Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Printausgabe Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

A. Traditionelles Architektenverfahren

Das traditionelle Architektenverfahren ist im Bauwesen mit grossem Abstand am meisten verbreitet. Ein Architekt leitet als sogenannter Gesamtleiter sowohl die Planung wie die Bauausführung während der gesamten Projektdauer und ist somit der zentrale Ansprechpartner, Berater und Treuhänder für die Bauherrschaft. Im folgenden gehe ich auf einige Eigenschaften dieses Modells näher ein.

 

  • Kosten

Grundsätzlich spricht nichts dagegen, dass beim traditionellen Verfahren günstig gebaut werden kann. Der Einkauf der Bauleistungen ist sehr effizient, weil bei der Arbeitsvergebung an Einzelunternehmer der Markt direkt und ungefiltert spielt. Zudem muss niemand der Bauherrschaft Risiken abnehmen und dafür eine Risikoprämie in die Kalkulation einbauen.

Die Erfahrung zeigt aber, dass die Bandbreite der Kosten beim traditionellen Bauen aussergewöhnlich gross ist. Verantwortlich dafür sind die unterschiedlich kostenbewussten Planer. Mit der Auswahl der Planer hat es die Bauherrschaft somit weitgehend in der Hand, günstig oder teuer zu bauen. Es gibt Planer, die sind schon fast besessen von ökonomischen Lösungen. Wenn sie alle Sparpotentiale wahrnehmen, resultieren beim traditionellen Vorgehen vermutlich die tiefstmöglichen Baukosten überhaupt.

Allerdings können die Kosten bei weniger kompetenten Planern auch sehr hoch sein. Einige Planer haben vielleicht guten Willen, aber nicht das nötige Fachwissen für kostengünstige Lösungen. Andere wiederum sind schlicht nicht daran interessiert und stellen ästhetische Gesichtspunkte über alles. Vielfach hapert es an der Projektleitung und insbesondere an einem umfassenden Dialog am Anfang eines Bauprojektes. Unter diesen ungünstigen Voraussetzungen sind den Kosten nach oben kaum Grenzen gesetzt. Das ist eine durchaus ernstzunehmende Gefahr, die beim traditionellen Vorgehen lauert.

 

  • Risiken

Das Risiko für den Bauherrn ist hier am grössten von allen Vorgehensarten. Das höhere Risiko ist der Preis der (potentiell) tiefen Kosten. Für alles, was schiefläuft, hat primär die Bauherrschaft geradezustehen. Die Risiken beinhalten Planungsfehler und alle möglichen Probleme während der Ausführung (Kostenüberschreitungen, Terminverzögerungen, Qualitätsmängel etc.). Von allem gibt es in der Praxis mehr als genug Anschauungsmaterial. Sogar bei grossen öffentlichen Bauvorhaben kann es beispielsweise passieren, dass der Architekt beim Kostenvoranschlag den Aushub vergisst. Die Bauherrschaft trägt das Risiko - und bezahlt.

Bei sorgfältiger Wahl der Planer sind die Risiken aber bescheiden. Erfahrene und gewissenhafte Planer sind durchaus in der Lage, den Kostenvoranschlag mit hoher Wahrscheinlichkeit einzuhalten oder Baumängel zu vermeiden.

 

  • Aufwand Bauherrschaft

Darunter verstehen wir die zeitliche und intellektuelle Beanspruchung der Bauherrschaft für die Projektbetreuung. Beim traditionellen Verfahren ist die Beanspruchung gross. Der Aufwand steigt nämlich tendenziell mit der Anzahl der vertraglichen Bindungen an. Wie mehr Schnittstellen bewältigt werden müssen, um so mehr Zeit braucht es. Die Bauherrschaft kann aber in einer grossen Bandbreite selber bestimmen, wieviel Einfluss sie nehmen will. Sie kann beispielsweise alle Werkverträge mit den Unternehmern selber verhandeln, was Zeit braucht. Sie kann das aber auch dem Architekten überlassen und nur den Vergebungsentscheid fällen.

Mit einem externen Projektmanager lässt sich die Arbeitsbelastung der Bauherrschaft deutlich reduzieren. Er kümmert sich als Vertrauensperson um die routinemässigen Fragen. Die massgebenden Entscheide bleiben aber immer der Bauherrschaft vorbehalten. Man kann sich fragen, ob mit einem kompetenten Projektmanager hinsichtlich der Belastung der Bauherrschaft noch ein wesentlicher Unterschied besteht zur Totalunternehmung, die für sich in Anspruch nimmt, dem Kunden «alles» abzunehmen. Beim «eigenen» Projektmanager ist die Bauherrschaft immerhin sicher, dass er ausschliesslich ihre Interessen wahrnimmt.

