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Die häufigsten Irrtümer über das Bauen mit Generalunternehmern

Über das Bauen mit einem Generalunternehmer ranken sich besonders unter nicht sachkundigen Bauherrschaften diverse Legenden und Vorurteile. Nachfolgend gehen wir auf einige kurz ein.

Irrtum 1: Die Bauherrschaft hat keinen Einblick in die Kosten

Es gibt natürlich viele Generalunternehmer-Werkverträge, wo die Bauherrschaft keinen Einblick in das Kostengefüge hat. Sie kennt nur eine einzige Zahl: den pauschalen (oder globalen) Werkpreis, den sie mit dem GU vereinbart hat. Derartige Verträge sind aber keineswegs der Normalfall. Zunehmender Verbreitung erfreut sich der Vertragstyp der Preisbestimmung mit Kostendach und offener Abrechnung. Diese Methode für die Ermittlung des Werkpreises ist für die Bauherrschaft ausgesprochen transparent.

Bei der offenen Abrechnung mit Kostendach profitieren beide Parteien davon, wenn gespart wird. Im Teil III des Buches zeigen wir anhand eines Beispiels, wie eine Unterschreitung der (aktualisierten) Werkvertragssumme auf GU und Besteller aufgeteilt werden kann (siehe Absatz «Beispiel einer offenen Abrechnung mit Kostendach»).

Die Praxis zeigt, dass es keine wirksamere Motivation gibt als den eigenen Profit, um systematisch alle Sparmöglichkeiten wahrzunehmen. Darum ist meiner Ansicht nach ein GU-Werkvertrag mit offener Abrechnung, wo die Bauherrschaft jede Zahl einsehen kann, eine gute Voraussetzung zum kostengünstigen Bauen.

Irrtum 2: Generalunternehmer schaffen keine Baukunst

Dieses weitverbreitete Vorurteil dürfte darauf zurückzuführen sein, dass viele Generalunternehmer auch als Promotoren (= Bauherren) auftreten. Darunter hat es einige schwarze Schafe, die Bauwerke übelster architektonischer Qualität in die Landschaft stellen. Schuld daran ist aber nicht das Generalunternehmerprinzip an und für sich. Schuldig sind die Promotoren, die ihre Verantwortung als Bauherren gegenüber der Gesellschaft nicht wahrnehmen, und deren Planer, die ihrer Aufgabe schlicht nicht gewachsen sind.

Generalunternehmer sind durchaus in der Lage, Bauwerke architektonisch höchster Qualität zu schaffen. Die Bauten von Botta beispielsweise sind weltweit vermutlich in der Mehrzahl von Generalunternehmern ausgeführt worden. Eine wichtige Voraussetzung muss allerdings erfüllt sein, damit beim GU-Prinzip architektonische Qualität entstehen kann: genauso wichtig wie das bauliche Grundkonzept (Entwurf) sind im Bauwesen die Details. Im Unterschied zu vielen Ingenieurdisziplinen (Bauingenieurwesen, Maschinenbau etc.) kann die Detailplanung nämlich nicht von der Konzeptarbeit abgekoppelt und einem anderen Team übertragen werden. Die Details gehören untrennbar zum Entwurf. Beides muss aus einem Guss sein. Es ist daher undenkbar, dass ein Meister wie Botta zuerst den Entwurf macht und die Ausführungsabteilung eines Generalunternehmers anschliessend die Ausführungsplanung. Es ist ähnlich wie bei einem Gemälde von Picasso: Der Künstler kann sich nicht auf die groben Vorgaben beschränken und die Feinarbeit einem Flachmaler überlassen.

Da die meisten Generalunternehmungen von Nichtarchitekten geführt werden (Ingenieure, Kaufleute, Juristen etc.), gibt es bei der Frage der architektonischen Qualität gelegentlich unterschiedliche Auffassungen zwischen Architekten und Generalunternehmern. Architektonische Anliegen stossen bei Nichtarchitekten zuweilen auf blankes Unverständnis.

