gilt es, ein Stück Land zu finden, das der Botschaft einer mächtigen Industrienation würdig ist. Dann muss ein Vertrag mit internationalen Dimensionen konzipiert werden, der weit über das hinausgeht, was in schweizerischen Vertragswerken üblich ist. Eine weitere Hürde besteht darin, eine unorthodoxe Lösung zu entwickeln für die Zwischenfinanzierung des Bauprojektes durch den Totalunternehmer, bis das fertige Bauwerk durch die Bauherrschaft übernommen wird. Zu guter Letzt kommen noch herausfordernde Limiten für die Baukosten hinzu.

Das Resultat ist ausgesprochen erfreulich. Trotz der knappen Kosten entsteht Qualität. Die architektonische Gestaltung durch das vom Totalunternehmer beigezogene Architekturbüro GWJ Architekten AG aus Bern genügt sehr hohen Anforderungen. Gesamthaft gesehen, hat der Totalunternehmer seine Projektoptimierungsfunktion voll-umfänglich wahrgenommen und eine überzeugende Gesamtleistung erbracht.

Beispiel 2: Ein Projekt, das mit «Zähneknirschen» verbunden ist

Die Realität zeigt, dass der Totalunternehmer-Direktauftrag nicht zwangsläufig zu einem Projektablauf führen muss, der (wie es im Lehrbuch steht) für die Bauherrschaft risikolos, bequem und unbeschwert abläuft. Ein bekanntes Beispiel dafür ist der Neubau des Dienstleistungsgebäudes der Kantonalbank von Bern in Bern-Liebefeld. Obwohl Generalunternehmer im Kanton Bern (im Unterschied etwa zum Kanton Zürich) weder einen grossen Marktanteil noch eine lange Tradition aufweisen (schon gar nicht für öffentliche Bauvorhaben), kommt unerwartet ein Generalunternehmer an diesen grossen Auftrag heran. Er kann ihn dadurch sichern, dass er die Bauparzelle zur Verfügung stellt. Er setzt durch, dass ihm der komplette Auftrag für Planung und Ausführung erteilt wird.

Bei Baubeginn 1989 rechnet man mit Investitionen von 160 Mio. Während der Bauarbeiten steigen die Kosten jedoch dramatisch an. Zwei Jahre später, im Jahre 1991, müssen sie «zähneknirschend» um nicht weniger als 90 Mio. nach oben korrigiert werden, wie die Zeitung «Der Bund» (Bern, Ausgabe vom 27. Dezember 1995) berichtet. Als das Gebäude im Jahre 1995 schliesslich fertig wird, scheint auch die unterdessen ausgewechselte Geschäftsleitung der Bank vom Ergebnis nicht sonderlich begeistert zu sein. Sie verzichtet nämlich kurzerhand auf eine feierliche Eröffnung dieses Mammutgebäudes, das zu den grössten seiner Art hierzulande zählen dürfte. Wer die salbungsvollen Einweihungen im Kanton Bern kennt, mit Prominenz aus Politik und Wirtschaft, mit Züpfe, Hamme und edlen Weinen, kann sich über diesen Verzicht nur wundern.

Die oben angeführten Vorteile des Totalunternehmermodells für die Bauherrschaft sind also etwas zu relativieren. Risikolos scheint das Verfahren primär für die Totalunternehmung zu sein, nicht aber zwangsläufig auch für den Besteller des Bauwerkes. Es ist auch nicht so, dass die zeitliche und intellektuelle Belastung für die Bauherrschaft minimal sein muss. Im Beispiel der Berner Kantonalbank hat die Geschäftsleitung während des laufenden Projektes zusätzlich ein sogenanntes «beratendes Projektmanagement» einsetzen müssen, weil sie ohne externe fachliche Hilfe das Projekt offenbar nicht mehr im Griff gehabt hat. Dies ist erstaunlich, da eine grosse Bank normalerweise nicht gerade unerfahren in Baufragen ist.

Ausblick

Auch wenn der Marktanteil der echten Totalunternehmer-Direktaufträge (ohne Gegengeschäfte) heute noch klein ist, glaube ich an eine weitere Verbreitung dieses Modells. Ein Anbieter sollte aber einige Voraussetzungen erfüllen, damit man ihn ohne Vorbehalte in Betracht ziehen kann. Zunächst soll sich der Totalunternehmer zweifelsfrei darüber ausweisen können, dass er in der Lage ist, Projekte umfassend zu optimieren. Dazu gehören neben den unerlässlichen Fachkenntnissen und Erfahrungen eine hohe Kultur der Kommunikation innerhalb der Firma sowie effiziente Instrumente zur Kostenermittlung. Ferner ist meiner Ansicht nach erforderlich, dass der Totalunternehmer gegenüber dem Kunden in hohem Masse offen ist. Der «gläserne» Totalunternehmer darf keine Geheimnisse vor dem Kunden haben, insbesondere nicht solche über die Kosten.

Es ist allerdings zu vermuten, dass diese Transparenz vor allem sachkundigen Bauherrschaften etwas nützt, nicht aber Gelegenheitsbauherren. Nur professionelle Investoren können die Kostenangaben des Totalunternehmers beurteilen. Darum dürfte das Totalunternehmermodell vor allem für sie in Frage kommen. Sie haben aufgrund ihrer Marktkenntnisse auch die Fähigkeit, den richtigen Totalunternehmer für eine gegebene Aufgabe auszuwählen.

Für nicht sachkundige Bauherrschaften dagegen ist, falls sie sich überhaupt auf das Totalunternehmermodell einlassen, eher der nachfolgend beschriebene Totalunternehmerwettbewerb (Gesamtleistungsausschreibung) das geeignete Verfahren. Hier haben sie die Gewissheit, dass die Lösungen optimiert und die Kosten marktkonform sind, weil die Kräfte des Marktes dafür sorgen.