Buchanfang | Inhaltsverzeichnis | Kurzbeschreibung | Reaktionen | Printausgabe Startseite Bücher

Startseite
Bauherrenberatung
Referenzprojekte
Spontanberatung
Kontakt
Bauinfos / Links
<< eigene Bücher

Vom Umfang der Realisierungsphase

Die Realisierungsphase ist nach der Projektdefinition und der Planungsphase die letzte grosse Etappe bei einem Bauprojekt. Sie beinhaltet alle Tätigkeiten von der Vorbereitung der Bauausführung bis zum Abschluss des Projektes. Anhand des Leistungsbeschriebs der SIA-Honorarordnung 102 gehen wir näher auf die Tätigkeiten des Architekten bei der Ausführung ein. Die genannte Ordnung haben wir bereits bei der Besprechung der Planungsphase als Grundlage verwendet (siehe Abschnitt «Vom Vorprojekt zur Baueingabe»). Nach den dort aufgeführten zwei Phasen kommen für die Realisierung nun noch drei weitere hinzu: die Vorbereitungsphase der Ausführung, die Ausführungsphase und die Abschlussphase.

Die Gewichtung der nachfolgend beschriebenen Teilleistungen, bezogen auf die Gesamtleistung des Architekten, ist in der Leistungstabelle aufgeführt (siehe Abschnitt «Die Honorarberechnung im Kostentarif» im Kapitel 8).

Phase 3: Vorbereitungsphase der Ausführung

Nach der Baueingabe muss man normalerweise einige Monate auf die Baubewilligung warten. In dieser Zeit treffen die Planer die nötigen Vorbereitungen, um anschliessend kurzfristig mit den Bauarbeiten anfangen zu können. Sie zeichnen provisorische Ausführungspläne, erstellen Ausschreibungsunterlagen und holen Angebote ein.

 

  • Provisorische Ausführungspläne

Diese erste Teilleistung der Vorbereitungsphase (Art. 4.3.1 SIA 102) beinhaltet einen recht grossen Anteil des Architektenhonorars. Ziel der Teilleistung ist es, in nützlicher Frist Planunterlagen für die Ausschreibung zu erhalten, ohne auf fixfertige Pläne warten zu müssen. Die Pläne werden daher vorerst provisorisch angefertigt. Früher hat man sich darunter feine Bleistiftpläne vorstellen müssen (sogenannte Aufrisse), die später sorgfältig mit Tusche nachgezeichnet worden sind. Bei der heutigen Planerstellung mit CAD sehen schon provisorische Ausführungspläne erstaunlich fertig aus. Provisorische Werkpläne haben in der Regel den typischen Werkplanmassstab, also 1:50. Ihr Informationsgehalt ist wesentlich höher als derjenige der Baueingabepläne (meist 1:100). Die Werkpläne sind also nicht bloss vergrösserte Projektpläne. In den Grundleistungen enthalten ist im weiteren das Erstellen eines detaillierten Beschriebes von Materialien und Konstruktionen, wie er für die Ausschreibungen üblich ist.

An den provisorischen Ausführungsplänen sind auch die Spezialisten beteiligt. Ihre Beiträge werden vom Architekten koordiniert. Insbesondere leitet der Architekt die Koordination der Installationspläne.

Zusatzleistungen fallen an, wenn das Projekt pauschal vergeben werden soll (Generalunternehmermodell). Sowohl das Fertigstellen der Ausführungspläne wie das Erstellen der definitiven Fassung des Material- und Konstruktionsbeschriebs sind separat zu honorieren.

 

  • Ausschreibungen

Inhalt dieser Teilleistung (Art. 4.3.2 SIA 102) ist das Erstellen der Unterlagen für die Ausschreibungen. Die Pflichtenhefte und Preiseingabeformulare sind in der Praxis vor allem unter dem Begriff «Devis» bekannt. Zusammen mit dem Auftraggeber wird ein Kreis von Unternehmern und Lieferanten bestimmt, der zur Ausarbeitung von Angeboten eingeladen werden soll.