Irrtum 3: Der Bauherr hat nach Vertragsabschluss nichts mehr zu sagen

Viele potentielle Bauherren glauben, dass sie bei GU-Werkverträgen beispielsweise bei der Auswahl der Handwerker nicht mitreden dürfen. In Tat und Wahrheit steht es ihnen frei, sich diesbezüglich sämtliche Freiheiten auszubedingen. Allerdings kostet es etwas, wenn sie darauf bestehen, nicht den preisgünstigsten Anbieter zu wählen. - Aber beim traditionellen Verfahren ist es schliesslich nicht anders.

Die Bauherrschaft mag auch befürchten, dass sie nach abgeschlossenem GU-Werkvertrag am Projekt nur noch schwer etwas ändern könne. Dazu ist grundsätzlich zu sagen, dass Aenderungen nach abgeschlossener Planung immer problematisch sind, ob mit oder ohne Generalunternehmung. Möglich sind sie aber in beiden Fällen. Beim GU-Modell laufen Aenderungen stets nach einem formellen, standardisierten Verfahren ab. Der Bauherrschaft erscheint diese Prozedur vielleicht als aufwendig und bürokratisch, aber sie hat einen grossen Vorteil: Sie weiss dadurch sofort, welche (verbindlichen) Konsequenzen die Änderungen auf den Werkpreis haben.

Irrtum 4: Generalunternehmer bauen günstiger als Architekten

Es ist eine uralte Streitfrage in der Baubranche, ob Generalunternehmer günstiger bauen als beauftragte Planer. Die Frage kann in dieser Form schlicht nicht allgemein beantwortet werden. Es ist eine differenziertere Betrachtung nötig.

Generalunternehmer haben den grossen Vorteil, dass sie ständig den rauhen Winden des Marktes ausgesetzt sind. Als Unternehmer müssen sie jeden kleinen Fehler in voller Konsequenz selber tragen. Diese Erfahrungen prägen die gesamte Arbeitshaltung. Generalunternehmer sind zwangsläufig durch und durch kostenbewusst. Der harte wirtschaftliche Ueberlebenskampf lässt ihnen keine andere Wahl. Im Unterschied zu ihnen sind die beauftragten Planer lediglich Treuhänder - aber keine Unternehmer. Wer an dieser Behauptung zweifelt, frage einmal einen beliebigen Handwerker, ob er lieber mit Architekten oder mit Generalunternehmern Vertragsverhandlungen führe. Die grosse Mehrheit wird die Architekten vorziehen.

Auch die Bedingungen in den Werkverträgen, die Architekten und Generalunternehmer mit Einzelunternehmern (Handwerkern) abschliessen, können sich unterscheiden wie Tag und Nacht. Während die meisten Architekten den Werkverträgen in der Regel die SIA-Norm 118 («Handwerkernorm») ohne wesentliche Modifikationen zugrunde legen, ändern bisweilen einige Generalunternehmer deren Vertragsklauseln radikal zu ihren Gunsten ab. Da ihre Subunternehmer wirtschaftlich am kürzeren Hebelarm sitzen, können diese nicht mehr machen als die Faust im Sack.

Neben der unternehmerischen Grundhaltung kommt noch ein weiterer Punkt hinzu, der die Kosten beeinflusst, allerdings in die andere Richtung: Generalunternehmer nehmen dem Bauherrn Risiken ab. Das können sie aber nicht gratis tun. Zur Abdeckung der Risiken benötigen sie eine Prämie in Form des Generalunternehmerzuschlags. Diese Prämie beträgt in Zeiten mit normaler Konjunktur je nach Projekt etwa drei bis fünf Prozent der Baukosten. In wirtschaftlichen Krisenzeiten kann sie allerdings auch deutlich kleiner sein.

Gesamthaft gesehen baut ein sehr fähiger Architekt vermutlich etwas günstiger als ein durchschnittlicher Generalunternehmer. Dafür geht die Bauherrschaft ein höheres Risiko ein. Die Baubranche hat unter diesem Aspekt betrachtet eine gewisse Ähnlichkeit mit der Finanzindustrie. In beiden Wirtschaftszweigen ist ein überdurchschnittliches finanzielles Resultat nur mit entsprechenden Risiken möglich.

Verglichen mit der grossen Anzahl höchstens durchschnittlicher Architekten, die hinsichtlich der Kosten weder besonders begnadet noch ambitioniert sind, dürfte die Generalunternehmung jedoch günstiger bauen.

