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Ein Beispiel zur Bandbreite der Kosten

Anhand eines Beispiels wollen wir die oben dargestellten Möglichkeiten des Kostensparens in den Projektphasen A bis C etwas vertiefen. Nehmen wir an, eine Baugesellschaft besitze in einer Agglomerationsgemeinde eine grössere Bauparzelle, auf der sie eine Wohnüberbauung erstellen will. Das maximale Bauvolumen ist durch das Baugesetz vorgegeben. Aufgrund von Marktabklärungen legt die Bauherrschaft fest, welche Typen von Wohnungen zu welchen Preisen gebaut werden sollen. Um realistische Annahmen für die Kosten zu erhalten, kommt sie in der allerersten Phase eines Projektes nicht darum herum, auf Erfahrungswerte abzustellen. Doch welche Baukosten sind als «normal» zu betrachten?

Im Wohnungsbau ist es weit verbreitet, die Baukosten anhand das Kubikmeterpreises abzuschätzen. Dieser Preis hängt von den verschiedensten Einflüssen ab (Ausbaustandard, Bauvolumen, Marktlage, Region etc.) und ist somit von Projekt zu Projekt gewissen Schwankungen unterworfen. Einen universell gültigen «normalen» Kubikmeterpreis gibt es somit nicht. Einen Anhaltspunkt für Kostenberechnungen liefert aber immerhin ein Kostenkennwert, der seit vielen Jahren vom Statistischen Amt der Stadt Zürich ermittelt wird. Er bezieht sich auf das sogenannte Indexhaus an der Limmatstrasse 184 und beträgt zurzeit (Stand 1. Oktober 1997) rund 512 Fr. pro m3 (gemäss SIA 116). Dieser Wert kann (mit vielen Einschränkungen) am ehesten als eine Art «Standard»-Kubikmeterpreis betrachtet werden.

In unserem Beispiel ist die (sachkundige) Bauherrschaft aufgrund vielfältiger Erfahrungen der Meinung, dass die Baukosten bei ihrem Projekt etwas unter den «Standardkosten» des Indexhauses liegen dürften. Sie setzt daher einen Kubikmeterpreis von 500 Fr. pro m3 in ihre Kalkulation ein.

Kostenmässig unterschiedlich ambitionierte Bauplaner reagieren nun höchst differenziert auf diesen Standardpreis im Pflichtenheft. Wir sehen uns drei typische Fachleute näher an: einen Normalarchitekten, einen Sparkünstler und einen Dogmatiker. Welche Pfade der Projektabwicklung von Entwurf bis Bauausführung schlagen sie ein?

 

Sparlösung oder Architektendenkmal? Die Bandbreite der Kosten bei der Projektabwicklung

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  • Pfad 1: Der Normalarchitekt

Ein guteidgenössischer Normalarchitekt wickelt das Projekt unspektakulär nach traditionellen Usancen ab. Das Ergebnis kann nicht mehr als eine Normallösung zu normalen Kosten sein. Abgerechnet wird am Schluss somit zu einem Preis, der der Vorgabe im Pflichtenheft entspricht: ungefähr 500 Fr. pro m3.

 

  • Pfad 2: Der Sparkünstler

Ein Sparkünstler als Architekt wählt von Anfang an einen anderen Pfad als den Standardpfad, nämlich den Sparpfad. Am ergiebigsten ist es ganz am Anfang, nach kostensparenden Lösungen zu suchen, wenn in der Entwurfsphase das bauliche Grundkonzept entsteht. Wenn auch beim Einkauf und der Bauausführung die Kosten im Vordergrund stehen, resultiert am Schluss eine exemplarische Sparlösung. Diese kann, bei gleichem Wohnwert, durchaus 20 Prozent unter den Standardkosten liegen, wie uns später eine Studie belegen wird. In unserem Beispiel erreicht der Sparkünstler einen Kubikmeterpreis von 400 Fr. pro m3.

 

  • Pfad 3: Der Dogmatiker

Dogmatische Baukünstler haben andere Ziele als günstige Kosten. Gestalterische Gesichtspunkte gehen vor. Mit komplizierten Formen, aufwendigen Konstruktionen und teuren Materialien schaffen sie es mit Leichtigkeit, die Standardkosten um 20% oder mehr zu überschreiten. Im Beispiel resultiert ein Kubikmeterpreis von 600 Fr. pro m3. Frustrierte Bauherren machen ihrem Ärger etwa mit der Bemerkung Luft, der Architekt schaffe sich selber ein Denkmal. Architektendenkmäler sind im kommerziellen Wohnungsbau, wo unser Beispiel angesiedelt ist, zwar nicht so stark verbreitet. Bei anderen Bauaufgaben, namentlich bei Einfamilienhäusern oder Projekten der öffentlichen Hand, sind sie aber durchaus geläufig.

Welche Möglichkeiten hat nun die Bauherrschaft, wenn sie nach der Planung, aber noch vor dem Baubeginn realisiert, dass das Projekt vom richtigen Pfad abgedriftet ist und die Kosten deutlich über dem «normalen» Niveau liegen? Viel retten kann sie leider nicht mehr, sofern sie nicht nochmals von vorne beginnen will. Sie kann zwar versuchen, für die Bauausführung eine möglichst kostengünstige Lösung zu finden, indem sie vielleicht eine Generalunternehmersubmission durchführt. Weil die Kosten aber bei der Planung verursacht worden sind, kann auch eine Generalunternehmung nicht mehr viel zurechtbiegen (siehe Pfad 3 A). Ein Architektendenkmal wird nicht zu einer Sparlösung, indem man es durch eine Generalunternehmung ausführen lässt.

 

  • Ergebnis

Aus dem Beispiel geht hervor, dass der Kubikmeterpreis des teuren Architekten (Pfad 3) mit 600 Fr. pro m3 50% teurer ist als derjenige des Sparkünstlers mit 400 Fr. pro m3 (Pfad 2). Gemäss meinen Erfahrungen treten derart enorm unterschiedliche Baukosten für vergleichbare Bauvorhaben in der Praxis tatsächlich auch auf.

 

  • Fazit

Die Bauherrschaft zieht mit Vorteil ihre Lehren aus dem oben dargestellten Grundprinzip möglicher Kostenvorgaben. Sie tut gut daran, im Pflichtenheft eine anspruchsvolle Zielgrösse für die Kosten einzusetzen. Die sogenannten Standardkosten (wie auch immer man sie definieren will) sind zuwenig herausfordernd. Bei dieser Vorgabe besteht ein zu schwacher Antrieb, dass die Planer anstelle des üblichen Normalpfades 1 den sehr viel ehrgeizigeren Sparpfad 2 einschlagen. Das Kostenziel soll bei ihnen einen Adrenalinschub auslösen.