Als Zusatzleistung gilt unter anderem das Erstellen von genaueren Ausschreibungsunterlagen im Hinblick auf Pauschalvergebungen.

 

  • Analyse der Angebote, Vergebungsanträge

Diese Teilleistung (Art. 4.3.3 SIA 102) schliesst an die vorhergehende nahtlos an. Die eingegangenen Angebote werden zunächst materiell und rechnerisch kontrolliert. Dann werden sie miteinander verglichen, wobei neben dem Preis auch Kriterien wie Qualität und Termin eine Rolle spielen. In der Regel führt der Architekt mit den Unternehmern und Lieferanten (vielfach nur telefonische) Verhandlungen. Falls Unternehmervarianten vorliegen, werden diese analysiert. Die bereinigten Angebote werden anschliessend dem Auftraggeber in Form einer Vergleichszusammenstellung (siehe Absatz «Der Offertvergleich als Basis der Arbeitsvergebung») präsentiert. Der Architekt stellt zudem einen Antrag, an wen die Arbeit zu vergeben sei (Vergebungsantrag).

In die Angebote, die von den Spezialisten betreut werden (Haustechnik etc.), nimmt der Architekt nur Einsicht. Allenfalls gibt er eine Stellungnahme zu deren Vergebungsanträgen ab.

 

  • Terminplan

Abgeschlossen wird die Vorbereitungsphase der Ausführung durch diese recht kleine Teilleistung (Art. 4.3.4 SIA 102). Der bisher bereits vorhandene provisorische Terminplan wird unter Mitwirkung der Spezialisten und in Absprache mit Unternehmern und Lieferanten bereinigt und verfeinert. Die festgelegten Ausführungs- und Liefertermine werden in die Werkverträge übernommen.

Phase 4: Ausführungsphase

Jetzt wird es ernst: Wenn die Baubewilligung vorliegt und das letzte Kostenbudget (Kostenvoranschlag) keine Ueberraschungen mehr beinhaltet, kann man mit den eigentlichen Bauarbeiten anfangen. Vorgängig schliesst die Bauherrschaft die nötigen Werk-verträge ab, und die Planer erstellen die definitiven Ausführungspläne. Die örtliche Bauleitung ist während der ganzen Ausführungsphase besorgt, dass die Bauarbeiten koordiniert ablaufen. Mit geeigneten Hilfsmitteln kontrolliert sie Qualitäten, Termine und Kosten.

 

  • Unternehmer- und Lieferantenverträge

Mit dieser ersten kleinen Teilleistung (Art. 4.4.1 SIA 102) beginnt die Ausführungsphase. Sobald die Bauherrschaft Arbeiten oder Lieferungen vergeben hat, erstellt der Architekt aufgrund der bereinigten Angebote und allfälliger zusätzlicher Vereinbarungen die Werkverträge. Die Werkverträge aus dem Leistungsbereich der Spezialisten werden von ihm nur durchgesehen und gegebenenfalls ergänzt.

 

  • Definitive Ausführungspläne

Diese nächste Teilleistung (Art. 4.4.2 SIA 102) beinhaltet die Fertigstellung der bereits vorhandenen provisorischen Ausführungspläne. Zu den Ausführungsplänen gehören Werk- und Detailpläne aller Art, die auf der Baustelle, in Werkstätten oder bei Lieferanten benötigt werden (z. B. Grundrisse, Schalungspläne, Detailzeichnungen von Einzelbauteilen etc.). Ausführungsspezifikationen (von Materialien, Apparaten, Geräten etc.) werden endgültig festgelegt, architektonische und konstruktive Details bereinigt. Der Architekt koordiniert die gesamte Feinplanung und leitet die Tätigkeit von Spezialisten, Unternehmern und Lieferanten. Er kontrolliert Pläne, die von Dritten erstellt werden, und überprüft, ob sie mit den Architektenplänen übereinstimmen. Bei den Koordinations- und Aussparungsplänen ist er besorgt, dass sie nachgeführt werden.

