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Angebotspreise vergleichen

Die Bauherrschaft interessiert sich erfahrungsgemäss in hohem Masse für die Preise der Angebote. Wenn es nicht so wäre, bräuchte sie den Aufwand einer Gesamtleistungsausschreibung nicht auf sich zu nehmen und könnte sich mit einem Architektenwettbewerb begnügen. Damit sie sich aber vertieft mit der Offerte auseinandersetzen kann, braucht sie ein gewisses Minimum an Detailinformationen über die Kosten. Mindestens die Preise der wichtigsten Arbeitsgattungen oder Bauelemente sollte sie kennen. Je komplexer das Bauprojekt ist, desto detaillierter sollen die Preisangaben sein. Bei Standardbauvorhaben dagegen (beispielsweise Wohnungsbau) ist es eher zulässig, dass die Offerte nur aus einer Zahl besteht.

Wie detailliert sollen die Kostenangaben sein?

Anhand eines Fabrikneubaus betrachten wir, auf welche Weise die Kosten angegeben werden können (siehe nachfolgende Tabelle). Der Gesamtbetrag ist hier in rund ein Dutzend Positionen aufgeteilt. Damit legt der Anbieter nicht sämtliche allfälligen Geheimnisse der Kalkulation auf den Tisch, und die Bauherrschaft erhält doch gewisse elementare Detailinformationen zu den Kosten. Die vorgeschlagene Lösung ist meines Erachtens ein gangbarer Kompromiss zwischen den Interessen von Offertsteller und Ausschreibungsveranstalter (Bauherrschaft).

 

Gesamtleistungsangebot für ein industrielles Bauprojekt (Fabrikhalle):
Beispiel für den Detaillierungsgrad der Anlagekosten
  1. Rohbau (Aushub, Kanalisation, Fundamente, Bodenplatte, massive Wände, Decken etc.)
  2. Stahlkonstruktion (inkl. Oberflächenbehandlung)
  3. Flachdach komplett (inkl. Dachhaut, Dachoberlichter etc.)
  4. Fassade
  5. Fenster, Türen, Tore (einschliesslich Sonnenschutz)
  6. Elektroinstallationen
  7. Heizung, Lüftung
  8. Sanitär (inkl. Druckluft)
  9. Innenausbau (Gipser, Oberflächenbehandlungen, Verkleidungen, Schreinerarbeiten, Einbauelemente, Baureinigung)
  10. Umgebung, Erschliessung
  11. Betriebseinrichtungen (z. B. Krane etc.)
  12. Honorare für die Bauausführung (sämtliche Planungsleistungen)
  13. GU-Zuschlag (= Prämie für die Übernahme von Projektrisiken)
  14. Baunebenkosten (Pläne, Spesen, Bewilligungen, Versicherungen etc.)

 

Beide Seiten, Bauherrschaft und Offertsteller, sind daran interessiert, dass die Offerten seriös geprüft werden. Mit einigen Detailangaben zu den Kosten erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass bei der Prüfung Auslassungen, Rechenfehler oder falsche Interpretationen entdeckt und bereinigt werden. Im Einzelfalle können derartige Plausibilitätsuntersuchungen aber recht heikel sein, wie die folgenden Beispiele zeigen.

 

  • Plausibilitätsuntersuchung 1

Nehmen wir an, die beiden Anbieter ver-folgen beim Fabrikneubau unterschiedliche Konzepte für die Tragkonstruktion: der eine wählt ausschliesslich Stahl, der andere führt nur die eigentliche Halle in Stahl aus und bevorzugt für die Annexgebäude Beton. Bei dieser Ausgangslage sind in den beiden Offerten weder die Kosten der Baumeisterarbeiten noch des Stahlbaus direkt vergleichbar. Falls die Offertprüfung trotzdem konkrete Erkenntnisse liefern soll, kommt der Prüfende nicht darum herum, selber Abgrenzungen vorzunehmen. Dazu sind mitunter erhebliche fachliche Kenntnisse nötig.

 

  • Plausibilitätsuntersuchung 2

Eine gewisse Transparenz über die Kostenstruktur erlaubt der Bauherrschaft auch, sich wenigstens ein grobes Bild davon zu machen, in welchem Ausmass die einzelnen Bauelemente kostenmässig optimiert sind. Betrachten wir als Beispiel die Fassade des Industriebauprojekts. Es ist durchaus möglich, dass für dieses wichtige Bauelement von den beiden Anbietern Preise angegeben werden, die 15 bis 20% auseinander liegen. Selbstverständlich sind auch bei der günstigeren Variante alle Spezifikationen der Bauherrschaft erfüllt. Die preisgünstigere Fassade kostet darum weniger, weil es dem Anbieter besser gelingt, die Sparpotentiale auszuschöpfen (Wahl günstiger Konstruktionen und Materialien).

Bei preislich ungefähr gleichwertigen Angeboten für das gesamte Projekt wird die Bauherrschaft mit Vorteil denjenigen Anbieter berücksichtigen, der das Projekt besser optimiert hat - und nicht den, der den grösseren Rabatt gibt. Weil seine Gewinnspanne grösser ist, darf von ihm eher eine kulante Haltung erwartet werden, wenn es Meinungsverschiedenheiten über die Interpretation des Vertrages gibt. Erfahrungsgemäss treten derartige Diskussionen (über zumeist kleinere Streitsummen) nämlich bei jedem Projekt auf.

Welche Preisunterschiede sind zu erwarten?

Man hört oft, dass bei Gesamtleistungsausschreibungen sehr grosse Preisunterschiede unter den Angeboten zu erwarten seien. Es mag zwar tatsächlich derartige Fälle geben, sie sind aber keineswegs der Normalfall. Es ist genausogut denkbar, dass die bereinigten Angebote nur um 1 bis 2% voneinander abweichen, selbst bei komplexen Bauprojekten. Darf man angesichts derart kleiner Preisunterschiede nun schliessen, dass eine Gesamtleistungsausschreibung unnötig sei? Das wäre ein Trugschluss. Kleine Preisunterschiede können ein Zeichen von Qualität sein. Man erhält dadurch nämlich nachträglich die Bestätigung, ein solides Pflichtenheft ausgearbeitet und zwei wirklich kompetente Anbieter ausgewählt zu haben, die mit einer gewissen Folgerichtigkeit schliesslich auch einen ähnlichen Werkpreis kalkulieren.

Bei einer Gesamtleistungsausschreibung kann der Veranstalter der Ausschreibung mit einer recht hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass die Kostensparpotentiale voll ausgeschöpft werden. Bei einem Angebot ohne Konkurrenz hat er diese Garantie nie.