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Kriterien zur Vorauswahl von Bewerbern

Die Vorauswahl von Bewerbern für die spätere Projektausarbeitung kann meines Erachtens mit relativ wenig Aufwand durchgeführt werden. Bei der Vorauswahl werden die vorgelegten groben Projektvorschläge samt Preisangaben sowie die allgemeine Leistungsfähigkeit der Bewerberfirma berücksichtigt. Es genügt, wenn der Projektvorschlag skizzenartig vorliegt. Die Kosten sind als Richtpreis anzugeben. Im folgenden wollen wir die Kriterien zur Vorauswahl etwas näher anschauen.

Kriterium 1: Qualität des Lösungsvorschlags

Dieses Kriterium ist bei den üblichen Architektenwettbewerben das weitaus wichtigste. Bei der Vorauswahl der Totalunternehmer allerdings ist es nur ein Gesichtspunkt unter anderen.

Die Gewichtung des Kriteriums hängt ab von der Aufgabenstellung. Bei einer Bauaufgabe, bei der die bauliche Form durch das Pflichtenheft schon weitgehend vordefiniert ist, sind die eingereichten Projekte hinsichtlich der architektonischen Gestaltung zwangsläufig ziemlich ähnlich. Hier spielt das Kriterium der architektonischen Qualität für die Vorauswahl keine grosse Rolle. Dies ist beispielsweise bei einer Fabrik der Fall, wo das Volumen des Baukörpers durch einen vorgegebenen Layout unter Umständen bereits bestimmt ist. Der konzeptionelle Spielraum der Bauplaner beschränkt sich hier auf nicht unbedingt erstrangige Aspekte wie die Gestaltung der Fassade oder die Konzeption des Tragsystems.

Etwas anders ist es beispielsweise im Wohnungsbau. Hier können sich die Lösungen viel stärker unterscheiden. Das Kriterium der Qualität des Lösungsvorschlags hat daher ein grösseres Gewicht, selbst dann, wenn die Konzeptvorschläge erst in Skizzenform vorliegen. Das Auswahlgremium muss die Nutzbarkeit der Wohnungen und die formale Gestaltung, ähnlich wie bei konventionellen Architektenwettbewerben, in geeigneter Form bewerten. Professionelle Bauherren gehen im Wohnungsbau so weit, dass sie die Qualitäten eines Projektes direkt in (Miet-)Erträge umrechnen (siehe Beispiel «Projektoptimierung in radikaler Form»).

Die Lösungsvorschläge der Ausschreibungsteilnehmer müssen noch keineswegs ausgereift sein. Es kommt nicht darauf an, dass die Projekte in allen Einzelheiten und mit aufwendigen Darstellungstechniken ausgearbeitet sind. Es geht vielmehr darum, mit einer gewissen Verbindlichkeit die Grundidee aufzuzeigen, auch wenn sie erst skizzenartig vorliegt. Diese Idee kann durchaus noch entwicklungsfähig sein, denn die eigentliche Projektausarbeitung steht ja erst bevor.

Das Beurteilungsgremium muss abschätzen, wie gross die Wahrscheinlichkeit ist, dass aus einer überzeugenden Skizze später ein gelungenes Projekt wird. Normalerweise ist eine derartige Prognose relativ zuverlässig. Wenn ein Ausschreibungsteilnehmer immer wieder hochwertige Ergebnisse erreicht, ist ein Ausrutscher in der Qualität eher unwahrscheinlich. Auch das Umgekehrte gilt: Referenzprojekte mit zweifelhafter Qualität mahnen zu höchster Vorsicht. Das Beurteilungsgremium kommt daher nicht darum herum, sich anhand von ausgeführten Projekten oder ähnlichen Informationsquellen ein Bild von der Leistungsfähigkeit der Bewerberfirmen zu machen.

Kriterium 2: Richtpreis

Der Preis ist bei der Vorauswahl zweifellos ein wichtiges, aber keinesfalls das einzige Kriterium. Gemäss meinen Erfahrungen werden nicht automatisch die beiden Projekte mit den tiefsten Kostenprognosen für die Weiterbearbeitung ausgewählt.

Die Bezeichnung «Richtpreis» wird mit Absicht verwendet, weil der Anbieter (im Unterschied etwa zum Begriff «Kostendach») für die Angabe nicht juristisch belangt werden soll. Es wird aber ausdrücklich erwartet, dass die Preisangabe der Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Es liegt an der Bauherrschaft, durch zusätzliche Abklärungen zu überprüfen, ob die Angabe seriös und plausibel ist. Günstige Angebote sollen das Resultat kostenmässig optimierter Projekte sein. Köder-Richtofferten, die absichtlich und unbegründet tief liegen, sind zu enttarnen. Sie kommen nicht in die engere Wahl.

Genügen Richtpreise tatsächlich? Meine Erfahrung zeigt, dass ein kompetentes Auswahlgremium durchaus in der Lage ist, die Plausibilität von Richtpreisangeboten zu beurteilen. Dazu dienen etwa Quervergleiche mit Preisangaben von Konkurrenten, vor allem aber die Güte des Kostenermittlungssystems des Anbieters. Aufschlussreich sind daher beispielsweise Kostenanalysen von ausgeführten Projekten und insbesondere vertiefte Gespräche mit der Person, die federführend für die Kostenermittlung ist. Man merkt schnell, was ein echter Profi ist. Von einer fähigen Bewerberfirma, die ihre Qualitäten im Bereich der Kosten immer wieder beweist, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit auch in Zukunft ein hochstehendes Resultat zu erwarten.

