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Entscheidungsfindung und Protokolle

Bei jedem grösseren Bauprojekt stellt sich die Frage, wie die Zusammenarbeit zwischen Bauherrschaft und Planern zu gestalten sei. In welcher Form kommen die Projektbeteiligten zusammen? Wie werden die Entscheide gefällt und protokolliert? Im folgenden lege ich dar, mit welche Grundsätzen ich in der Praxis gute Erfahrungen gemacht habe.

Ein Entscheidungsgremium, mehrere Nutzergremien

Die Kunst der kostenbewussten Leitung komplexer Bauprojekte kann man zu einem nicht geringen Teil auf folgenden elementaren Grundsatz zurückführen:

«Alles, was Geld kostet, muss im Entscheidungsgremium beantragt werden.
Es wird kein Franken ausgegeben, bevor dafür nicht ein Betrag (Kredit) formell freigegeben wird.»

Es soll bei jedem Bauprojekt nur ein Gremium geben, das Geld ausgeben (Kredite sprechen) kann. Dieses zentrale Entscheidungsgremium bezeichnet man oft als Baukommission, manchmal auch als Steuerungsausschuss, Koordinationssitzung oder ähnlich. Selbst wenn ein Bauvorhaben aus verschiedenen Teilprojekten besteht, soll es nur einen Geldhahn geben. Er wird ausschliesslich in der Baukommission betätigt.

Die Baukommission ist bei grösseren Bauprojekten wohl das einzige Gremium mit Finanzkompetenz, aber vielfach nicht das einzige Gremium zur Projektsteuerung. Pro Teilprojekt gibt es meistens noch besondere Spezialteams, die sich vorzugsweise mit Nutzungsfragen befassen. Bei einem Industrieprojekt kann es beispielsweise zusätzliche Spezialteams (Nutzergremien) geben für die Montagehalle, den Bürotrakt oder die Heizzentrale (siehe Abbildung). Diese Nutzerteams für Teilprojekte sollen nur die Ermächtigung haben, Grundsatzbeschlüsse auszuführen, die in der Baukommission gefällt werden. Wenn die Nutzer zusätzliche Wünsche haben, müssen sie in der Baukommission einen Kreditantrag stellen. Sie können nicht in eigener Kompetenz Geld ausgeben. Es ist ganz wichtig, dass das Grundprinzip der Kreditsprechung den Projektbeteiligten zu Beginn eines Bauprojektes klar ist: Jeder Kredit muss in der Baukommission freigegeben werden.

 

  • Baukommission

Die Baukommission als zentrales Entscheidungsgremium soll klein sein. Im Minimum umfasst sie bei kleineren Projekten nur den Bauherrn und den Architekten als Gesamtleiter. Bei grösseren Projekten wird der Kreis meistens ausgeweitet. Bei einem Industrieprojekt kann die Bauherrenseite beispielsweise den Geschäftsleiter, den Finanzchef und den beauftragten Projektmanager umfassen. Die Planerseite besteht vielfach aus dem Projektleiter und dem Entwurfsarchitekten. Je nach Projektstand ist es sinnvoll, bei Bedarf zusätzliche Gäste in die Baukommission einzubeziehen. Das können auf Bauherrenseite beispielsweise Mitglieder von Nutzergremien sein. Die Anwesenheit des Produktionschefs etwa ist dann nützlich, wenn wichtige betriebliche Fragen mit baulichen Auswirkungen entschieden werden. Manchmal werden auf Planerseite auch die Spezialingenieure direkt einbezogen. Persönlich begrüsse ich es, wenn die zuständigen Fachplaner ihre Konzepte selber präsentieren können, bevor sie diskutiert und genehmigt werden.

 

Gremien für die Projektführung

 

  • Sitzungsrhythmus

Die Baukommission tagt üblicherweise im Rhythmus von zwei bis vier Wochen, abhängig vom Projektstand. Am Anfang eines Projektes bis zur Baueingabe ist der Rhythmus am kürzesten (z. B. zweiwöchentlich), weil hier die Entscheidungsdichte am höchsten ist. Zwischen Baueingabe und Baubeginn sind vielleicht noch alle drei Wochen Sitzungen notwendig. Während der eigentlichen Bauausführung schliesslich ist auch bei relativ grossen Projekten eine monatliche Sitzung der Baukommission genügend. Gesamthaft gesehen kommt man in vielen Fällen auf etwa 25 bis 30 Sitzungen für die gesamte Projektdauer.