 

  • Gestalterische Leitung

Diese Teilleistung (Art. 4.4.3 SIA 102) wird ziemlich gut honoriert, aber vielen (auch dem Autor) ist nicht so recht klar, was sie genau beinhaltet. Vermutlich werden mit ihr vor allem die Baustellenbesuche des Entwurfsarchitekten oder Projektleiters abgegolten. Bei den ersten zwei der im Leistungsbeschrieb explizit aufgeführten Grundleistungen geht es nämlich um die «Überprüfung der Ausführung auf Übereinstimmung mit dem gestalterischen Grundkonzept» sowie um die «Angabe der in den Ausführungsunterlagen nicht festlegbaren Gestaltungselemente». Eine weitere Grundleistung ist ferner die Beratung des Auftraggebers bezüglich Mobiliar und Einrichtungen.

Interessanterweise gilt aber die Mitwirkung des Architekten bei anderen Gestaltern (z. B. Innenarchitekten) als separat zu vergütende Zusatzleistung.

 

  • Bauleitung

Die Bauleitung (Art. 4.4.4 SIA 102) beansprucht von allen Teilleistungen den grössten Anteil am Architektenhonorar. Sie umfasst unter anderem folgende Tätigkeiten (die Liste weicht von der Darstellung im Buch ab):

Leitung aller Vorgänge auf der Baustelle
Koordination der Unternehmer und Lieferanten
Terminplanung für die gesamte Bauausführung
Kontrolle von Materialien und Lieferungen (inkl. Werkstattkontrollen)
Anordnung und Überwachung von Regiearbeiten
Ausmassarbeiten
Gesamtes Rechnungswesen bis zur Schlussabrechnung (einschliesslich periodischer Kostenrapporte)
Durchführung von Prüfungen im Hinblick auf Abnahmen; Abnahmeprotokolle
Überwachung der Mängelbehebung; Garantiewesen

Phase 5: Abschlussphase

Die Tätigkeiten nach der Bauabnahme werden als Abschlussphase bezeichnet. Sie endet mit dem Ablauf der Garantiefrist (meist zwei Jahre ab Abnahme). Gesamthaft beansprucht die Abschlussphase nur einen kleinen Anteil des Architektenhonorars.

 

  • Schlussabrechnung

Mit dieser Teilleistung (Art. 4.5.1 SIA 102) werden die abgerechneten Gesamtkosten des Bauwerkes ermittelt. Die Grundleistungen umfassen das Aufstellen, Nachprüfen und Bereinigen der Schlussabrechnung sowie die Gegenüberstellung mit dem Kostenvoranschlag. Aufgeführt ist ferner das Bestimmen von Kennwerten, die sich aus den Gesamtkosten des Bauwerkes ergeben.

 

  • Dokumentation über das Bauwerk

Diese Teilleistung (Art. 4.5.2 SIA 102) beinhaltet das Zusammenstellen eines kompletten Dossiers mit allen Unterlagen, die für den Betrieb und den Unterhalt des Bauwerkes notwendig sind. Dazu gehören Baupläne mit nachgeführten Aenderungen (sogenannte Revisionspläne) sowie Unterlagen aller Art für Gebrauch und Wartung (Schemapläne, Gebrauchsanweisungen, Serviceinstruktionen etc.).

 

  • Leitung der Garantiearbeiten

Diese letzte Teilleistung (Art. 4.5.3 SIA 102) beinhaltet den Aufwand des Architekten während der zweijährigen Rügefrist (Garantiefrist). Ziel ist die Behebung allfälliger Mängel bis zur Schlusskontrolle (Schlussabnahme) des Bauwerkes. Die Grundleistungen umfassen das Aufstellen und Nachführen von Mängeln, die innerhalb der zweijährigen Rügefrist auftreten, das Aufbieten der Unternehmer und Lieferanten zur Mängelbehebung sowie die Überwachung ihrer Arbeiten. Im weiteren gehören das Erstellen der Schlussabnahmeprotokolle sowie die Beanspruchung oder Freigabe der Bankgarantien dazu.

Als Zusatzleistungen gelten (unter anderem) Leistungen des Architekten nach Ablauf der zweijährigen Rügefrist sowie Leistungen im Falle von Konkursen oder Prozessen mit Dritten.