Eine gute Totalunternehmung zeichnet sich dadurch aus, dass sie in einem frühen Projektstand mit geringem Aufwand eine zuverlässige Kostenschätzung abgeben kann, falls das Pflichtenheft detailliert genug ist. Wenn eine Totalunternehmung das nicht schafft, ist sie bei der spezifischen Bauaufgabe vermutlich zuwenig erfahren und darum für eine Gesamtleistungsausschreibung nur bedingt geeignet.

Die Genauigkeit der Kostenschätzung kann je nach Art des Projektes sehr unterschiedlich sein. Sehr hoch ist die Präzision vielfach bei Bauprojekten wie Einfamilienhäusern oder standardisierten Reihenhäusern. Ein spezialisierter Anbieter kann die Preise praktisch ab Preisliste angeben. Er braucht kaum mehr als einen Situationsplan, um die Anlagekosten mit einer Toleranz von wenigen Prozenten abzuschätzen.

Bei den meisten Projekten ist die Genauigkeit allerdings bescheidener. Unter Berücksichtigung des geringen Planungsaufwandes sind sie aber vielfach doch erstaunlich präzise. Ich erinnere mich an einen Fabrikneubau, bei dem die Preisangaben zum Zeitpunkt der Vorauswahl nicht mehr als +/- 10% vom späteren Abrechnungsbetrag abgewichen haben. Nach der SIA-Honorarordnung 102, die das konventionelle Planungsvorgehen regelt, wird diese Genauigkeit üblicherweise erst beim Kostenvoranschlag erreicht (siehe Absatz «Die Projektphase / Schätzung der Baukosten und Termine»). Der Kostenvoranschlag basiert aber auf einem weitgehend ausführungsreifen Projekt, der Richtpreis dagegen auf einer Projektskizze.

Es ist erwünscht, dass der Anbieter bei der Vorauswahl als erster Stufe der Gesamtleistungsausschreibung nicht nur eine einzige Zahl angibt, sondern die Kostenschätzung nach einer groben Gliederung aufschlüsselt (Rohbau, Haustechnik, Ausbau, Umgebung etc.). Diese detaillierteren Angaben sind nützlich, um die Richtofferten beurteilen und allenfalls modifizieren zu können.

Kriterium 3: Erfahrung und Referenzen

Bezüglich der Erfahrung gilt bei Totalunternehmern das gleiche, was wir bereits bei der Auswahl eines Architekturbüros festgehalten haben: Die Fähigkeit zum kostenbewussten Bauen steigt mit zunehmender Erfahrung an.

Eine Totalunternehmung mit viel einschlägiger Erfahrung ist besser in der Lage, kostengünstig zu bauen, als eine Allroundfirma. Sie kennt die Tricks und Kniffe. Sie hat viele der Fehler schon einmal gemacht (und daraus gelernt), von denen Uneingeweihte nicht einmal wissen, dass man sie überhaupt machen kann. Wer beispielsweise kaum Erfahrung im Industriebau hat, ist bei einer Gesamtleistungsausschreibung klar im Nachteil. Was für einen Spezialisten das tägliche Brot ist, wird für einen Neuling zur Pionieraufgabe. Wenn der Profi Kostendaten nur aus einer Datenbank abrufen kann, rechnet der Amateur wochenlang, bis er auf dem gleichen Stand ist.

Man kommt aber nicht darum herum, auch dies ist keine neue Feststellung, die Referenzen zu überprüfen. Ein Referenzprojekt, bei dem der Auftragnehmer am Schluss mit dem Bauherrn nur noch vor Gericht verkehrt, ist keine gute Referenz.

Kriterium 4: Allgemeine Leistungsfähigkeit der Bewerberfirma

Mit diesem Kriterium wird beurteilt, welchen Eindruck die Bewerberfirma im Verlauf der Kontakte hinterlässt. Vor allem geht es um die Frage, ob die Arbeitskultur, in die man Einblick erhält, zu einem guten Ergebnis führen dürfte. Unter anderem auf folgende Aspekte lohnt es sich zu achten:

 

  • Projektteam

Wird die Gesamtleitung durch eine kompetente Persönlichkeit wahrgenommen? Werden die Fachingenieure echt geführt? Ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Gesamtoptimum erreicht wird? Geht die Anbieterfirma auf die Anliegen der Bauherrschaft ein? Ist der Bewerber in der Lage, in kurzer Frist ein brauchbares Resultat vorzulegen? Arbeitet das Projektteam regelmässig in gleicher oder ähnlicher Zusammensetzung? Oder ist es eine Ad-hoc-Organisation? Müssen Positionen in der Projektorganisation erst noch bestimmt werden? Ist als örtlicher Bauleiter ein erfahrener Fuchs vorgesehen?

 

  • Kostenwesen

Wie leistungsfähig ist das System von Kostenplanung und Kostenüberwachung? Erhält die Bauherrschaft genügend Einblick, oder werden Kostenkennwerte wie Staatsgeheimnisse behandelt? Wie kompetent ist die Person, die federführend ist für die Kostenplanung? Ist der Anbieter an kostengünstigen Lösungen echt interessiert? Besteht für die spätere Bauausführung die Bereitschaft zur offenen Abrechnung (mit Kostendach)?

 

  • Profil der Firma

Ist der Anbieter für die Grösse der vorgesehenen Bauaufgabe leistungsfähig genug? Hat er Erfahrungen als Totalunternehmer? Oder ist er normalerweise nur als Planer oder nur als Generalunternehmer tätig?