Gesamtbeurteilung des traditionellen Architektenverfahrens

Das traditionelle Architektenverfahren ist nicht nur das weitaus am häufigsten angewendete, sondern zugleich das anspruchsvollste für die Bauherrschaft. Bauen auf die konventionelle Art erscheint vielen als Abenteuer, das man nur mit Glück einigermassen unbeschadet übersteht. Das gilt nicht nur für Einmalbauherren von Einfamilienhäusern, sondern manchmal sogar für Leute aus der Branche. Ein ehemaliger Auftraggeber, den ich bei einem grösseren industriellen Bauprojekt beraten habe, ist mir diesbezüglich lebhaft in Erinnerung geblieben. Gleich zu Beginn der Zusammenarbeit hat er klargemacht, dass er einen «Horror» vor allen Architekten habe. Er müsse mir das sagen, damit ich mich gleich von Anfang an richtig einstellen könne. - Dabei ist er alles andere als ein Laie gewesen: er selber hat an der ETH erfolgreich ein Bauingenieurstudium abgeschlossen gehabt ...

Kein Bauherr kann das traditionelle Architektenverfahren aber vorschnell ausschliessen, der an günstigen Kosten interessiert ist. Diesbezüglich sind die Chancen hier vermutlich am grössten von allen Möglichkeiten, aber auch die Risiken. Wir gehen daher sehr intensiv auf die vielen Fragen ein, mit denen Bauherren konfrontiert sein können.

Ausblick auf den Teil II des Buches

Mit dem traditionellen Architektenverfahren befassen wir uns ausführlich im umfangreichen Teil II des Buches. Nicht alle Aufgaben der Bauherrschaft sind gleich wichtig. Einige kann sie problemlos delegieren (vor allem an die Planer), um andere muss sie sich zwangsläufig selber kümmern.

 

  • Nicht delegierbare Kernaufgaben

Es gibt einige wenige Kernaufgaben, welche die Bauherrschaft nicht (oder nur teilweise) delegieren kann. Diese Tätigkeiten fallen am Anfang eines Projektes an. Dazu gehören etwa folgende:

- Projekt definieren. Nur die Bauherrschaft kann wissen, was sie will. Die Planer können nur ausführen, was im Pflichtenheft steht. Der Auftraggeber muss das Pflichtenheft (idealerweise) selber erstellen oder mindestens bei der Redaktion massgeblich mitwirken (Kapitel 6).

- Planer auswählen. Das Gesamtoptimum für eine einmal definierte Bauaufgabe steht und fällt mit der Auswahl der Planer. Wer sich nicht mit der erstbesten Möglichkeit zufriedengibt, benötigt Engagement - und einige Fachkenntnisse. Dies gilt besonders dann, wenn architektonisch hochstehend gebaut werden soll, aber trotzdem kostenbewusst (Kapitel 7).

- Planerverträge aushandeln. Die Planerverträge machen schon etwa 10% des gesamten Baubudgets aus. Die kostenbewusste Bauherrschaft will sie so vorteilhaft wie möglich abschliessen (Kapitel 8).

 

  • Weitere Sparbeiträge der Bauherrschaft

Wer diese drei Aufgaben erledigt hat, kann sich theoretisch vom Baugeschehen weitgehend abmelden. Wenn die Bauherrschaft die richtigen Planer ausgewählt hat, läuft nun alles wie von selbst. Leider zeigt die Erfahrung, dass man sich nur auf vielleicht die Hälfte der Planer völlig verlassen darf. Der anderen Hälfte muss die kostenbewusste Bauherrschaft immer ein wenig über die Schultern schauen. Von diesen aufsichtsbedürftigen Planern sind einige gar nicht an günstigen Kosten interessiert. Andere möchten zwar sparsam bauen, haben aber nicht das Rüstzeug dazu. Die Bauherrschaft kümmert sich also im eigenen Interesse so gut wie möglich um das Bauprojekt und greift dort ein, wo es sinnvoll und möglich ist. Dazu braucht es aber ein wenig mehr als nur ganz elementare Kenntnisse. Für diese nicht allzu kleine Gruppe wollen wir daher den Ablauf eines Bauprojektes aus der Warte der Bauherrschaft näher anschauen.

Für die Gliederung des Projektablaufs halten wir uns an die Struktur der Tätigkeiten der Architekten, wie sie in der SIA-Honorarordnung 102 dargestellt ist. Wir unterteilen den Ablauf in zwei Hauptphasen, die Planung (Kapitel 9) und die Realisierung (Kapitel 11). Als Abschluss der Planung und somit als entscheidende Zäsur betrachten wir die Baueingabe. Mit der Baueingabe sind Nutzung, Form und Konstruktion in engen Grenzen festgelegt und die Kosten auf wenige Prozente angenähert. Das Projekt ist entscheidungsreif.

In einem separaten Kapitel gehen wir näher darauf ein, wie die Kosten in der Planungsphase ermittelt werden können (Kapitel 10). Abgeschlossen werden die Betrachtungen zum traditionellen Architektenverfahren mit einem Kapitel über die Projektführung durch die Bauherrschaft (Kapitel 13).