Exkurs: Nähern sich Planer und Generalunternehmer an?

Dieser Exkurs richtet sich an Leser, die nicht nur an harten Fakten interessiert sind, sondern auch an etwas philosophischen Ausschweifungen.

Die oben diskutierten häufigen Irrtümer zum GU-Prinzip lassen die Vermutung zu, dass aus der Sicht der Bauherrschaft das Bauen mit Generalunternehmern und freien Planern im Endeffekt gar nicht so verschieden ist. Vor allem hinsichtlich der Kostentransparenz haben sich die Generalunternehmer mit dem Instrument der offenen Abrechnung stark den freien Planern angenähert.

Als Hauptunterschied bleibt der Vertragstyp: Freie Planer sind Beauftragte, Generalunternehmer sind Unternehmer. Wäre es nun nicht denkbar, dass die freien Planer einen weiteren Annäherungsschritt tun könnten und versuchen würden, gleichwertige Garantien anzubieten wie die Generalunternehmer?

Von den drei GU-Garantien (Kosten, Termin, Qualität) betrachten wir die Kostengarantie etwas näher. Wie wird das Kostenrisiko bei den beiden Vertragsvarianten gehandhabt? Die Positionen liegen nicht so weit auseinander, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Die Generalunternehmer müssen die Kostengarantie, die sie abgeben, mit einer Risikoprämie finanzieren, die sie in die Vertragssumme einrechnen. Die freien Planer kennen keine Kostengarantie. Das Risiko für Kostenüberschreitungen ist in der Praxis aber trotzdem nicht unbegrenzt. Gemäss gesicherter Rechtsprechung beträgt die Toleranz beim Kostenvoranschlag 10%, sofern keine andere Angabe gemacht wird. Darin nicht inbegriffen sind bestellte Mehrleistungen sowie eine allfällige Bauteuerung. Wenn die Abweichung grösser ist, muss der Planer dafür aufkommen. Somit beträgt das Risiko für Kostenüberschreitungen für die Bauherrschaft de facto etwa 10%.

Meiner Ansicht nach ist es denkbar, dass die freien Planer in Zukunft routinemässig ein festes Kostendach garantieren, das nur einige wenige Prozente über dem Kostenvoranschlag liegt. Dadurch ziehen sie, was die Kostengarantie anbelangt, mit den Generalunternehmern ungefähr gleich. Im Unterschied zu den meist grossen und solide finanzierten Generalunternehmern können sie das Risiko aber nicht mit ihrer finanziellen Substanz auffangen, sondern müssen es versichern. Es ist nicht auszuschliessen, dass eine Versicherung in diese Lücke springt und mit einem Produkt auf den Markt kommt, mit dem freie Planer ihre Kostenvoranschläge «versichern» können. In den heutigen Berufshaftpflichtversicherungen von Architekten ist das Risiko von Kostenüberschreitungen nämlich eines der wenigen Risiken, das nicht versicherbar ist.

Unsere Zeit zeichnet sich dadurch aus, das sie das Risiko scheut. «Risk-Management» steht überall in hoher Gunst. Vermehrt kann man das Risiko berechnen und damit auch versichern. Von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung ist dabei die Finanzindustrie. Die vielen derivativen Instrumente sind an und für sich nur Instrumente, um das Risiko zu beherrschen. Praktisch jedes Risiko kann abgesichert («gehedgt») werden: Zinsrisiken, Währungsrisiken, Aktienkursrisiken und weitere mehr.

Wieso soll das nicht für die Bauwirtschaft gelten? Wieso kann man nicht Baukostenrisiken absichern? Was spricht dagegen, dass ein Architekt für seine Bauprojekte eine Versicherung abschliesst, mit der er die Baukosten garantiert? Warum sollten nicht auch die beiden anderen GU-Garantien versicherbar sein, die Termin- und die Qualitätsgarantie?

Wenn wir einmal soweit sein werden, dürften sich die Konturen zwischen freien Planern und Generalunternehmern langsam auflösen: Planer treten am Markt auf wie Generalunternehmer und umgekehrt. Es gibt planende Generalunternehmer und ausführende Generalplaner. Jeder, ob klein oder gross, wird zum Totalunternehmer.