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Gesamtleistungsausschreibung: Varianten einer Grundidee

Die Gesamtleistungsausschreibung ist im Markt erst seit einigen Jahren bekannt. Es hat sich deshalb noch kein allgemein übliches, «genormtes» Vorgehen eingebürgert. Es wird mit verschiedenen Verfahren experimentiert. Das Gegenstück zu den SIA-Ordnungen 102 ff., die das Bauen mit einem Architekten während Jahrzehnten weitgehend standardisiert haben, muss sich für Gesamtleistungen im Markt erst noch etablieren. Vorstufe einer Standardisierung ist das Modell des «Totalunternehmer-Submissionswettbewerbes» des Verbandes der Schweizerischen Generalunternehmer (VSGU). Es ist Ende der achtziger Jahre entwickelt und 1990 publiziert worden. Zugeschnitten ist es vor allem auf Projekte der öffentlichen Hand.

Bei der Besprechung des VSGU-Modells beziehe ich mich auf folgende Quellen, die vom VSGU herausgegeben worden sind:

Richtlinie für die Durchführung von Totalunternehmer-Submissionswettbewerben; Ausgabe 1990 (zitiert: VSGU, Richtlinie)

Empfehlung für die Ausschreibung und Durchführung von Gesamtleistungswettbewerben im Bauwesen; 25. Juli 1996 (zitiert: VSGU, Empfehlungen)

Neben dem VSGU-Modell werden in der Praxis des Baualltags eine ganze Reihe von abgewandelten Versionen der Gesamtleistungsausschreibung angewendet. Die radikale Methode der Projektoptimierung aus dem vorangehenden Beispiel (siehe Absatz «Projektoptimierung in radikaler Form») ist eine dieser Möglichkeiten. Das dort beschriebene Verfahren ist aber meiner Ansicht nach auf professionelle, sachverständige Bauherrschaften zugeschnitten. Es ist Experten vorbehalten, eine Reihe von durchoptimierten Totalunternehmerangeboten allein aufgrund der Wirtschaftlichkeit zu beurteilen. Für Gelegenheitsbauherren ist ein anderes Verfahren der Gesamtleistungsausschreibung, das einfacher anzuwenden ist, eher geeignet: wir nennen es die Praktikermethode.

Im folgenden gehen wir kurz auf die wesentlichen Merkmale des VSGU-Modells und der Praktikermethode ein.

 

  • Das VSGU-Modell

Das VSGU-Modell besteht, wenn wir die Phase der Vorevaluation (Präqualifikation) weglassen, aus zwei Hauptphasen. Der Grundsatzentscheid über die auszuführende Lösung und somit die Wahl des Partners für die Realisierung fällt in der Regel in der ersten Phase. Diese entspricht etwa einem konventionellen Architektenwettbewerb, mit dem Unterschied allerdings, dass auch die Kosten in die Beurteilung einbezogen werden. Der Aufwand an Planungsarbeit für die Wettbewerbsteilnehmer ist erheblich. - Mit der Projektausarbeitung in der zweiten Phase soll gemäss VSGU idealerweise nur noch ein Teilnehmer betraut werden.

 

  • Die Praktikermethode

Bei der Praktikermethode werden die Schwerpunkte etwas anders gesetzt als beim VSGU-Modell. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass in einer ersten Phase relativ schnell und unkompliziert aus einem Feld von Kandidaten zwei gutgeeignete Totalunternehmer ausgewählt werden. Diese arbeiten in einer zweiten Phase in Konkurrenz zueinander ein detailliertes Projekt aus und geben die Kosten verbindlich an. Erst am Ende der zweiten Phase wird entschieden, welches Projekt ausgeführt wird. Der Hauptentscheid fällt somit in der zweiten Phase.

Beurteilung der beiden Varianten

Die Grundidee beider Varianten der Gesamtleistungsausschreibung ist vergleichbar: die Bauherrschaft kauft komplette Bauwerke ein als Einheit von Planung und Ausführung mit der Gewissheit, dass die Kräfte des Marktes für einen akzeptablen Preis sorgen. Beim Vorgehen im Detail allerdings unterscheiden sie sich. Beim VSGU-Modell findet die eigentliche Ausmarchung in der ersten Phase statt, bei der Praktikermethode dagegen in der zweiten (siehe Tabelle).

 

Vergleich von zwei Varianten der Gesamtleistungsausschreibung

VSGU-Modell
Modell der Generalunternehmer
Praktikermethode
(in diesem Buch beschrieben)

Typ Bauherr

vor allem öffentliche Hand

vor allem private Bauherren

Voraussetzungen

an keine Voraussetzungen gebunden

mit Vorteil ist Lösungskonzept in Umrissen vorbestimmt

1. Phase
(Konzept)

Bestimmung Vertragspartner aufgrund Wettbewerbsprojekt (mit Kostenangabe)

Vorauswahl von (meist zwei) Kandidaten aufgrund Projektskizzen und Richtpreisen

2. Phase
(Projektausarbeitung)

Projektausarbeitung idealerweise ohne Konkurrenz

zwingend zwei Kandidaten für die Projektausarbeitung; Konkurrenzsituation

 

Das VSGU-Modell kann zwar generell angewendet werden, es ist aber vor allem für öffentliche Projekte konzipiert. Privaten Bauherren empfehle ich, die Anwendung der Praktikermethode zu prüfen. Sie ist speziell dann geeignet, wenn das Lösungskonzept (beispielsweise aufgrund einer vorgängigen Projektdefinition) bereits in den Grundzügen klar ist.

 

  • Fazit

Da sich dieses Buch in erster Linie an nichtprofessionelle Bauherren richtet, beschreibe ich schwergewichtig das Verfahren, das ich für sie am geeignetsten halte: die Praktikermethode.