 

Abschätzung der Anzahl Baukommissionssitzungen
(Beispiel Industriebauprojekt mit mehreren Teilprojekten)

Phase Dauer Rhythmus Sitzungen
Projektdefinition
pm
Planung (bis Baueingabe)
4 Monate
2 Wochen
8 Sitzungen
Vorbereitung der Ausführung (*)
6 Monate
3 Wochen
8 Sitzungen
Bauausführung
12 Monate
4 Wochen
12 Sitzungen
Gesamttotal
28 Sitzungen
(*) Dauer hängt ab von der Frist für die Baubewilligung; auch kürzere Dauer möglich

Protokolle der Baukommission

Protokolle sind bei Bauprojekten ein Projektführungsinstrument erster Güte. Es lohnt sich, die Kunst des Protokollierens zu kultivieren und dafür einen gewissen Aufwand in Kauf zu nehmen. Protokolle dienen primär dazu, Entscheide zu dokumentieren und pendente Aufgaben für die Mitglieder der Projektgremien laufend nachzuführen.

Die wichtigsten Entscheide, die in Protokollen festgehalten werden, sind in der Regel finanzieller Natur. In diese Gruppe gehören namentlich die Genehmigung des Kostenvoranschlags, Entscheide zu Arbeitsvergebungen, Genehmigungen von (Kredit-) Nachträgen oder Freigaben von grösseren Regiearbeiten. Protokolliert werden ferner Planungsentscheide aller Art (Auswahl von Varianten etc.). Es zahlt sich aus, im Protokoll etwas mehr als nur den reinen Entscheid festzuhalten und auch die massgeblichen Grundüberlegungen und Argumente vor dem schnellen Vergessen zu bewahren. Dadurch wird die Protokollsammlung zu einer einzigartigen Projektdokumentation, die für verschiedenste Zwecke sehr nützlich sein kann. Gesamthaft ist mit etwa 25 bis 30 Protokollen zu rechnen, analog zur Anzahl der Baukommissionssitzungen. - In der Phase der Projektdefinition werden vielfach keine Protokolle erstellt. Es ist meistens sinnvoller, das Ergebnis in Form eines detaillierten Abschlussberichtes zu dokumentieren.

Bei kleineren Projekten fertigt in der Regel der Architekt (als Gesamtleiter) die Protokolle an. Bei grösseren Projekten übernimmt diese Aufgabe vielfach der (bauherrenseitige) Projektmanager. Es ist sinnvoll, dass er (und nicht der Architekt) die Sitzungen des Projektführungsorganes (Baukommission) vorbereitet, leitet und protokolliert. An diesen Sitzungen werden nämlich auch Themen behandelt (z. B. zur Betriebsplanung), für welche die Präsenz des Architekten gar nicht nötig ist.

Eine gute Sitzungsvorbereitung erleichtert die Baukommissionssitzungen erheblich. Die Traktandenliste mit den wichtigsten Entscheidungsgrundlagen soll den Sitzungsteilnehmern ein paar Tage vor der Sitzung zugestellt werden.

Planungsbesprechungen von Nutzergremien, die zusätzlich zur Baukommission bei jedem grösseren Projekt vorkommen, sind ebenfalls zu protokollieren. Hier geht es vor allem um bauliche und betriebliche Detailentscheide. Diese Protokolle werden in der Regel von Planerseite erstellt und nicht vom bauherrenseitigen Projektmanagement.

 

Inhalte von Protokollen der Baukommission

Finanzielle Aspekte

  • Genehmigung Kostenvoranschlag
  • Arbeitsvergebungen (ausgewählter Unternehmer, Vertragssumme, Rabatt, Skonto, spez. Bedingungen)
  • Freigabe von Kreditnachträgen und grösseren Regiearbeiten
  • periodische Kostenüberwachung (bisherige und ausstehende Zahlungen, Kommentare zu Budgetabweichungen, Prognose Schlussabrechnung)

Planungsentscheide

  • Auswahl von Projektvarianten (mit Planbeilagen); Angabe der wichtigsten Entscheidungskriterien
  • Detailspezifikationen aller Art
  • Projektänderungen

Laufende Terminüberwachung (mit ständig nachgeführten Terminplänen)

Pendente Aufgaben für Projektmitglieder (Verantwortlichkeiten; Termine)